20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.06.10 / Mit Infos zugemüllt / Bürger werden desinformiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-10 vom 05. Juni 2010

Mit Infos zugemüllt
Bürger werden desinformiert

Oftmals möchte man gar nicht wahrhaben, wie wenig man von den Gegebenheiten versteht, mit denen wir es im Alltag zu tun haben, fühlt sich der Einzelne doch bereits überfordert oder übervorteilt, wenn er beispielsweise mit dem Spektrum der Bahntarife konfrontiert wird. Tatsächlich wird der Bürger tagtäglich, und zwar mit Bedacht, von den Großkonzernen mit nutzlosen und irreführenden Informationen zugeschüttet und damit zum steuerbaren Objekt umgeformt. Das ganze hat System, so diagnostiziert nicht nur der Finanzfachmann Max Otte. Doch der in Princeton promovierte Professor geht weiter, indem er Ross und Reiter nennt: Verbände, Politiker und sogenannte Experten verschleierten ihre Bankprodukte, Rating-Analysen und Tarife, um ihre singulären Interessen, nämlich bestimmte Gewinnmargen, zu verbergen.

Otte ist kein Verschwörungstheoretiker, doch als unabhängiger Fondsmanager und Leiter des von ihm selbst gegründeten Instituts für Vermögensentwicklung (FVE) in Köln ist er „maulkorbfrei“. Bereits 2006 hatte er vor dem absehbaren Finanzcrash gewarnt und niemand hatte reagiert. Nicht zuletzt deshalb sollten Politik und Wirtschaft endlich nicht nur aufhorchen, sondern auch umsteuern, da Otte in seinem neuen Buch „Der Informationscrash – Wie wir systematisch für dumm verkauft werden“ nun auch noch den Kollaps der Sozialen Marktwirtschaft und damit unserer Gesellschaft prognostiziert. Die Pleite-Bank Lehman sei keine Ausnahme, behauptet er, sondern das Beispiel zeige, wie das gesamte System noch immer funktioniere. Denn die Voraussetzungen sind immer noch dieselben wie vor dem 2008 gerade noch verhinderten Desaster. Da wären das Kartell der Wirtschaftsbosse mit ihrer gezielten Desinformation der Öffentlichkeit, die Ahnungs- und Machtlosigkeit der Politik sowie die Schwächung der Medien und ihrer wichtigsten Kräfte, der Journalisten. „Wes Brot ich ess …“ lautet denn auch eine Kapitelüberschrift.

Auf den letzten Punkt in aller Deutlichkeit hinzuweisen ist ein besonderes Verdienst dieses Autors: Er belegt die Aushöhlung des unabhängigen Journalismus. Als Hauptgrund nennt er den massiven Kostendruck. Die Redaktionen seien personell ausgedünnt und selbst die öffentlichen Anstalten mehr und mehr auf Werbeeuros angewiesen. „Die Medien – ursprünglich neben den Machtinstanzen Legislative, Exekutive und Judikative als kritische (!) ‚vierte Gewalt‘ betrachtet – sind … zum reinen Multiplikator der Desinformation mutiert.“ Otte resümiert: „Unsere Gesellschaft befindet sich insgesamt auf dem unglücklichen Pfad der totalen Verdummung.“ Gleichzeitig gäbe es wieder wie im Mittelalter eine Lehnsabhängigkeit: „Der moderne Kapitalismus gleicht … der feudalen Lehnswirtschaft: Große Lehnsherren, Konzerne und einzelne Großinvestoren vergeben ihre ‚Lehen‘ – also Rechte, Produkte, Lizenzen oder Gebiete – an treue Gefolgsleute zur Ausbeutung … Sogar der Staat selbst wird für die modernen Lehnsherren zur ‚Beute‘.“ Wir brauchen wieder einen starken Staat, ruft er daher. Denn die heutigen Politiker trauten sich nicht, die Verantwortlichen des gescheiterten Finanzsystems zur Verantwortung zu ziehen. Umgehend müsse eine Wertedebatte geführt werden, bei der das Gemeinwohl im Mittelpunkt steht. Dafür solle der Rechtsstaat mit einem unabhängigen Beamtentum einstehen. Nachhaltigkeit gäbe es nur in kleinen Unternehmen wie Familienunternehmen. Dagmar Jestrzemski

Max Otte: „Der Informationscrash – Wie wir systematisch für dumm verkauft werden“, Econ Verlag,  Berlin 2009, gebunden, 315 Seiten, 19,90 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren