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05.06.10 / Christlicher Sender abgeschaltet / Berlins »Radio Paradiso« verliert Frequenz – Grütters (CDU): »Senat kirchenfeindlich«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-10 vom 05. Juni 2010

Christlicher Sender abgeschaltet
Berlins »Radio Paradiso« verliert Frequenz – Grütters (CDU): »Senat kirchenfeindlich«

Für „Radio Paradiso“ soll zum 1. Dezember Schluss sein. Angeblich hat der Christen-Rundfunk zu wenig Wortbeiträge ausgestrahlt. Kritiker sehen darin aber nur einen Vorwand.

Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) ist zuständig für die Vergabe von Radiosendefrequenzen. In den vergangenen Tagen hat sie zwei Frequenzen neu vergeben, und der Medienrat wird dies aller Voraussicht nach am 22. Juni bestätigen. Die Frequenz 88,4 müssen sich sieben verschiedene Radiomacher teilen. Auffällig: Das Internetradio Multicult 2.0 erhält insgesamt fünf Sendestunden täglich – zu bevorzugter Sendezeit.

Der Vorgänger Radio Multi Kulti vom RBB war aus Kostengründen eingestellt worden. Die Chefin von Multicult 2.0, Brigitta Gabrin, kritisiert die Entscheidung heute noch: „Radio Multikulti hatte eine erfolgreiche Geschichte hinter sich, das war nicht unbedingt in Hörerzahlen messbar, aber in Auszeichnungen und internationaler Anerkennung.“ Ein Sender also, den zwar kaum jemand hörte und der stattdessen wohlmeinende Auszeichnungen erhielt.

Die übrigen Bewerber mussten sich mit weniger attraktiven Sendeplätzen zufrieden geben, aber alle sieben Bewerber haben etwas abbekommen. So gibt es künftig eine Stunde „Kiez Infothek“ oder den Ohrfunk, ein Medienprojekt von und für Blinde und Sehbehinderte.

Internationale Aufmerksamkeit erregte die andere Entscheidung der MABB. Nach 14-jährigem Sendebetrieb soll zum 30. November der kirchliche Sender Radio Paradiso auf der Frequenz 98,2 seinen Betrieb einstellen. Stattdessen soll ein Sender namens „Oldiestar“ seine Frequenz übernehmen. Die Entscheidung fiel einstimmig. Radio Paradiso wird von der Baptisten-Gemeinde in Berlin-Schöneberg, dem kirchlichen Immanuel-Krankenhaus und der Evangelischen Darlehensgenossenschaft getragen. Trotz dieser protestantischen Ausrichtung befasste sich Radio Vatikan ausführlich mit der Angelegenheit.

Kirchliche Vertreter und Politiker haben die Entscheidung kritisiert. Landesbischof Markus Dröge hält sie für „völlig unverständlich“. Von einem „großen Verlust“ für die Medienvielfalt spricht die CDU-Bundestagsabgeordnete Monika Grütters. Sie mutmaßt, dies sei eine von vielen „kirchenfeindlichen Entscheidungen“ im rot-rot regierten Berlin. Selbst der Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) kritisierte die Entscheidung. Die Diakonie Berlin sieht in der Frequenzvergabe an Oldiestar einen Affront gegen die Programm- und Meinungsvielfalt und gegen die Menschen, die einen christlichen Sender hören wollen.

Als Grund für die Entscheidung führt die MABB eine stetige Reduzierung des täglichen Wortanteils im Programm an. Dieser sei seit 2006 von gut drei Stunden (183,8 Minuten) auf 72 Minuten zurückgegangen. Tagsüber zeige sich das christliche Profil nur noch in den „Gedanken zum Auftanken“. Indes: Radio Paradiso ist in Praxen und Taxen ein oft eingestellter Hintergrundsender und kann rund 30 000 Hörer vorweisen. In der Kritik der MABB heißt es dazu, „Paradiso spielt hauptsächlich Musik, die niemandem wehtut“.

Paradiso-Geschäftsführer Matthias Gülzow gibt sich überrascht: „Es gab nie eine Abmahnung, nie eine grundsätzliche Kritik an unserem Programm, während andere Veranstalter reihenweise Abmahnungen erhalten.“ Zudem habe der christliche Wortanteil zuletzt wieder höher gelegen. Bischof Dröge assistiert: „Radio Paradiso hat gezeigt, dass auch im privaten Rundfunk ein Programm möglich ist, ohne dass dabei Anrufer veralbert, zu Glücks­spielen animiert oder mit teuren kostenpflichtigen Telefonnummern verführt werden sollen.“ Gülzow will die Entscheidung der MABB aber nicht ohne Weiteres hinnehmen: „Wir warten jetzt den Bescheid ab und werden dann Rechtsmittel einlegen.“ Auch die für Kultur zuständige Bundestagsabgeordnete Grütters gibt sich kämpferisch: „Dies reiht sich nahtlos in eine Vielzahl kirchenfeindlicher Entscheidungen der Regierungsparteien SPD und Linke ein.“ Rene Stadtkewitz, der als parteiloser Abgeordneter für die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus sitzt, kritisierte: „Ich habe bis 1989 die Gleichschaltung der Medien in der DDR erlebt und will so etwas nie wieder haben. Obwohl ich kirchlich nicht gebunden bin, habe ich den Sender immer gern gehört.“ Insgesamt 64 Mitarbeiter, darunter 21 Festangestellte, würden möglicherweise arbeitslos werden, wenn die Entscheidung der MABB Bestand hätte.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) mag sich nicht für den Erhalt des Senders einsetzen. Eine förmliche Stellungnahme des Senats dazu lehnt er ab. Er verweist auf die Unabhängigkeit der Medienanstalt. Sie falle nicht in die Zuständigkeit von Parlament und Senat. Dass sein Parteigenosse, Kulturstaatssekretär Andre Schmitz, für den Sender sei, ficht Wowereit nicht an: „Vielleicht wird auch der Nachfolgesender seinen Musikgeschmack treffen“, so der Regierende. Die leichte Häme nährt den Verdacht, ihm käme die Entscheidung nicht ungelegen. Theo Maass


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