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22.05.10 / Missglückte Fürsprache / Plädoyer für türkische Immigraten mutiert zur Anklage

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-10 vom 22. Mai 2010

Missglückte Fürsprache
Plädoyer für türkische Immigraten mutiert zur Anklage

Bei Leon sind die Eltern geschieden, Darius kennt gar keinen Vater, Sarah zieht mit ihrer Familie von der Großstadt aufs Land nach Brandenburg, Maries Mutter stirbt, als sie sechs ist, Sarinas kleiner Bruder ist dauerhaft krank und Jonas Eltern sprechen nach einem Streit nicht mehr mit seinen Großeltern mütterlicherseits; jedes dieser Kinder hat sein Päckchen zu tragen und nur wenige wachsen in einer perfekten, konfliktfreien Welt auf. Und bei jenen, bei denen das so zu sein scheint, entpuppt sich dieser schöne Schein manchmal als bloße Fassade. Mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf nervt das Buch „Jung, erfolgreich, türkisch – Ein etwas anderes Porträt der Migranten in Deutschland“ häufig einfach nur. Wobei es nicht die Einzelschicksale sind, die die Autoren Erkan Arikan und Murat Ham anführen. Diese 17 Kurzbiographien in Deutschland lebender Menschen mit türkischen Wurzeln machen die Veröffentlichung sogar lesenswert. Anders als die im Buch verstreuten Kapitel der Herausgeber. Diese sind Ratschläge für eine bessere und auch notwendige Integration, doch der Tenor dieser in erster Linie an die aufnehmende Gesellschaft in Deutschland gerichteten Ausführungen ist derart fordernd, mahnend und belehrend, dass er einfach nur verstimmt. Zumal der Nachwuchs nach Deutschland eingewanderter Türken ständig in die Rolle der vernachlässigten, unterschätzen Opfer gedrückt wird. „Nach dem Abitur ging Arzu zur Uni, wo sie eine andere Spezies traf: reich, verwöhnt, gelangweilt. Sie waren Gäste auf den Empfängen, bei denen sie kellnerte“, schreiben die Autoren mitleidsheischend. Doch den nicht türkischstämmigen Leser, der zufälligerweise auch kellnerte, um sein Studium zu finanzieren, und ebenfalls nicht dieser verwöhnten Spezies, die eine Minderheit ist, angehörte, ärgern derartige Formulierungen nur.

Und auch wenn es ohne Zweifel stimmt, dass Personen mit türkischen Hintergrund trotz guter Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt mit Vorurteilen zu kämpfen haben, so kommen diese nicht von ungefähr. Vorurteile gibt es immer und überall und sie sind zwar schlimm, aber man kann sie durch positive Gegenbeispiele widerlegen und genau das haben ja die im Buch vorgestellten 17 Personen getan.

„Meine Deutschkenntnisse sind der Schlüssel zu meinem beruflichen Erfolg, aber auch der Grund dafür, dass ich mich in Deutschland zu Hause fühle“, so die Journalistin Hatice Akyün.

Wer die 40-jährige, in Zentralanatolien geborene Frau sieht, erblickt eine elegante deutsche Frau mit südländischen Wurzeln. Ihre Wurzeln bestimmen ihr deutsches Leben nicht viel anders, als es bei anderen die bayrischen oder schwedischen täten. Und Hatice Akyün bringt das Problem vieler in Deutschland lebender Kinder mit türkischen Eltern, die nicht wissen, wo sie hingehören, knapp auf den Punkt: „Ich bin überzeugt davon, dass eine gesellschaftliche Veränderung nur dann erfolgt, wenn Kinder, egal welchen sozialen Hintergrund sie haben, bereits im Vorschulalter an die Hand genommen werden“ … und die deutsche Sprache lernen.

Dass die deutsche Sprache in manchen türkischstämmigen Familien nicht gern gehört wird, liegt schlicht daran, dass die Eltern sie nicht so gut verstehen und deswegen von ihren Kindern verlangen, jene Sprache zu sprechen, die auch sie voll erfassen. Hiervon berichten auch einige der 17 Befragten, doch alle sind trotzdem ihren Weg gegangen, haben häufig Abitur gemacht und einen Beruf gefunden, der sie ausfüllt und finanziell unabhängig macht.     Rebecca Bellano

Erkan Arikan, Murat Ham: „Jung, erfolgreich, türkisch – Ein etwas anderes Porträt der Migranten in Deutschland“, Ehrenwirth, Bergisch Gladbach 2009, geb., 235 Seiten, 19,95 Euro


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