20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.06.10 / »Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-10 vom 05. Juni 2010

»Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr«

Der Name keiner anderen Person ist so sehr mit der Reichswehr verbunden wie der des Generaloberst Hans von Seeckt. Als Chef der Heeresleitung stand er fast die gesamte erste Hälfte ihrer Existenz an der Spitze des 100000-Mann-Heeres. Während Generalmajor Walther Reinhardt nur einige Monate (1919/20), Generalleutnant Wilhelm Heye vier Jahre (1926–30), General der Infanterie Kurt von Hammerstein-Equord drei Jahre (1930–33) und Generalleutnant Werner Freiherr von Fritsch gut ein Jahr (1934–35) als Chef der Heeresleitung an der Spitze des Reichsheeres standen, waren es bei Seeckt fast sieben Jahre.

Die Berufung in das Amt des Chefs der Heeresleitung vor 90 Jahren, am 5. Juni 1920, verdankte Seeckt dem sogenannten Kapp-Lüttwitz-Putsch vom März 1920. Bis dahin war der bewährte Stratege des Ersten Weltkrieges seit dem 1. Oktober 1919 der erste Chef des Truppenamtes des Reichsheeres gewesen. Dabei handelte es sich um eine Tarnbezeichnung für den Chef des Großen Generalstabes, denn den durften die Deutschen gemäß dem Versailler Vertrag nicht mehr haben. Sein Vorgesetzter war der erste Chef der Heeresleitung Walther Reinhardt. Im Gegensatz zu Seeckt bejahte sein württembergischer Rivale um die Leitung des Reichsheeres die Weimarer Republik. So hatte General Walther von Lüttwitz vor dem Ausbruch des nach ihm und dem Generallandschaftsdirektor in Königsberg Wolfgang Kapp benannten Putsches bei Reichspräsident Friedrich Ebert die Ablösung Reinhards verlangt. Der Putsch der beiden scheiterte zwar innerhalb von Wochenfrist, war aber doch zumindest insoweit erfolgreich, als er zum Rücktritt Reinhardts führte. Reinhards politischer Chef, der dem rechten Flügel der SPD zuzurechnende Reichswehrminister Gustav Noske, wurde von seinen Gegnern dafür verantwortlich gemacht, dass es zu diesem Putsch unter maßgeblicher Beteiligung von Reichswehrangehörigen hatte kommen können, und trat zurück. Aus Solidarität tat Reinhardt das gleiche – und ebnete damit Seeckt den Weg.

Aus Solidarität mit einem Minister der Weimarer Republik zurückzutreten wäre Seeckt wohl nie eingefallen. Die Loyalität des 1866 in Schleswig geborenen preußischen Offiziers galt dem Staat und dessen Streitkräften, nicht der Staatsform. Für die Selbstzerfleischung war ihm die Truppe zu schade. Berühmt ist sein Wort „Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr“, manchmal auch zitiert als „Truppe schießt nicht auf Truppe“, mit dem er sich 1920 gegen einen Einsatz von Soldaten gegen die Putschisten aussprach. Seeckts Ideal des überparteilichen Soldaten, der sich weder in den Parteienhader außerhalb der Kasernentore einmischt noch diesen in die Truppe trägt und damit die Kameradschaft schwächt, ist heutigen bundesdeutschen Politikern und Meinungsbildern ein Gräuel. Der sogenannte Staat im Staate sei das, was die Bundeswehr gerade nicht werden dürfe.

Die Politiker der Weimarer Republik waren genügsamer. Während Seeckt heute vorgeworfen wird, dass er die Republik nicht verteidigte, begnügten sie sich damit, dass er sie wenigstens nicht bekämpfte. M.R.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren