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22.05.10 / Die Zocker ausbremsen / Gute Argumente sprechen für die geplante »Finanzmarkt-Transaktionssteuer« – Banken jaulen schon auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-10 vom 22. Mai 2010

Die Zocker ausbremsen
Gute Argumente sprechen für die geplante »Finanzmarkt-Transaktionssteuer« – Banken jaulen schon auf

Überraschend schnell hat Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Ablehnung einer Finanzmarkt-Transaktionssteuer aufgegeben. Auch in der EU scheint es keine nennenswerten Widerstände mehr zu geben. Gute Argumente sprechen für die Wiedergeburt dessen, was als „Börsenumsatzsteuer“ jahrzehntelang funktioniert hat.

Schon ab dem Jahr 1885 wurde in Deutschland eine prozentuale Steuer auf Börsentransaktionen erhoben. Vorbild war die britische „Stamp tax“, die dort unter dem Namen „Stamp duty“ für inländische Aktien bis heute existiert und dem britischen Schatzkanzler jährliche umgerechnet rund fünf Milliarden Euro beschert. Ab 1922 hieß diese Abgabe im Deutschen Reich „Börsenumsatzsteuer“, außer in den Jahren 1944 bis 1948 wurde sie bis zu ihrer Abschaffung 1991 immer erhoben. Doch im Zuge der sogenannten „Restliberalisierung“ der Kapitalmärkte wurde diese Steuer ab etwa Mitte der 80er Jahre in den meisten Industrieländern abgeschafft, zu den Ausnahmen gehören die Schweiz, Indien und wie erwähnt Großbritannien.

Grundgedanke einer solchen Steuer, die nun voraussichtlich EU-weit wiedereingeführt werden soll, ist, dass Wertpapierumsätze in geringem Umfang „entschleunigt“ werden sollen. Niedrige Steuersätze im Promille-Bereich bedeuten für mittel- und langfristige Finanzanlagen eine kaum messbare Belastung. Kurzfristigen Zockern, die teilweise mehrfach am Tag (und im computerunterstützen Handel mitunter mehrfach in der Minute) erhebliche Summen hin- und hertransferieren, macht diese Steuer jedoch das Leben schwer.

Experten sind einig, dass eine Steuer auf Transaktionen am Finanzmarkt geeignet wäre, nennenswerte Steuereinnahmen in genau dem Bereich zu generieren, der der Ausgangspunkt der seit Sommer 2007 andauernden Weltfinanzkrise ist. Zwar würden die Banken selbst einen großen Teil der sich ergebenden Steuerlast an ihre Kunden abwälzen, doch damit wäre die Belastung genau dort, wo sie hingehört: Bei den Anlegern und Investoren, vom wohlhabenden Privatmann bis zum milliardenschweren Fonds.

Anders gesagt: Nachdem die Banken und andere große Akteuren an den Finanzmärkten mit riesigen Beträgen aus den öffentlichen Haushalten davor bewahrt wurden, die Suppe auszulöffeln, die sie sich selbst und der Allgemeinheit eingebrockt haben, könnte eine solche Steuer wenigstens einen Teil der ungeheuren Last der Finanzkrise dort abladen. Zum anderen wäre eine solche Steuer eine sinnvolle Vorbeugung gegen künftige Spekulationsexzesse, denn gerade die besonders riskanten Transaktionen lassen sich mit einer solchen Steuer ganz gezielt „ausbremsen“.

Der aktuelle Schwenk der Kanzlerin, dem offenbar auch die FDP keinen Widerstand mehr entgegensetzen will, ist in erster Linie ein Erfolg der CSU. „Die Banken, die die Krise zu einem Großteil mit verursacht haben, sollten auch für die Bewältigung herangezogen werden“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer am Sonntag in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Es dürfe hier nicht immer nur geredet werden, die Bürger erwarteten, dass in dieser Richtung auch etwas geschieht.

Das war nicht zuletzt ein Seitenhieb auf die sogenannte „Bankenabgabe“, die die Bundesregierung vor ein paar Wochen als Wahlkampfluftballon für Nord-rhein-Westfalen in den Berliner Himmel aufsteigen ließ: Schon die Höhe dieser Abgabe blieb offen. Außerdem berührt eine Bankenabgabe nicht die Wurzel des Problems der Finanzkrise, und sie ist in einer Lage, in der die gesamte Branche mit einem vielfachen der geplanten Abgabe aus dem Bundeshaushalt unterstützt wird, im Grunde bereits im Ansatz eine Absurdität.

Im Internet wirbt die breit aufgestellte Initiative „Transaktionssteuer: Die Steuer gegen Armut“ seit Oktober 2009 mit differenzierten Argumenten für eine solche Steuer. Die Initiative um den Jesuitenpriester und Soziologen Dr. Jörg Alt, die hochkarätige wissenschaftliche Unterstützung genießt und rasch die Aufmerksamkeit der Politik gewann, erläutert auf www.trans-aktionssteuer.org genau die Vor- und Nachteile einer solchen Steuer, einschließlich der Unterschiede zu der unter Linksradikalen so beliebten „Tobin-Steuer“, die sich nur auf internationale Devisentransaktionen beziehen würde und deswegen kaum im nationalen Alleingang eingeführt werden könnte.

„Gilt diese Steuer, müsste ein Händler pro Transaktion einen Betrag bezahlen und es wäre anzunehmen, dass er sich genauer als bisher überlegen würde, ob er die Transaktion tätigt oder nicht, als es heutzutage der Fall zu sein scheint, wenn oft ein Computer-Tastendruck Milliarden um den Erdball jagt“, erläutern die Initiatoren. „Anders als die aufwändigen Regulierungsmechanismen, die derzeit zur Aufsicht über das Finanzgeschehen ersonnen werden, wirkt diese Steuer unmittelbar ... ein Katz- und Mausspiel zwischen Händlern und Kontrolleuren erübrigt sich; man ist nicht davon abhängig, dass Kontrolleure eventuellen Missbrauch zunächst aufspüren und dann ahnden.“

Die Befürworter der Steuer nehmen nicht in Anspruch, dass eine solche Steuer die gegenwärtigen Probleme hätte verhindern können, und sie sei auch „kein Allheilmittel gegen zukünftige Krisen“. Aber: „Sie ist ein wissenschaftlich weit anerkanntes Mittel gegen Spekulation und sollte deshalb zusammen mit anderen geeigneten Instrumenten (wie der Verbesserung der Bankenaufsicht, Reform des Rating-Systems und der Bonuszahlungen) bei der Neuordnung des Finanzsystems mitbe- rücksichtigt werden.“

Durch geeignete Ausgestaltung würde diese Steuer lediglich überzogen spekulatives Verhalten unrentabel machen: „Ein praktikabler Steuersatz dürfte zwischen 0,1 und 0,01 Prozent liegen.“ Die Sorge, dass eine solche Steuer den Finanzplatz Deutschland schwäche, wenn sie nicht weltweit eingeführt werde, weisen die Befürworter zurück. Dafür sei London der beste Beleg. Trotz einer Transaktionssteuer von „unglaublich hohen 0,5 Prozent“ (die dort allerdings nicht auf alle Finanztransaktionen erhoben wird) „ist es der weltweit größte Finanzplatz“.

Dass diese Steuer die Banken offenbar wirklich treffen würde, gab Christian Brand, der Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Banken, zu erkennen. Er warnte mit fast schon drohendem Unterton: „Nichts wäre schlimmer, als die bislang mit hohem Aufwand verhinderte Kreditklemme nun quasi durch die Hintertür herbeizuregulieren.“           Konrad Badenheuer


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