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15.05.10 / Spanien ist kein zweites Griechenland / Trotz Handelsbilanzdefizit und hoher Arbeitslosigkeit läuft vieles in geordneten Bahnen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-10 vom 15. Mai 2010

Spanien ist kein zweites Griechenland
Trotz Handelsbilanzdefizit und hoher Arbeitslosigkeit läuft vieles in geordneten Bahnen

Spanien könnte der Sargnagel der Eurozone werden, raunen Marktbeobachter. Doch das Land ist mit Griechenland kaum zu vergleichen, vieles wurde besser gemacht in Madrid.

Unter Finanzfachleuten der Eurozone machte sich zuletzt zunehmend Ärger breit: Die tagtäglich gestreuten Befürchtungen, weitere Euro-Länder stünden ebenso wie Griechenland kurz davor, sich nicht mehr am Kapitalmarkt finanzieren zu können, seien das Werk angelsächischer Spekulanten, die gezielt gegen den Euro arbeiteten, so ihre Beschwerde.

„Die größten Sünder USA und Großbritannien sind derzeit die Gewinner dieser Spekulation (gegen den Euro), die von London und New York ausgeht“, schimpft Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank. Er verweist darauf, dass 2009 die Neuverschuldung gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den USA (zwölf Prozent) und Großbritannien (13 Prozent) rund doppelt so hoch gewesen sei wie im Durchschnitt der Eurozone mit 6,3 Prozent. Dennoch werde der Euro herunterspekuliert, Pfund und Dollar gewönnen.

Als nächstes mögliches Opfer von Spekulationen sieht die Finanzwelt Portugal an. Dahinter erst wird der eigentliche Brocken ausgemacht: Spanien. Die Volkswirtschaft des 47-Millionen-Landes ist mehr als doppelt so groß wie die Griechenlands und Portugals zusammen. Experten fürchten, dass eine Stützung Madrids nach Athener Vorbild die Euro-Partnerländer schlichtweg überfordern würde.

Und die Attacke gegen Spanien läuft. Die US-Rating-Agentur „Standard & Poor’s“ hat die Bonität des Landes bereits heruntergestuft. Interessierte Kreise streuten vergangene Woche das Gerücht, Madrid wolle in Kürze 280 Milliarden Euro Finanzhilfe beantragen. Spürbar gereizt wies Spaniens Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero die Gerüchte als „lächerlichen Irrsinn“ zurück.

Die Probleme des iberischen Königreichs liegen offen zutage: Eine beispiellose Immobilienblase ist geplatzt. Schätzungen zufolge stehen 1,5 Millionen Neubauwohnungen leer, finden weder Käufer noch Mieter. Parallel dazu hat sich eine beachtliche private Verschuldung aufgebaut, weil Haus- und Wohnungskäufer ihre Raten nicht mehr bezahlen können.

Chronisch ist auch das Handelsbilanzdefizit, das in diesem Jahr laut EU-Schätzung mit 9,8 Prozent sogar höher ausfallen soll als das griechische. Das hat seine Ursache nicht zuletzt darin, dass aufgrund üppiger Lohnrunden die Exportstärke der spanischen Unternehmen in den Boomjahren gelitten hat.

Dennoch ist Spanien weit entfernt von einer griechischen Zuspitzung, denn: Ganz anders als in Griechenland verhält es sich mit den Staatsfinazen der Spanier. Statt wie ihre EU-Partner am anderen Ende des Mittelmeers die guten Jahre für üppige Wahlgeschenke zu nutzen, führte Madrid die Staatsverschuldung systematisch zurück, tilgte seine Verbindlichkeiten in beachtlichem Umfang auf zuletzt unter 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Griechen lagen selbst vor der aktuellen Krise weit über der Marke von 100 Prozent. Mittlerweile steigen auch die spanischen Staatsschulden in rasantem Tempo, im vergangenen Jahr um 11,4, in diesem voraussichtlich um 9,8 Prozent – dies aber von weitaus niedrigerem Niveau als selbst in Deutschland. Bis 2013 soll das Defizit wieder auf unter drei Prozent des BIP sinken. Da die Spanier so einen Kraftakt schon einmal hingelegt und ihre Schulden sogar zum erheblichen Teil getilgt haben, wirken ihre Sparversprechen für die weitere Zukunft weitaus glaubwürdiger als die der Griechen, deren Zahlenspiele berüchtigt sind. Insofern besteht nach Auffassung der Fachwelt derzeit kein realer Grund, warum die Finanzmärkte Madrid nicht auch weiterhin Geld zu vernünftigen Konditionen leihen sollten.

Im Zustand der Staatsfinanzen spiegelt sich ein weiterer gravierender Unterschied der beiden Staaten. Die Krise der hellenischen Staatskasse ist die Blüte eines für deutsche Verhältnisse unfassbaren Ausmaßes an Steuerhinterziehung und Korruption in allen Lebensbereichen. In Spanien hingegen funktioniert, nachgewiesen durch die beachtlichen Sanierungserfolge der jüngsten Vergangenheit, das Fiskalsystem.

Die Achillesferse Spaniens ist indes die Arbeitslosigkeit, die mit 20 Prozent einen Rekord im Euroraum darstellt. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt sogar doppelt so hoch und erreicht in der bei deutschen Touristen beliebten Provinz Las Palmas (östliche Kanaren) gar erschreckende 50 Prozent.

Die Ursache wird in einem verkrusteten, vor allem aber zweigeteilten Arbeitsmarkt gesehen: Vor allem ältere Beschäftigte mit bombensicheren Arbeitsplätzen stehen sicher auf der einen, wohingegen eine von Leiharbeitern, Teilzeitkräften und Gelegenheitsjobbern beherrschte „zweite Klasse“ auf der anderen Seite landet, wo sich vor allem die Jüngeren drängeln. Darüber hinaus sind Verwandschaft und Bekanntschaft wichtig beim Erfolg der Arbeitssuche. Wer keine guten Verbindungen hat, der hat es schwer.

Im Vergleich zu Griechenland kann Spanien indes eine erheblich breitere industrielle Basis vorweisen. So stieß etwa die spanische Autioindustrie 2007 29 Millionen Fahrzeuge aus, fast halb so viele wie die deutsche und etwa genauso viele wie die französische. Großbritanniens und Italiens Fahrzeughersteller sind mit 17 und 13 Millionen weit abgeschlagen. Neben der spanischen VW-Tochter Seat bauen auch Opel, VW selbst, Peugeot-Citroen, Ford und Renault Wagen in Spanien. Hans Heckel


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