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29.05.10 / Weitreichende Ansprüche / Orthodoxe Kirche verlangt die »Rückgabe« aller Kirchen und sogar der Ordensschlösser

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-10 vom 29. Mai 2010

Weitreichende Ansprüche
Orthodoxe Kirche verlangt die »Rückgabe« aller Kirchen und sogar der Ordensschlösser

Im vergangenen Jahr hat die Ankündigung, dass die Russisch-Orthodoxe Kirche Eigentumsansprüche auf alle religiösen Einrichtungen im Königsberger Gebiet erhebt, für einige Aufregung gesorgt, ging es doch vor allem um die ostpreußischen Kirchen. Nun hat die Übergabe geistlicher Einrichtungen an die Orthodoxe Kirche begonnen.

Die Königsberger Diözese der Russisch-Orthodoxen Kirche hatte gefordert, ihr die Rechte am Königsberger Dom auf dem Kneiphof zu übertragen, an der Königin-Luise-Kirche (heute ein Puppentheater), an der Kirche zur Heiligen Familie (heute als Philharmonie genutzt), außerdem an dem Kulturgebäude der Waggonfabrik und dem Gebäude des Symphonieorchesters an der Stallupöner Straße (Bakinskaja), obwohl die beiden Letztgenannten nie Zentren geistlichen Lebens waren. Vielleicht gelang es der Orchesterleitung deshalb, wenn auch mit Mühe, die Übernahme abzuwehren. Viele Monate war gar nichts mehr über die Angelegenheit zu hören. Doch vor kurzem hat nun die Eigentumsübertragung begonnen.

An der Von-Brandt-Allee 12 (Stanotschnaja) befindet sich die 1936/37 erbaute Christuskirche, die gegen Ende des Krieges schwer beschädigt wurde. Das Gebäude wurde später notdürftig repariert und das Kulturhaus der Waggonfabrik dort untergebracht. 1978 wurden in ihm die erste Dis­kothek des Gebiets und der Klub „Wagonka“ eingerichtet. Der Ort wurde in der Stadt sehr bekannt und ist bis heute populär.

Vor kurzem entschied der Kreisrat, bestehend aus Königsberger Abgeordneten für Haushalt und Finanzen, Steuern und Wirtschaftspolitik, das Gebäude der Königsberger Diözese der Russisch-Orthodoxen Kirche zur kostenlosen Nutzung zu übertragen. Im Kreisrat ist man der Ansicht, dass die rechtlichen Voraussetzungen für diese Entscheidung erfüllt seien, auch wenn das eigentliche Motiv für die Forderung der Orthodoxen Kirche darin besteht, den Einfluss anderer Konfessionen zu minimieren. Dafür erscheint es ihr wichtig, die Kontrolle über alle geistlichen Einrichtungen zu übernehmen, auf die möglicherweise auch andere Gemeinden ein Auge haben könnten.

Die Klubleitung war mit der Übernahme des Gebäudes durch die Kirche einverstanden, weil sie damit rechnet, ihre Arbeit ungestört fortsetzen zu können, wobei die Kirche sogar zum Erhalt des Gebäudes beitragen würde. Vertreter der Kirchendiözese versicherten, dass der Klub „Wagonka“ vorerst mietfrei bleiben dürfe, dies jedoch nur, solange keine größeren Reparaturen anfallen. Ab diesem Moment würde in dem Gebäude ein orthodoxes Gotteshaus eingerichtet.

Zurzeit werden in vielen Regionen Russlands zahlreiche Immobilien, die vor der Machtergreifung der Bolschewiki der Kirche gehörten, zurückgegeben. In den meisten Fällen ist dies auch korrekt und historisch folgerichtig. Doch das Königsberger Gebiet hat eine völlig andere Geschichte. Bis zum Zweiten Weltkrieg und auch in der Zeit danach besaß die Russisch-Orthodoxe Kirche auf dem Territorium der Königsberger Exklave praktisch überhaupt kein Eigentum, sodass auch von einem rechtmäßigen Anspruch hier keine Rede sein kann. Außerdem erhebt die Orthodoxe Kirche auch noch Anspruch auf die erhaltenen Reste der Ordensschlösser. Sie begründet das damit, dass jedes dieser Gebäude auch eine Kirche oder Kapelle hatte, weil dies im Mittelalter so üblich gewesen sei. Jurij Tschernyschew


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