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22.05.10 / Zauberwort Arkadien / Eine Hamburger Ausstellung zeigt Werke norddeutscher Maler, die ihr Glück in Italien suchten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-10 vom 22. Mai 2010

Zauberwort Arkadien
Eine Hamburger Ausstellung zeigt Werke norddeutscher Maler, die ihr Glück in Italien suchten

Italien, das Sehnsuchtsziel deutscher Touristen, zog im 19. Jahrhundert auch viele deutsche Maler an. Dort lernten sie, die Landschaft in neuem Licht zu sehen.

Jetzt rollen sie bald wieder, die modernen Karawanen. In wenigen Wochen wird die große Reisewelle beginnen und Auto sich an Auto reihen; an den Flughäfen werden sich die Menschen an den Schaltern drängeln und auf den Bahnhöfen auf die Ankunft des Zuges warten. Seit Jahrhunderten zieht es Menschen fort aus ihrem Alltag. Was treibt sie an, die gewohnte Umgebung zu verlassen und auf Reisen zu gehen? „Das ist das Angenehme auf Reisen, dass auch das Gewöhnliche durch die Neuheit und Überraschung das Ansehen eines Abenteuers gewinnt“, erkannte Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), der Italien 1786 für 20 Monate bereiste und mit der Veröffentlichung seiner Eindrücke auf der „Italienischen Reise“ die Sehnsucht der Deutschen nach dem sonnigen Süden weckte. Sein Ausspruch „Auch ich war in Arkadien“ (Et in Arcadia ego) erlangte als Sehnsuchtsmotiv Berühmtheit.

Das Zauberwort Arkadien, obwohl eine Landschaft auf dem Peloponnes meinend, wurde zum Synonym für Italien. „Seit der Antike gilt Arkadien als Inbegriff der ursprünglichen Landschaft, auch im Hinblick auf eine Bevölkerung, die weitgehend unberührt von Zivilisationseinflüssen lebt“, erklärt Susanne Keller, Kuratorin der Ausstellung „Sehnsucht nach Arkadien“, die zur Zeit im Hamburger Jenisch-Haus Werke norddeutscher Maler präsentiert.

Seit dem Barock galt die Grand Tour, die Bildungsreise nach Italien, als Pflicht für Adelige. Später folgten auch Bürgerliche, oft ausgerüstet mit einem Stipendium, dem Ruf in den Süden. Darunter waren auch viele Maler und Bildhauer, die dort einmal die antiken Stätten und die Meisterwerke der Renaissance studieren wollten, zum anderen aber auch das irdische Paradies suchten, ein Land fernab aller Konventionen. Um 1800 waren in Rom ganze Kolonien deutscher und dänischer Künstler entstanden, die auch untereinander in engem Kontakt standen. Der Bildhauer Bertel Thorvaldsen (1770–1844) war dort eine zentrale Figur, er scharte Schüler, Auftraggeber und Gelehrte um sich und erhielt später einen Lehrstuhl an der Kopenhagener Akademie. Seine Büste eines unbekannten Künstlers nimmt einen besonderen Platz in der Hamburger Ausstellung ein. Viele Künstler hatten zusammen an der Königlich Dänischen Akademie der Schönen Künste in Kopenhagen studiert. Kopenhagen galt zu dieser Zeit uneingeschränkt als Kunstzentrum für Dänemark und Norddeutschland, besonders auch für Schleswig-Holstein, das bis 1840 größtenteils unter dänischer Verwaltung stand. Die Bilder aus dem späten 18. und dem 19. Jahrhundert zeigen ein Italien voller Lebensfreude, voller Licht. Sie zeigen Motive aus Rom, von der Amalfi-Küste oder aus den Albaner Bergen. Idyllisch anmutende Straßenszenen, buntes Treiben am Hafen, zerklüftete Felsen, anmutige Frauen in landestypischer Tracht, Hirtenjungen – all das verkörpert das Italienbild früherer Jahre. Künstler wie Hans Peter Feddersen (1848–1917) zog es auf die Insel Capri. Dort suchte er kleine unbedeutende Orte auf und hielt die charakteristische Atmosphäre mit Farbe und Pinsel fest. Viele folgten später seinem Vorbild, so dass die kleine Insel bald überlaufen war. Klaus Groth stöhnte 1895, dass es auf Capri „von Malern wimmelt … man stolpert über Männer und Weiber, über Staffeleien und Paletten, die alle eigentlich denselben grauen Felsen im blauen Meer abkonterfeien.“ Auch wenn die Motive sich ähneln, so hat doch jeder Künstler seine eigene Handschrift. So mancher entdeckte für sich die Landschaft, ein Motiv, das lange Zeit als minderwertig galt.

Nicht wenige Maler blieben in Italien, anstatt in die norddeutsche Heimat zurückzukehren. „Es ist doch gar zu schön in Italien“, schwärmte Louis Gurlitt (1812–1897), „und ich bleibe hier so lange wie nur irgend möglich.“ Andere nahmen ihre Eindrücke mit nach Hause. Das Erlebnis des weichen und doch intensiven Lichts wirkte auch noch in ihrer norddeutschen Heimat. Sie malten sie fortan „mit italienischem Blick“.

Auch andere Norddeutsche waren fasziniert vom italienischen Flair, so der 1719 im ostpreußischen Ragnit geborene Johann Friedrich Reiffenstein. Der Maler, Antiquar und Kunstagent unter anderem für Zarin Katharina II. war in der Zeit der Aufklärung ein deutscher Fremdenführer in Rom für prominente Reisende wie Goethe oder Johann Gottfried Herder (1744–1803).

Wenig glücklich allerdings war der Mohrunger Herder, als er sich auf die Reise nach Italien begab. Anders als sein Freund Goethe fühlte er sich als ein „nordliches Wesen“ und somit mehr dem eigenen Kulturkreis verbunden, und so entstand auch kein Reisebericht wie bei Freund Goethe: „Um eine schöne, wenigstens gern gelesene Reise schreiben zu können, muss man auf der Reise selbst gerade so wohl und behaglich gewesen sein, um seine Individualität zur Hälfte vergessen und zur Hälfte mit Allem, was man niederschrieb, verweben zu können...“, erklärte Herder seinem Freund Böttiger.

Am 6. August 1788 war der Ostpreuße, der zu dieser Zeit als Superintendent in Weimar wirkte, in Begleitung des Trierer Domherrn von Dalberg nach Italien aufgebrochen, eine Reise, die bis zum 9. Juli 1789 währen sollte und die dem Theologen allerlei Ungemach bereitete. Während in Italien für Goethe hauptsächlich Rom mit seinen Kulturschätzen von Bedeutung war, empfand Herder vor allem Neapel als wohltuend für Leib und Seele. So schrieb er am 6. Januar 1789 an seine Frau Caroline: „Vom drückenden Rom befreit fühle ich mich wie einen ganz anderen Menschen, wiedergeboren an Leib und Seele ... hier ist eine Welt, die Gott gemacht hat, Gesundheit, Ruhe und Leben ...“          Silke Osman

Die Ausstellung „Sehnsucht nach Arkadien – Schleswig-Holsteinische Künstler in Italien“ im Jenisch-Haus, Baron-Voght-Straße 50, Hamburg, ist bis zum 21. November dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr zu sehen, Eintritt 5 / 3,50 Euro.


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