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12.06.10 / Populistisches Bauernopfer / Wenig gespart, viel verloren: Bundesregierung verschiebt Wiederaufbau des Berliner Schlosses

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-10 vom 12. Juni 2010

Populistisches Bauernopfer
Wenig gespart, viel verloren: Bundesregierung verschiebt Wiederaufbau des Berliner Schlosses

Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses hat einen schweren Rück­schlag erlitten. Der Baubeginn wurde am Montag von der Bundesregierung um drei Jahre auf 2014 verschoben.  Ärgerlich für die deutsche Hauptstadt – aber aufgeschoben heißt nicht aufgehoben.

Wilhelm von Boddien ist nicht aus der Ruhe zu bringen. „Der Bundestag muss der Entscheidung der Regierung folgen, denn der Wiederaufbau war bereits beschlossen worden und hat Gesetzeskraft.“

Es spricht einiges dafür, dass Boddien am Ende Recht behält und das Schloss doch noch gebaut wird – auch wenn zahlreiche Gegner jetzt die Totenglocken läuten. Es war ja nicht das erste Mal, dass Gegner zum Angriff auf das Schloss-Projekt geblasen haben. Schon unzählige Male wurde das Vorhaben für tot erklärt. So zum Beispiel bei der Vorstellung der Architektenvorschläge 2008, zuletzt während der Koalitionsverhandlungen nach der letzten Bundestagswahl 2009.

Damals machte Angela Merkel den Schloss-Gegnern mit einem klaren Bekenntnis einen Strich durch die Rechnung. Das Schloss wurde als größtes Bauprojekt der Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Die Euro-Krise hat diesen ehrgeizigen Plan nun zurückgeworfen.

Dem allgemeinen Sparzwang könne auch das Schloss zum Opfer fallen – das war Tage vor der Sparklausur bereits durchgesickert. Sogleich meldeten sich bekannte Schlossgegner aus Berlin zu Wort: Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne) und Thomas Flierl (Linke) forderten, das Projekt auf Eis zu legen. Flierl hatte widerwillig in seiner Amtszeit als Kultursenator (2002–2006) den Abriss des Palastes der Republik verantworten müssen.

Nicht bei allen Wiederaufbau-Gegnern ist die Motivlage so leicht zu erkennen wie bei Links-Politikern. Die meisten Schlossgegner führen finanzielle Gründe an, aber diese Argumente sind nicht stichhaltig. Deutschland spart nur wenig, wenn es auf das Schloss verzichtet, verliert aber um so mehr:

In der Planungsphase, in der sich das Projekt jetzt noch befindet, wären nur 14 Millionen Euro in diesem Jahr und 25 Millionen im nächsten Jahr angefallen. Erst ab 2012 wären dreistellige Millionenbeträge fällig.

Das Schloss soll zudem die „Außereuropäischen Sammlungen“ der Freien Universität in Dahlem beherbergen. Eine großartige Kollektion, die zu Unrecht ein Mauerblümchen-Dasein in verrotteten Gebäuden aus den 20er, 60er und 70er Jahren fristet. Deren Sanierung würde 300 Millionen Euro kosten, schätzt Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz. Das Geld für diese Sanierungsarbeiten wird der Bund anstelle der Baukosten für das Schloss übernehmen müssen.

Außerdem: Da auch der Förderverein und das Land Berlin einen Teil übernehmen wollten (80 und 32 Millionen Euro) fällt der Sparbetrag für den Bund abermals geringer aus, falls er das 552-Millionen-Projekt kippen sollte.

Zuguterletzt kann die Wiese mitten in Berlin nicht leer bleiben. So oder so wird der Staat ein repräsentatives Gebäude errichten – und das wird dann Geld kosten. Die jetzige Wartepause ändert daran nichts.

Klaus Wowereit (SPD) sprach deswegen von einer Kurzschlussreaktion der Bundesregierung und von einem „kulturpolitischen Armutszeugnis“. Auch sein Parteifreund Wolfgang Thierse warnte davor, das „größte und spannendste Kulturprojekt der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ zu opfern.

Warum also hat die Bundesregierung das Projekt trotzdem auf die lange Bank geschoben? Wahrscheinlich war das Schloss angesichts des restlichen Streichkonzerts eine Art populistisches Bauernopfer. Eine Konzession an Linke und Gewerkschaften, die dem Wiederaufbau eines Schlosses ablehnend gegenüberstehen.

Wie ausgeprägt das Anti-Schloss-Ressentiment in weiten Teilen der veröffentlichten Meinung ist, wurde überdeutlich am Donnerstagmorgen der vergangenen Woche: Im ZDF-Frühstücksfernsehen sprach Moderatorin Patricia Schäfer mit Andreas Borchers vom Hamburger Magazin „Stern“. Die beiden witzelten über die kommende Sparrunde.

Borchers: „Auch Peter Ramsauer wird sparen müssen“.

Schäfer: „Also kein Berliner Stadtschloss?“

Borchers: „Das ist auch kein Verlust.“

Schäfer: „Das ist jetzt die Hamburger Sicht.“

Borchers: „Ach, das ist auch die Berliner Sicht. Muss ja nicht jeder Berliner für das Stadtschloss sein.“

Der Hamburger Journalist hat recht. Auch in Berlin ist der Widerstand gegen dieses als „sinnloses Prestigeprojekt“ verunglimpfte Vorhaben groß. Er speist sich aus Unzufriedenen, Ex-SED-Anhängern, die dem Palast der Republik nachtrauern, und gelangweilten Wat-geht-mich-dit-an?-Typen.

Kurz vor der Sparklausur will eine Forsa-Umfrage im Auftrag der „Berliner Zeitung“ sogar herausgefunden haben, dass satte 80 Prozent der Berliner gegen das Schloss sind. Lediglich 18 Prozent befürworteten den Wiederaufbau. Von Schlossgegnern – wie dem „Stern“ – wurde diese Nachricht genüsslich verbreitet. Richtig glaubwürdig ist sie indes nicht. Frühere Umfragen kamen zu ganz anderen Ergebnissen. Eine Infratest-Dimap-Umfrage hat im Dezember 2008 ermittelt, dass 14 Prozent sogar „sicher“ für den Bau spenden wollen (weitere 22 sagten „vielleicht“). 60 Prozent waren damals pro Schloss. Und nur noch fünf Prozent trauerten dem Palast der Republik nach.     Markus Schleusener


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