19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.05.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-10 vom 15. Mai 2010

Unser Geld / Wie wir täglich dazulernen, wozu wir die Spekulanten brauchen, und warum die EU-Knete um jeden Preis raus muss
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Nie wieder Weimarer Verhältnisse, das schworen sich die Väter des Grundgesetzes an der Wiege der jungen (zweiten) Republik. Was waren das eigentlich für „Verhältnisse“? Landläufig stellen wir uns einen chaotischen Reichstag vor, in dem alle durcheinander brüllen, die Mehrheiten ständig wechseln und daher nichts zustande kommt. Der Todfeind und spätere Mörder jener Republik nannte das Parlament eine „Schwatzbude“.

Das soll der Bundestag nie werden, daher wurde bei der jüngsten Krise gleich ganz aufs Schwatzen verzichtet. Die Entscheidung, sich mit 123 oder 148 oder noch mehr Milliarden am wunderbaren Rettungsschirm zu beteiligen, ging ganz ohne Parlament durch. Das haben ein paar Beamte mit ihren Regierungschefs in Brüssel abgemacht, womit der demokratische Fortschritt, den uns die EU gebracht hat, für jedermann sichtbar wurde: Adieu, Schwatzbude!

Es ging nicht um ein paar Milliarden Steuerentlastung oder ähnlichen Klimperkram, dem eine Volksvertretung vielleicht noch gewachsen wäre, sondern, so Merkel, um den „Schutz unseres Geldes“. Die Art des Schutzes hat im Land nicht jeder verstanden. Schützen wir wirklich unser Geld, indem wir die Schulden zügelloser Schuldenmacher auch noch schultern? Offenbar schon.

Geldpolitik ist eben grässlich kompliziert. Da lernt selbst EZB-Chef Jean-Claude Trichet alle paar Tage was Neues. Deshalb hat der Wächter der europäischen Währung auch alle paar Tage eine neue Meinung. Alles, was er in den vergangenen 14 Tagen gemacht hat, hatte er all die Jahre zuvor noch als geldpolitisches Kapitalverbrechen gegeißelt.

Vergangene Woche hatten wir besichtigt, wie die EZB ab sofort schrottreife Anleihen als Sicherheiten akzeptiert für Kredite. Da tat uns der Monsieur Trichet noch ein bisschen leid – war das nicht unter seiner Würde? Iwo, der Gute hat sich schnell an seine neue Rolle als Lumpensammler der Kapitalmärkte gewöhnt. Diese Woche ging er erst so richtig in die stinkenden Vollen: Nun „kauft“ die EZB sogar jeden Anleihe-Dreck, auch von privaten Unternehmen. Die können also mit ihren windigen Papieren nach Frankfurt kommen und sie dort in „unser Geld“ umtauschen.

Und was wird aus uns, den kleinen Leuten auf der Straße? Wenn Monsieur Trichet jedes Finanzmarktgerümpel für „unser Geld“ annimmt, dann möge er bitteschön auch das Spielgeld aus meiner Monopoly-Kasse in Euros verwandeln. Oder die hart gewordenen Kaugummi-Taler aus der Weihnachtszeit, die ich neulich in meiner Schublade gefunden habe. Mir schmecken die nämlich nicht mehr, doch der EZB mundet neuerdings ja alles. Also guten Appetit und her mit den Moneten!

Wie konnte es nur soweit kommen? Das fragen die Leute immer bohrender, und bringen die Politiker damit in Verlegenheit. Was sagt man denen? Gut, dass es die „Spekulanten“ gibt. Die sind es nämlich gewesen, sagen uns die Politiker.

Ach ja? Und was bedeutet das? Das soll wohl heißen: Wären die Spekulanten nicht gewesen, hätten die Griechen immer pünktlich ihre Steuern bezahlt, wären später in Rente gegangen, würden nicht zahllose Phantombehörden unterhalten, in denen Freunde und Verwandte einflussreicher Leute ihr arbeitsfreies Einkommen finden, würde bei ihnen nicht überall geschlampt und bestochen und so weiter. Das waren alles die „Spekulanten“.

Blödsinn, das waren sie natürlich nicht. Aber ohne diese fiesen Kerle wäre der ganze Kram erst viel später aufgeflogen. Sie haben sich auf den verwesenden Kadaver geworfen, den die Griechen aus ihrem Land gemacht haben, und damit die Aufmerksamkeit der „Märkte“ auf die morschen Pfeiler der hellenischen Bruchbude gelenkt. Von da an ging alles erschreckend schnell.

Hätte man die Sache in den warmen Händen der EU-Kommission belassen, würden wir vielleicht erst in einigen Jahren erfahren, was da unten los ist. Eine Kontrolle der Mitgliedstaaten war in Brüssel nämlich bislang tabu. Den Betrug mit den Haushaltszahlen mussten die Griechen schon eigenhändig beichten. Daraus hat Brüssel gelernt, sagt Brüssel. Ab jetzt will man ganz genau hinsehen und alles ganz wahnsinnig „transparent“, also durchschaubar machen.

Dabei geht die EU vor wie ein ertappter Politiker: Immer nur das öffentlich einräumen, was sowieso schon jeder mit eigenen Augen sehen kann. Hinter den Kulissen geht es derweil munter weiter wie früher: Nichts wissen, nichts hören, nichts prüfen wollen.

So verwehrt sich die EU-Kommission entschieden dagegen, die Verwendung von EU-Subventionen in den gepäppelten Ländern zu überprüfen. Einmalig in der Welt: Die, die das Geld bekommen, sollen seine ordnungsgemäße Verwendung selber „überprüfen“.

So kommt es, dass in Bulgarien die 27-jährige Tochter des bis 2009 amtierenden stellvertretenden Landwirtschaftsministers die größte Einzelempfängerin von EU-Agrarbeihilfen in ihrem Land ist. Immerhin wissen die Bulgaren, wie man die Knete an Land zieht. Die Griechen sind selbst damit überfordert. Im EU-Strukturfonds gammeln 20 Milliarden Euro herum, welche den Hellenen von 2007 bis 2013 zufließen sollen. Athen aber hat, die Zeit ist mehr als halb rum, erst ein Zwanzigstel davon abgerufen. So bescheiden? Nein, nicht ganz. Es finden sich in Griechenland einfach nicht die Fachleute, die die förderungswürdigen Projekte entwickeln und fachgerecht beantragen könnten.

Nun könnte man meinen: Wer schon zu blöde ist, die Formulare auszufüllen, führt damit den Beweis, dass er mit dem Zaster eh nur dummes Zeug anstellt. Eigentlich sollten die Brüsseler dankbar sein, von der beispiellosen Inkompetenz der Hilfsadressaten auf diese Weise (und damit rechtzeitig) erfahren zu haben, und den Hahn schleunigst zudrehen.

So denken die aber nicht. Denen geht es darum, möglichst viel Geld zu verteilen, um so die eigene Bedeutung herauszustreichen: Je mehr Geld wir verteilen, desto wichtiger und mächtiger sind wir, lautet die Devise in den Fluren der EU-Verwaltung. Also hat Brüssel beschlossen, die Sache im Sinne des Wortes idiotensicher zu machen: Bei Umweltprojekten etwa soll künftig auf Kosten-Nutzen-Rechnungen, Nachhaltigkeitsnachweise und Bedarfsanalysen  verzichtet werden, damit wirklich jeder Trottel EU-Geld dafür beantragen kann. Ist das nicht überaus fürsorglich von den Verwaltern „unseres Geldes“? Raus muss die Kohle, egal wie, und wenn wir sie den Griechen eigenhändig in den Schlund pressen müssen!

EU-Kommissionspräsident Barroso fordert übrigens, dass sein Etat von jetzt 130 Milliarden Euro zum kommenden Jahr um knapp sechs Prozent angehoben wird, weil er noch so viele, so wichtige Projekte bezuschussen muss und seine Bürokratie ja auch wachsen will. Es geht schließlich um das Zusammenwachsen der Gemeinschaft, von der „wir ja alle profitieren“, und Hauptnettozahler Deutschland bekanntlich am allermeisten.

Die Deutschen gewöhnen sich nur widerwillig an diese für sie ganz neuen Denkweisen. Erst am Wochenende bemerkten sie den Klebstoff an ihren Schuhen. Er stammt von der Leimrute, auf die man sie in den 90ern gelockt hatte mit Versprechen wie „Euro so hart wie die Mark!“ oder „Transferunion niemals!“, weil „jeder Eurostaat für seine Schulden selber geradestehen muss“. Jetzt sitzen wir in der Falle und der Euro zeigt sein wahres Gesicht, das uns ganz anders vorgestellt worden war. Der Kommentator einer seit Anbeginn eurofanatischen Tageszeitung jammert: „Es fällt immer schwerer, noch an das Euro-Projekt zu glauben.“

Dran glauben muss zu allererst die letzte Hoffnung auf Steuererleichterungen. Sie ist den Weg alles Irdischen gegangen, weil „solche Maßnahmen in der derzeitigen Lage völlig unverantwortlich wären“. Schließlich braucht nicht nur Barroso noch viel mehr Geld aus Deutschland.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren