19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.06.10 / Trikolore oder Kreuz / 1950 entschied Theodor Heuss den Streit über die deutsche Flagge – Auch Kreuz und Schwarz-Weiß-Rot waren im Gespräch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-10 vom 05. Juni 2010

Trikolore oder Kreuz
1950 entschied Theodor Heuss den Streit über die deutsche Flagge – Auch Kreuz und Schwarz-Weiß-Rot waren im Gespräch

„Die Bundesflagge besteht aus drei gleich breiten Querstreifen, oben schwarz, in der Mitte rot, unten goldfarben. Verhältnis der Höhe zur Länge des Flaggentuches wie 3 zu 5.“ Diese Regelung der Bundesflagge vom 7. Juni 1950 ist heute noch gültig, war von der heutigen Kanzler(in)partei jedoch ursprünglich nicht gewollt.

Wenn es nach der Kapitulation der Wehrmacht in Deutschland eine Stunde null gab, dann bezüglich der Landesflagge. Die bisherige Hakenkreuzfahne wurde durch die Besatzungsmächte sofort strengstens verboten und eine neue gab es erst einmal nicht.

Für die Minihandelsflotte, die den Deutschen belassen wurde, wurde mit dem Kontrollratsgesetz 39 vom 12. November 1946 eine demütigende Regelung erlassen. Die Schiffe hatten die Signalflagge „C“ für „Capitulate surrender“ zu führen. Allerdings ähnelte diese Flagge der Nationalflagge von Costa Rica, das deshalb Protest einlegte. Die Folge war, dass zur besseren Unterscheidung der deutsche Nationalflaggenersatz als Doppelstander geführt wurde, sprich mit einem dreieckigen Ein-schnitt am fliegenden Ende. Dieser Doppelstander wurde nicht nur von deutschen Handelsschiffen geführt, sondern auch vom deutschen Minenräumdienst sowie den deutschen Zollbooten. Über die Gründung der Bundesrepublik hinaus musste die sogenannte Badehose in den Westzonen bis zum 23. Februar 1951 auf allen seegängigen deutschen Schiffen gesetzt werden. Erst mit dem Gesetz zur Aufhebung des Besatzungsrechts vom 23. Juli 1958 verlor der Doppelstander seine Bedeutung und Funktion.

Einen entscheidenden neuen Anstoß erhielt die Frage der deutschen Nationalsymbolik durch den Auftrag der Westalliierten, eine Verfassung auszuarbeiten. Eine Wiederholung des Weimarer Farbenstreits zwischen Schwarz-Rot-Gold, Schwarz-Weiß-Rot und Rot gab es diesmal nicht. Zu den Farben der Gegner der Weimarer Republik bekannte sich keine der erst auf dem Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee und dann im Parlamentarischen Rat in Bonn vertretenen Parteien.

Wenn über die Farben auch Konsens herrschte, so doch nicht über die Form. Die Deutsche Partei, vor allem aber die CDU/CSU, wandte sich gegen die Wiedereinführung des Weimarer Dreifarbs. Nicht nur, dass die Streifenflagge unpraktisch, da schlecht erkennbar sei, der alten Trikolore wohne auch keine werbende Kraft inne. Tatsächlich sprachen sich in einer Meinungsumfrage nur 25 Prozent für die Weimarer Flagge aus. Genauso viele plädierten für das Schwarz-Weiß-Rot der Kaiserzeit, während 35 Prozent keine Meinung hatten oder äußern wollten. Um ein Wiederaufleben des Weimarer Flaggenstreits zu verhindern, bedürfe es einer neuen Form. Statt der „revolutionären“ Trikolore schlugen CDU und CSU ein Kreuzmotiv vor. Mit ihrem Vorschlag wollten die C-Parteien statt an die Tradition der Weimarer Republik an jene der stärker christlich geprägten Männer des 20. Juli anknüpfen. Einer dieser Männer, das vormalige Zentrumsmitglied Josef Wirmer, hatte für den Fall eines Erfolgs des Hitlerattentates eine vorläufige Nationalflagge entworfen, die in Anlehnung an die skandinavischen Flaggen ein goldumrandetes schwarzes Kreuz auf roten Grund zeigen sollte. Josef Wirmer war nicht mehr in der Lage im Nachkriegsdeutschland seinen Vorschlag zu vertreten, da er 1944 hingerichtet worden ist, doch seinem Bruder Ernst gelang es, die CDU/CSU-Mitglieder des Parlamentarischen Rates für das Motiv des Kreuzes als Symbol des Abendlandes zu gewinnen. So schlugen sie – in leichter Abwandlung der Farbverteilung – als entsprechenden Passus für das Grundgesetz vor: „Die Flagge des Bundes zeigt auf rotem Grunde ein schwarzes liegendes Kreuz und auf dieses aufgelegt ein goldenes Kreuz.“

Die andere große Volkspartei, die SPD, war dagegen. Ihr Abgeordneter Ludwig Bergsträsser erklärte: „Wir wollen, dass die Bundesrepublik Deutschland die Flagge führt, die in Weimar gesetzlich festgelegt wurde … Wir wollen, dass diese Flagge so und in derselben Form die Flagge des deutschen Bundes werde, so, wie sie ist, in keiner anderen. Eine Flagge ist ein Symbol, und als Symbol soll sie zweierlei Elemente erhalten: eines der Tradition und eines, ich möchte sagen, der inneren Willenserklärung; und diesen beiden Anforderungen entspricht sie … Die Tradition von Schwarz-Rot-Gold ist Einheit und Freiheit; oder ich sage vielleicht besser: Einheit in der Freiheit. Diese Flagge soll uns als Symbol dafür gelten, dass die Freiheitsidee, die Idee der persönlichen Freiheit eine der Grundlagen unseres zukünftigen Staates sein soll.“ Das einzige, was sich die Sozialdemokraten höchstens noch vorstellen konnten, war eine vertikale Streifung analog der französischen Trikolore.

Ihren entschiedensten Gegner hatte der Unionsvorschlag allerdings nicht in der SPD, sondern in dem späteren ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss. Mit schon schneidender Schärfe kritisierte er, dass die Versuche, aus dem gegebenen Farbvorrat etwas Neues zu schaffen, zu sehr ins Kunstgewerbliche geraten seien. Die vorgeschlagene Kreuzflagge bezeichnete er als eine geometrisch-grafische Lösung. Während die schwarz-rot-goldene Trikolore eine gewisse Geschichte habe, wirke der Versuch einer Neukonstruktion wie eine Verlegenheitslösung. Im Übrigen, so Heuss weiter, hätten die Abgeordneten nicht die Geschichtsmächtigkeit, ein Symbol zu schaffen, Symbole entständen aus geschichtlichen Vorgängen, nicht aus Abstimmungen. Wer denkt bei dieser Relativierung der Bedeutung von Abgeordneten und Abstimmungen nicht an Otto von Bismarcks viel gescholtenes Wort „Nicht durch Reden oder Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden …“?

Heuss schloss sein Plädoyer mit den Worten: „Lassen wir uns in der ganzen Angelegenheit davon leiten, dass wir etwas, das einmal eine Tradition werden wollte, zur Tradition werden lassen.“ Angesichts dieses Einsatzes für aus geschichtlichen Vorgängen entstandene Hoheitszeichen und gegen Neukonstruktionen und Verlegenheitslösungen, mutet es allerdings ziemlich grotesk an, dass derselbe Mann an Stelle des „Liedes der Deutschen“ eine von ihm in Auftrag gegebene „Hymne an Deutschland“ als Nationalhymne durchsetzen wollte.

So sind die Ursachen für Heuss’ Eintreten für die Farben der 48er Revolution wohl auch weniger im Respekt vor historisch Gewachsenem zu sehen als in seiner politischen und auch geographischen Herkunft. Heuss war eben ein typischer südwestdeutscher Liberaler. Und in diesem Personenkreis hatte Schwarz-Rot-Gold traditionell seine größten Anhänger. Für ihn stand Schwarz-Rot-Gold für das großdeutsche, föderalistische, freiheitliche Deutschland, das zu erreichen 1848 gescheitert ist.

Anders als in der Frage der Nationalhymne stand Heuss in jener der Nationalflagge auf der Seite der Sieger. Mit 49 gegen eine Stimme entschied sich der Parlamentarische Rat für Carlo Schmids Flaggendefinition im Grundgesetz: „Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.“ Näheres regelte dann die Anordnung des Bundespräsidenten Theodor Heuss über die deutschen Flaggen vom 7. Juni 1950, deren Regelung 1996 um die folgende Möglichkeit ergänzt wurde: „Die Bundesflagge kann auch in Form eines Banners geführt werden. Das Banner besteht aus drei gleich breiten Längsstreifen, links schwarz, in der Mitte rot, rechts goldfarben.“ Manuel Ruoff


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren