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05.06.10 / Von der Bewunderung zum Konflikt / Neuerscheinung zu den preußisch-französischen Beziehungen seit dem Edikt von Nantes

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-10 vom 05. Juni 2010

Von der Bewunderung zum Konflikt
Neuerscheinung zu den preußisch-französischen Beziehungen seit dem Edikt von Nantes

Nachdem es im 17. und 18. Jahrhundert zahlreiche Berührungspunkte in Politik, Kultur und Wissenschaft zwischen den beiden Ländern gegeben hatte, kam es erst mit dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 und den beiden Weltkriegen zum verheerenden Bruch.

In seinem Buch „Frankreich und Preußen“ (be.bra wissenschaft Verlag, Berlin 2009, 22 Euro) erzählt der Franzose Philippe Meyer, der von Hause aus Mediziner ist, parallel die Geschichte der beiden europäischen Nachbarn und arbeitet ihre gegenseitige Einflussnahme heraus.

Alles nahm seinen Lauf, als Ludwig XIV. 1685 das Edikt von Nantes widerrief und damit nicht nur die Ausübung des reformierten Glaubens verbot, sondern auch die Pastoren des Landes verwies. Zirka 40000 Hugenotten flüchteten nach Deutschland. Die Hälfte von ihnen ließ sich in Brandenburg-Preußen nieder, wo Kurfürst Friedrich Wilhelm ihnen besondere Privilegien einräumte (Befreiung von Steuern und Zöllen, Subventionen für Wirtschaftsunternehmen, Bezahlung der Pfarrer durch das Fürstentum, eigene Amtssprache, Verwaltung und Gerichtsbarkeit). Die größte französische Kolonie entstand in der Hauptstadt Berlin.

Bei der einfachen Bevölkerung stießen die Franzosen dort aufgrund ihrer andersartigen Erscheinung, Sprache und Religion auf Ablehnung. Ihr Zuzug verknappte Wohnraum wie Lebensmittel und ließ die Preise steigen. Zudem fürchteten viele Zünfte um ihre berufliche Existenz und verweigerten die Aufnahme der Fremden. Immer wieder gab es Brandstiftungen und Fenstereinwürfe, worauf die Franzosen mit Provokationen reagierten. Enge Nachbarschaftskontakte oder Heiraten zwischen Deutschen und Franzosen waren eine Seltenheit.

Dagegen standen der Fürstenhof, der Adel und die meisten Intellektuellen den Neubürgern wohlwollend gegenüber. Französisch war Weltsprache, die unter den europäischen Eliten um 1700 als Ausdruck von Bildung und Kultiviertheit galt. In ihr korrespondierte Friedrich der Große mit Voltaire und anderen Philosophen der Aufklärung. Hinzu kam die gemeinsame reformierte Konfession im Gegensatz zur evangelisch-lutherischen Bevölkerungsmehrheit. Eine Vielzahl von Hugenotten machten sich um eine geistige Blütezeit in Preußen verdient. Zeitweilig war jedes dritte Mitglieder der Preußischen Akademie der Wissenschaften ein französischer Einwanderer, darunter namhafte Theologen, Philosophen, Historiker, Mathematiker, Astronomen, Physiker, Chemiker, Architekten und Künstler. Berlin entwickelte sich zu einem Zentrum der Literatur, das weit über die Staatsgrenzen hinweg wirkte. Der berühmteste Schriftsteller mit hugenottischem Familienhintergrund ist Theodor Fontane. 

Ein weiteres Beispiel für das französisch-preußische Miteinander ist die Februarrevolution von 1848 in Frankreich. Arbeiter und Studenten waren mit dem kapitalistischen System unzufrieden und begehrten gegen die Monarchie auf. Sie riefen die Republik aus und forderten allgemeine und gleiche Wahlen. Obwohl der Aufstand später militärisch niedergeschlagen wurde, sprang der bürgerlich-liberale Revolutionsfunke auf viele europäische Staaten über, insbesondere im Deutschen Bund. In Berlin erreichte die Revolution im März ihren Höhepunkt. Arbeiter, Handwerker und Bürger lieferten sich Straßenschlachten mit dem Militär. Doch waren die demokratischen Errungenschaften wie die Pressefreiheit, die Einrichtung von Schwurgerichten und die Wahlen zu einer deutschen Nationalversammlung nicht von Dauer. Der König löste das preußische Parlament bald auf und stellte seine Macht wieder her.

Die deutsch-französische „Erbfeindschaft“ flammte erneut im Krieg von 1870/71 auf. Unter der Führung Preußens kämpften die deutschen Truppen Frankreich nieder. Die Kaiserproklamation im Spiegelsaal von Versailles und die Abtretung Elsass-Lothringens empfanden die meisten Franzosen als Schmach und sannen auf Vergeltung. Gelegenheit dazu erhielten sie im Ersten Weltkrieg. Der Versailler Friedensvertrag sollte den Nachbarn östlich des Rheins durch Gebietsabtretungen, Entmilitarisierung und Reparationen entscheidend schwächen. Die Deutschen fühlten sich nicht nur militärisch und politisch gedemütigt, sondern trauerten auch um die Abschaffung der preußischen Hohenzollernmonarchie im Zuge der Novemberrevolution von 1918. Die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen 1923 brachte die antifranzösische Stimmung im Land zum Kochen und belasteten die Aussöhnungsbemühungen schwer. Die Verständigung der beiden Streithähne ließ noch bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs auf sich warten. Da war das Ende des preußischen Staates längst besiegelt. Sophia E. Gerber


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