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29.05.10 / »Jamaika« ist zerbrochen / FDP verteidigt allgemeines Demonstrationsrecht – Grüne: Liberale »nicht politikfähig«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-10 vom 29. Mai 2010

»Jamaika« ist zerbrochen
FDP verteidigt allgemeines Demonstrationsrecht – Grüne: Liberale »nicht politikfähig«

Die politischen Verhältnisse in Berlin kommen in Bewegung. Nach einem heftigen Schlagabtausch im Abgeordnetenhaus ist das oppositionelle „Jamaika“-Bündnis zerbrochen.

Der aus Berlin entschwundene frühere CDU-Spitzenmann Friedbert Pflüger hatte ein Jamaika-Bündnis in der Opposition propagiert: CDU, FDP und Grüne sollten gemeinsam Front machen gegen den rot-roten Senat. Tatsächlich richtete die Berliner CDU seither ihre wesentlichen Aktivitäten daran aus, ob sie auch „grünkompatibel“ seien.

Dieses Bündnis ist nun an einem Streit der beiden Partner FDP und Grüne zerbrochen. Auslöser war die parlamentarische Aufarbeitung der Mai-Krawalle in Kreuzberg und die Sitzblockade von einigen prominenten Politikern (unter anderem Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, SPD), der gewaltbereiten Antifa und sonstigen Blockadeaktivisten. Björn Jotzo, Vizefraktionschef der Liberalen im Berliner Abgeordnetenhaus, hatte das Auftreten des innenpolitischen Sprechers der Grünen, Benedikt Lux, bei dieser Blockade schwer kritisiert.

Dabei war es zu einem heftigen Schlagabtausch im Parlament gekommen. Jotzo: „Für uns Liberale steht fest: Freiheit in einer demokratischen Ordnung ist auch die Freiheit des Andersdenkenden.“ Darauf unterbrach ihn der Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann mit dem Zwischenruf: „Glauben Sie den Quatsch, den Sie erzählen?“ Jotzo unbeirrt weiter: „Wer das nicht anerkennt, der sollte gegebenenfalls prüfen, ob er nicht auf der anderen Demo hätte mitmarschieren müssen. Leider sind solche Tendenzen bei den Grünen klar zu erkennen. Als Linksextremisten in unserer Stadt Autos in Flammen steckten, vertraten die Grünen im Innenausschuss die Auffassung, es handele sich bei solchen Brandstiftungen gewissermaßen um ein – ich zitiere – ,Konjunkturprogramm‘.“ Jotzos Anklage gipfelte schließlich in dem Vorwurf, die Grünen wollten quasi eine Meinungsdiktatur errichten. SPD, Linke und Grüne gaben sich hell empört. SPD-Fraktionschef Michael Müller: „Eine Schande!“

Parlamentspräsident Uwe Lehmann-Brauns (CDU) erteilte Jotzo daraufhin eine Rüge. Der Vorwurf der Grünen geht letztlich in die Richtung, Jotzo rede auch einem Demonstrationsrecht für die NPD das Wort. Das in Streit stehende Zitat lautet: „Man kann nicht glaubhaft für Demokratie und Rechtsstaat eintreten, indem man die Rechte anderer mit Füßen tritt, auch wenn deren Meinung einem nicht gefällt oder sie noch so abscheulich ist.“ Dergleichen wollen die Grünen nicht hinnehmen.

Nachdem die FDP es ablehnte, sich für ihr Eintreten für das allgemeine Demonstrationsrecht zu entschuldigen, kündigten die Grünen nunmehr schriftlich die bisherige Kooperation mit der FDP in der Opposition auf. In einem Brief vom 17. Mai schrieben die Fraktionsvorsitzenden Ramona Pop und Volker Ratzmann an FDP-Landeschef Christoph Meyer, die Berliner Freidemokraten seien nicht mehr „politikfähig“. Einige Medien in der Hauptstadt erhoben Vorwürfe in die Richtung von Volker Ratzmann, die Grünen seien nunmehr auf dem Kurs nach „Rot-Rot“. Davon will der Grünen-Fraktionschef nichts wissen. In der Praxis könnte es jedoch darauf hinauslaufen, denn CDU und Grüne werden nach den Umfragen der letzten Jahre allein keine Mehrheit zusammenbringen. Doch die Grünen drängt es zur Macht, nachdem die meisten Landesregierungen der Vergangenheit ohne ihre Beteiligung zustande kamen, weshalb die Spitzenleute der Berliner Grünen wie Renate Künast und Michaele Schreier anderswo Karriere gemacht haben. Möglicherweise hat Ratzmann aber auch die Reißleine gezogen, nachdem die Parteilinken vom Kreuzberger Kreisverband immer deutlicher auf Distanz gingen zur schwarz-grün-gelben Perspektive.

Die CDU steht nun vor einem Scherbenhaufen. Unlängst hatte sich die Partei mit zwei Papieren zur Wirtschafts- und zur Ausländerpolitik einen möglichst grünen Anstrich verpasst. Kritiker hatten die Papiere als Brautschmuck für die schwarz-grüne Hochzeit bezeichnet. CDU-Chef Frank Henkel schloss auf beharrliches Nachfragen der „taz“ nicht einmal aus, Renate Künast zur Regierenden Bürgermeisterin wählen zu wollen, wenn die Grünen in einem Jamaika-Bündnis stärkste Kraft werden würden. Stammwähler der Union wendeten sich mit Grausen ab: Seither gingen die Umfragewerte der Christdemokraten stetig zurück, zuletzt auf 20 Prozent, während die Grünen an der CDU vorbeizogen und 23 Prozent erreichten.

Für die Liberalen, die nach dem Aufstieg ihres prominenten Fraktionschefs Martin Lindner in den Bundestag auf Landesebene kaum noch punkten konnten, bietet der laufende Streit eine gute Gelegenheit, sich zu profilieren. Partei- und Fraktionschef Meyer mag sich gefragt haben, welche (unwichtige) Rolle den Liberalen in einem Jamaika-bündnis zugedacht war. Jotzo, der als Vertrauter Meyers gilt, hat die FDP in Berlin wieder sichtbar gemacht.

Die Partei unterstrich die eingeschlagene Richtung nochmals in einer öffentlichen Erklärung: „Die Rede war außerordentlich wichtig, denn sie stellte klar, dass die Berliner Liberalen zu unseren Grundrechten in ihrer unteilbaren Reichweite stehen. Es kann nicht sein, dass Menschen ihre Bürgerrechte durch Mehrheitsgutdünken aberkannt werden. Eine demokratische Gesellschaft muss Extremismus rechtsstaatlich bekämpfen und darf sich nicht zu rechtswidrigen Aktionen hinreißen lassen.“             Theo Maass


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