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05.06.10 / Faszination »Weißes Gold« / Meißner Porzellan regte Nachahmer zu eigener Produktion an – Auch in Preußen war man erfolgreich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-10 vom 05. Juni 2010

Faszination »Weißes Gold«
Meißner Porzellan regte Nachahmer zu eigener Produktion an – Auch in Preußen war man erfolgreich

Anlässlich des 300-jährigen Bestehens der Porzellanmanufaktur Meißen zeigen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zwei Sonderausstellungen zur Geschichte des „Weißen Goldes“.

Im Japanischen Palais in Dresden ist die Präsentation „Triumph der Blauen Schwerter Meißner Porzellan für Adel und Bürgertum 1710–1815“ zu sehen; im Berliner Ephraim-Palais entstand in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Berlin die Schau „Zauber der Zerbrechlichkeit Meisterwerke europäischer Porzellankunst“.

Von der hauchdünnen, mit Blumen bemalten Schokoladentasse über prunkvoll dekoriertes Tafelservice bis hin zur vollplastisch ausgeformten Löwenskulptur eröffnet sich dem Auge des Betrachters die zauberhafte Welt der Porzellankunst. Für einen Sommer hat sich das Dresdner Japanische Palais nun zu einem Porzellanschloss verwandelt, ganz im Sinne Augusts des Starken, der zu Lebzeiten an diesem Ort gern seine Kostbarkeiten präsentiert hätte. Dabei werden die ersten 100 Jahre der Meißener Manufaktur mitsamt ihren Stilentwicklungen – vom Barock bis hin zum Biedermeier – in den Mittelpunkt gestellt. Die 1710 unter August dem Starken gegründete Manufaktur löste sich allmählich von den so prägenden chinesischen und japanischen Vorbildern und fand ihre eigenen Ausdrucksformen, was für die Entwicklung der deutschen und europäischen Tafelkultur von großer Bedeutung war. Denn das weiße Gold löste die bis dahin obligatorischen vergoldeten Silberservice auf den Tafeln der Fürstenhäuser ab.

Der Phantasie und Kunstfertigkeit waren keine Grenzen gesetzt: Suppenterrinen, Schüsseln, Tassen und Teller wurden mit schönsten Bemalungen und gar vollplastischen Figuren verziert – Gebrauchsgegenstände wurden zu einer Augenweide. Den Höhepunkt in der Entwick-lung barocker Tafelgeschirre aus Porzellan markiert das 1736 vom Grafen Brühl in Auftrag gegebene und mehr als 3000 Einzelstücke umfassende Schwanenservice, welches der Flora und Fauna des Wassers und seinen mythologischen Gestalten gewidmet ist. So dienten die Mahlzeiten nicht allein der Sättigung, sondern waren ein Augenschmaus, der zudem noch die Konversation bei Tisch inspirierte und beflügelte. Je raffinierter die Porzellane mit plastischen Oberflächen und perspektivischer Malerei dekoriert waren, umso komplexer und facettenreicher konnten sich Gespräche entwickeln.

Gerade Friedrich der Große, wie August der Starke ein wahrer Porzellanliebhaber, schätzte diese Art der Konversation. So  bestellte er in den 1760er Jahren mehrere Tafelservice in Meißen. Darunter befindet sich auch das Tafelservice mit preußisch-musikalischem Dessin und grünem Schuppenrand, welches an einer langen Tafel eindrucksvoll präsentiert wird. Da es zu jener Zeit zu den Statussymbolen eines Herrschers gehörte, das „weiße Gold“ auch im eigenen Land produzieren zu können, kam es – trotz strenger Geheimhaltung der sächsischen Porzellanrezeptur – europaweit zu Manufakturgründungen.

Die Berliner Ausstellung „Zauber der Zerbrechlichkeit“ beleuchtet das facettenreiche Phänomen des europäischen Porzellans und würdigt dabei auch die Rolle der Porzellan-Manufaktur Meißen als „Mutter aller Porzellane“. Zu den wichtigsten Vertretern der europäischen Porzellanzentren zählen neben anderen Wien, Venedig, Sèvres, Berlin und St. Petersburg. Der Besucher kann zum einen die direkten Einflüsse Meißens auf die einzelnen Manufakturen nachvollziehen, zum anderen aber auch deren charakteristische Ausprägungen erkennen. So erschließt sich dem Auge der gesamte Kosmos europäischen Porzellans: von den höfisch-eleganten französischen über die englischen Porzellane bis hin zu den italienischen Porzellanen mit ihren kräftigen Farben und Formen.

„Eingebettet in einen internationalen Kontext gelangen dabei auch gesammelte Meisterwerke der berühmtesten Berliner Manufaktur, der KPM, zu besonderer Strahlkraft“, so die Generaldirektorin des Stadtmuseums Berlin, Franziska Nentwig.

Die seit 1763 bestehende Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) betrachtete Friedrich der Große als wichtiges Wirtschaftsunternehmen. In den folgenden Jahren bestellte er zur Innenausstattung seiner Schlösser 21 Service, die in Form und Dekor auf das jeweilige Ambiente abgestimmt waren. Aber der König war nicht nur ein wichtiger Einzelkunde seines Unternehmens, sondern sorgte auch durch eigens angefertigte Gastgeschenke für die Verbreitung des KPM-Porzellans an die europäischen Höfe.

Die kostbaren Objekte der Präsentation laden zum Staunen, Träumen und Bewundern ein. Die Berliner Architekten Kuehn und Malvezzi nutzten eine farbenprächtige Inszenierung aus Stoffen und Lichtinstallationen, um den Zauber und die ästhetische Qualität der Objekte erlebbar zu machen. Der Faszination des Porzellans vermag man sich kaum zu entziehen, mehr noch – man kann auf einmal verstehen, dass sie bei August dem Starken zur selbst diagnostizierten „maladie de porcelaine“ führte. CvK

Die Ausstellung im Ephraim-Palais ist bis zum 29. August dienstags sowie donnerstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs von 12 bis 20 Uhr zu sehen. Eintritt: 6/3 Euro.

Die Ausstellung im Japanischen Palais ist ebenfalls bis zum 29. August täglich von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr zu sehen. Eintritt: 6/3 Euro.


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