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15.05.10 / Mit Unterschriften gegen das AKW / Das im Bau befindliche Baltische Atomkraftwerk bei Ragnit löst in der Region nicht nur Freude aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-10 vom 15. Mai 2010

Mit Unterschriften gegen das AKW
Das im Bau befindliche Baltische Atomkraftwerk bei Ragnit löst in der Region nicht nur Freude aus

Am 24. Jahrestag der Reaktorka­tastrophe von Tschernobyl protestierten Aktivisten der Umweltorganisation „Ekosaschita“ in Königsberg am Denkmal „Mutter Russland“ gegen den Bau des neuen Kernkraftwerks bei Ragnit.

Etwa ein Dutzend Umweltschützer sammelte am letzten Aprilwochenende Unterschriften für eine Petition an den russischen Präsidenten Dmitrij Medwedew. Zweck der Aktion war, noch einmal auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die der Region bei Inbetriebnahme des „Baltischen Atomkraftwerks“ bei Ragnit vermeintlich drohen. Am Denkmal „Mutter Russland“ rollten sie Transparente mit den Parolen „Kein neues Tschernobyl“ und „Atomfreie Zukunft“ aus. Das Hauptargument der Umweltschützer gegen den Bau des Kernkraftwerkes ist, dass gar kein Mangel an Strom bestehe, der Bau des Kraftwerkes keine langfristigen und stabilen Arbeitsplätze garantiere und ein – wenn auch nur kleines – Erdbebenrisiko in der Region vorhanden sei. Die Unterschriftensammlung für den Brief an den Präsidenten war so erfolgreich, dass die Umweltschützer zukünftig jeden letzten Sonntag im Monat eine Versammlung am Denkmal „Mutter Russland“ durchführen wollen.

Ob diese Protestaktionen den Bau des Atomkraftwerks aufhalten werden, ist unwahrscheinlich. Nachdem Premierminister Wladimir Putin im Herbst 2009 die Baugenehmigung erteilt hatte, wurde am 25. Februar in einer feierlichen Zeremonie der Grundstein gelegt. Als Bauträger für die Anlage tritt der Konzern „Ros­atom­energo“ in Erscheinung. Zurzeit wird mit möglichen Partnern verhandelt, bei denen für eine Kapitalbeteiligung am Kraftwerk bis zu einer Höhe 49 Prozent sowie für langfristige Stromabnahmeverträge geworben wird. Während Putins letztem Treffen mit seinem italienischen Amtskollegen Silvio Berlusconi unterzeichneten der russische Stromkonzern „Inter RAO EES“ und die italienische „Enel“ ein entsprechendes Memorandum.

Für 2010 wurden für den Bau des AKW 3,6 Milliarden Rubel (rund 90 Millionen Euro) eingeplant, für 2011 sind weitere zehn Milliarden (fast 250 Millionen) veranschlagt. Die Gesamtsumme des Projekts wird sich auf über 194 Milliarden Rubel (beinahe fünf Milliarden Euro) belaufen.

Die Anlage, bestehend aus zwei Blöcken mit einer Kapazität von je 1150 Megawatt, soll Arbeitsplätze für 1100 Menschen bieten. Die Laufzeit der Anlage beträgt 60 Jahre. Das „Baltische Atomkraftwerk“ wird technisch analog zu den bestehenden Anlagen „Leningrader AKW-2“ bei St. Petersburg und „Nowoworoneschskaja AKW-2“ bei Woronesch gebaut.

Der Kreis Ragnit rechnet mit einem wirtschaftlichen Aufschwung durch das Kraftwerk, denn allein die Steuereinnahmen könnten sich auf das 16-fache erhöhen. Der erste Block soll 2016 in Betrieb gehen, der zweite 2018.

Obwohl die Bauarbeiten schon begonnen haben, hält der Streit über die Zweckmäßigkeit des AKW bis heute an. Der ehemalige litauische Präsident Valdas Adamkus sagte, der Bau eines Atomkraftwerks unweit der Grenze zu Litauen und Weißrussland stelle eine Art Belagerung Litauens zu politischen Zwecken dar. Die Baustelle befindet sich in nur 15 Kilometern Entfernung von der litauischen Grenze.

Eine im vergangenen Jahr durchgeführte Umfrage im Königsberger Gebiet ergab, dass 43 Prozent der Befragten gegen das Atomkraftwerk sind und nur 19 Prozent dafür. 26 Prozent lehnen es ab, solange nicht alle ökologischen Normen erfüllt sind. Jurij Tschernyschew


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