29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.06.10 / Die verunsicherte Republik / Die große Frage nach Köhlers Rücktritt: Wer gibt jetzt Orientierung?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-10 vom 05. Juni 2010

Die verunsicherte Republik
Die große Frage nach Köhlers Rücktritt: Wer gibt jetzt Orientierung?

Der abrupte Rücktritt Horst Köhlers vom Amt des Bundespräsidenten hat ein verunsichertes Land zusätzlich verschreckt. Welche Persönlichkeit kann den Deutschen jetzt Orientierung geben?

Eigentlich sind die Zeiten vorbei, in denen ein einzelner Zeitungsartikel Politik machen kann: Zu mannigfaltig ist die Medienlandschaft geworden, zu schwach das einzelne Blatt. Doch der Artikel des „Spiegel“ mit der Überschrift „Horst Lübke“, den Köhler am Sonntagvormittag zu lesen bekam, hat bei dem sensiblen Staatsoberhaupt zu einer radikalen Reaktion geführt: Nach einem letzten Überschlafen folgte am Montag der Rücktritt mit sofortiger Wirkung.

Die zunächst geschockte politische Klasse, zu der Köhler nie ganz gehören wollte, hat rasch ihre Sprache wiedergefunden. Das Echo auf den so lange überaus beliebten und trotz gelegentlicher Irritationen auch im Kreise der Parteipolitiker respektierten Präsidenten fiel jedoch in der Summe sehr kritisch aus: Die politische Linke und ihre Medien, die Köhler nie mochten und seine Wiederwahl zu verhindern suchten, kritisierten den Schritt mit ätzenden Worten. Auch konservative Stimmen sprachen von einem Rücktritt im Affekt oder einer Beschädigung des Amtes – aber eben nicht durch die an Köhler im Vorfeld geübte Kritik, sondern durch den Rücktritt selbst.

Wenig beachtet wird, dass Köhler zuletzt nicht nur für ein misslungenes Interview gescholten wurde. Der erwähnte „Spiegel“-Artikel war voller Indiskretionen aus Köhlers eigenem Haus, dem Bundespräsidialamt. Es ist darum naheliegend, dass weniger die herablassende Kritik von SPD-Hinterbänklern und die für Köhler schwer zu ertragende Genugtuung der „Linken“ über sein unglückliches Interview den Ausschlag gaben als die Sorge über einen Autoritätsverlust im eigenen Haus.

Abschließend werden diese Fragen erst viel später zu beantworten sein, ebenso das Rätsel seines monatelangen Schweigens seit Herbst 2009, wo doch genug Themen ein Wort des Staatsoberhauptes nahegelegt, ja schon fast erfordert hätten: Von der maßlos aufge- bauschten Missbrauchsaffäre über die Katastrophen bei Demographie und Staatsfinanzen bis zur Mutlosigkeit einer neugewählten Bundesregierung, der der Präsident mit keinem Wort der Ermutigung half. Köhler schien geradezu in Depression versunken zu sein und war es womöglich auch, denn er ist der Vater des Euro-Stabilitätspakets und musste zuletzt ohnmächtig den Untergang dieses Teils seines Lebenswerkes mit ansehen.

In der Nachfolgedebatte werden überwiegend Persönlichkeiten genannt, die den C-Parteien angehören, denn in der Bundes- versammlung verfügt Schwarz-Gelb über 52 Prozent, und die FDP ist zu schwach, um Ansprüche erheben zu können. LO-Sprecher Wilhelm v. Gottberg brachte den früheren bayerischen Ministerpräsidenten und langjährigen EKD-Synodalen Günther Beckstein ins Gespräch. K. Badenheuer


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren