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29.05.10 / Kleine Rebellion aus dem Süden / Landesfürsten der CDU/CSU aus Bayern, Hessen und Baden-Württemberg stänkern gegen Merkel-Linie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-10 vom 29. Mai 2010

Kleine Rebellion aus dem Süden
Landesfürsten der CDU/CSU aus Bayern, Hessen und Baden-Württemberg stänkern gegen Merkel-Linie

Nach der herben Wahlschlappe der CDU in NRW, dem Verlust der schwarz-gelben Bundesratsmehrheit und dem wenig überzeugenden Auftritt der Kanzlerin in Sachen Euro-Rettungsschirm formiert sich in der Union Widerstand gegen Angela Merkel. Der kommt vor allem aus dem Süden der Republik.

Eine neue schwarze Dreierbande aus dem Süden gibt derzeit die bösen Buben, die gegen „Mutti“ stänkern: der bis Ende 2010 vollständig aus der Politik scheidende Roland Koch aus Hessen, der bis dato bundesweit noch unbekannte Stefan Mappus aus Baden-Württemberg und Horst Seehofer aus Bayern. Die Mittel, mit denen sie die Kanzlerin ärgern, sind variabel: Länderfinanzausgleich, Verlängerung der Kernkraftwerks-Laufzeiten oder Bildungsausgaben. Was eben gerade zur Hand ist.

Diese drei Südländer haben durchaus gleichgerichtete Interessen: Sie sind stark von der Kernkraft abhängig, sie sind in allen Bildungstests und Länderrankings weit vorn, sie sind die wirtschaftsstärksten Länder Deutschlands, im Länderfinanzausgleich 2009 sind sie die einzigen Geberländer. Wegen dieser hohen Dauerbelastung – und weil sich hochverschuldete Empfängerländer wie Berlin sozialen Luxus wie kostenlose Kindergartenplätze und kostenloses Studium leisten, den sie sich selbst versagen müssen – planen sie auch eine erneute gemeinsame Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Aber das ist derzeit nur ein Randaspekt.

Die neue Serie von Attacken gegen die Kanzlerin hat Baden-Württembergs schwergewichtiger Regierungschef Stefan Mappus eröffnet. Der ist ein völlig anderes Naturell als der eher brave Günther Oettinger, der sich oft von Merkel zurechtstutzen ließ. Mappus wird von seinen Freunden im Charakter gern als „neuer Franz Josef Strauß“ bezeichnet und gilt als innerparteilicher Merkel-Dauerkritiker. Dazu kommt, dass Mappus im Frühjahr 2011 im „Ländle“ Landtagswahlen zu bestehen hat. Immerhin hat sich ja in NRW gezeigt, dass die Merkel-Rüttgers-Strategie, darauf zu setzen, dass die Gegenseite mittels eigenen Nichtstuns stärker narkotisiert wird als die eigene, langfristig nichts bringt.

Viele Gründe also für Mappus, öffentlich zu demonstrieren, dass er sich von Berliner Weicheiern nicht auf der Nase herumtanzen lässt. Bundesumweltminister Norbert Röttgen war das geeignete Ziel, die Kernkraft das Thema. Während Röttgen eine begrenzte Laufzeitverlängerung um maximal acht auf 40 Jahre befürwortet, dringt der atomfreundliche Flügel der CDU auf eine Laufzeitverlängerung um 28 auf 60 Jahre. Die CSU will Kernkraft als „Brückentechnologie“ bis die alternativen Energien berechenbar und günstig zur Verfügung stehen und 40 Prozent der Gesamtenergiemenge abdecken können. Das soll 2030 erreicht sein, aber die einzelnen Kraftwerke sollen höchstens bis zur technischen Maximallaufzeit laufen. Die „erste Voraussetzung“ für die Laufzeit eines Kernkraftwerks sei dessen Sicherheit „und nichts anderes“, sagt CSU-Chef Seehofer.

Während Kanzleramtsminister Ronald Pofalla derzeit an einem Gesetzesentwurf strickt, der die Verlängerung der Kernkraftwerks-Laufzeiten unter Umgehung des Bundesrates erlaubt, sagte Röttgen, eine Laufzeitverlängerung bedürfe „tendenziell der Zustimmung des Bundesrats“. Zur Erinnerung: Die schwarz-gelbe Mehrheit in der Länderkammer ist passé, eine Befassung des Bundesrates wäre das Ende jeder Laufzeitverlängerung.

Das war Mappus zu viel: „Ich bin nicht mehr bereit, die Eskapaden des Bundesumweltministers zu akzeptieren“, zürnte er und fügte hinzu: „Politik ist ein Mannschaftsspiel, und wer Individualsport bevorzugt, der muss sich ein anderes Tätigkeitsfeld suchen.“ Die Kanzlerin müsse Führungsstärke zeigen und Röttgen zurück-pfeifen, so Mappus.

In der Sache hat Mappus Recht: Atomrecht ist Bundesrecht, und der Atomausstieg 2002 wurde ebenfalls ohne Zustimmung des Bundesrats beschlossen. Doch es geht um das Signal: Mappus schlägt den Sack und meint den Esel – in diesem Fall die Kanzlerin. Die Süd-Kollegen Seehofer und Koch haben das mit Freude vernommen, denn auch ihre Länder sind stark vom Atomstrom abhängig. Und es drohen schnelle Reaktor-Abschaltungen: Nach geltendem Recht müssten Biblis A und Neckarwestheim 1 noch 2010, Isar 1 noch 2011 vom Netz.

Seehofer und Koch flankierten diese Attacke und eröffneten umgehend eine weitere Front, um ein weiteres Kabinettsmitglied zu beschädigen, das wie Röttgen zu Merkels engeren Freunden zählt: Bildungsministerin Annette Schavan. Deren Ressort wurde bisher immer als heilige Kuh von allen Einsparbemühungen ausgenommen. Zunächst eröffnete Roland Koch allein das Feuer. Er forderte, das Bildungsressort könne nicht ausgenommen werden, wenn alle Ministerien sparen müssten. Seehofer reagierte zwar erst einmal ablehnend, dann aber gingen beide Seit’ an Seit’ im Bundesrat in die Offensive: Dass der Ausschuss der Finanzminister mit elf gegen fünf Stimmen eine Bafög-Erhöhung ablehnte, die die Länder 173 Millionen Euro gekostet hätte, geht laut Beobachtern auf Seehofer und Koch zurück. Die Finanzminister verwiesen auf ihre leeren Kassen – ein unwiderlegbares Argument, mit dem man derzeit praktisch alle Projekte abbügeln kann.

Sicherlich ist dies auch ein typisches Bund-Länder-Tauziehen mit dem Ziel, dass der Bund einen größeren Anteil der Kosten übernimmt. Aber die politische Signalwirkung darf nicht unterschätzt werden: Dass die Bildungsministerin und Merkel-Freundin Schavan damit einen Dämpfer erhält, wird der neuen schwarzen Dreierbande aus dem Süden, Seehofer, Koch und Mappus, nur recht sein. Anton Heinrich


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