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12.06.10 / Bankmanager auf der Anklagebank / Ex-IKB-Chef Stefan Ortseifen drohen strafrechtliche Konsequenzen – Kommt es zu weiteren Prozessen?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-10 vom 12. Juni 2010

Bankmanager auf der Anklagebank
Ex-IKB-Chef Stefan Ortseifen drohen strafrechtliche Konsequenzen – Kommt es zu weiteren Prozessen?

Der ehemalige Chef der Beinahe-Pleitebank IKB, Stefan Ortseifen, sitzt in Düsseldorf auf der Anklagebank. Als Zeuge sagte letzte Woche Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen (SPD) aus. Die Öffentlichkeit verfolgt mit Spannung den Prozess gegen den Bankmanager, der diese und wohl auch den eigenen Aufsichtsrat täuschte.

Nach Darstellung von Asmus-sen ließ der IKB-Vorstand den Aufsichtsrat über die Höhe der Hypothekenrisiken im Unklaren, die die Bank in den USA über sogenannte Zweckgesellschaften außerhalb der Bilanz eingegangen war. Auf einer Aufsichtsratssitzung Ende Juni 2007 habe er im Wechselspiel mit dem Unternehmer Roland Oetker mehrfach gezielt nach möglichen Risiken aus Investments in US-Immobilien gefragt.

Zwar sei den Kontrolleuren klar gewesen, dass die Bank in diesen Zweckgesellschaften US-Papiere im Wert von 12,7 Milliarden Euro geparkt habe. „Es war dem Aufsichtsrat aber nicht bekannt, dass sich dahinter ein Klumpenrisiko verbarg“, erklärte Asmussen. Damit werden im Bankenwesen „parallel gerichtete“ Ausfallsrisiken bezeichnet, die einander deswegen nicht kompensieren, sondern gleichzeitig eintreten können, dementsprechend gefährlich sind.

Der damalige Aufsichtsratschef der Bank, Ulrich Hartmann, rückte die Informationspolitik des Vorstands in ein ähnliches Licht. „Ich ging immer davon aus, dass in Unternehmenskredite investiert worden war. Subprime war kein Thema“, sagte der Eon-Chefkontrolleur in seiner zweiten Vernehmung als Zeuge. Wenn das so stimmen würde, hätte der Aufsichtsrat der IKB fast bis zur Beinahe-Pleite der Mittelstandsbank nichts von deren riskanter Anlagepolitik gewusst.

Die Kontrolleure aus Wirtschaft und Politik vertrauten nach eigenen Angaben voll den Aussagen des damaligen Vorstandschefs Ortseifen. Der habe auf Fragen nach direkten oder indirekten Investments in US-Schrotthypotheken den Kontrolleuren erklärt, die Bank sei „allenfalls mittelbar an Fonds beteiligt, die jedoch eine Ausfallbegrenzung vorsehen“, so Asmussen, der damals im Aufsichtsrat der Bank saß. Die Rolle der Aufsichtsgremien im allgemeinen und die von Asmussen im besonderen ist delikat: Auch, wo Bankvorstände mit nicht zu erwartender krimineller Energie handeln, sollte ein Aufsichtsrat nicht jede unplausible Antwort einfach schlucken, zumal wenn sie nur mündlich vorgetragen wird, nur von einem Manager kommt und wenn es um Milliarden geht. Falls Asmussen als Banken-Kontrolleur versagt hätte, wäre das doppelt brisant, denn als Chef des fünfköpfigen Lenkungsausschusses des Bankenrettungsfonds „Soffin“ entscheidet der 1966 geborene Staatssekretär mit dem millimeterkurzen Haarschnitt heute hinter verschlossenen Türen über Summen, von denen die meisten Bundesminister nur träumen können.

Das IKB-Debakel, das nur wenige Wochen später folgte, zerstörte im Sommer 2007 die Illusion, die durch minderwertige Hypothekenkredite ausgelöste Krise („Subprime“) könne an Deutschland vorbeigehen. Auch die Öffentlichkeit wurde von Ortseifen offenbar getäuscht, indem er noch einige Tage vor dem Beinahe-Crash seines Instituts dessen Lage in einer Pressemitteilung geschönt dar-stellte. Darin hieß es, die Subprime-Krise treffe die IKB nur mit einem einstelligen Millionenbetrag. Richterin Brigitte Koppenhöfer deutete nun in einer Zwischenbilanz an, dass der Ex-Banker mit einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Wertpapierhandelsgesetz rechnen müsse.

Dass Prozesse wie in Düsseldorf überhaupt ins Rollen kommen, ist auch das Verdienst von engagierten Anwälten. Einer davon ist der Starverteidiger Gerhard Strate aus Hamburg. Deutschlandweit bekannt wurde Strate durch das Revisionsverfahren gegen die zweifache Kindsmörderin Monika Böttcher und die Klage gegen die Bundesrepublik wegen des Kosovo-Krieges. Auch die Verteidigung des Terrorverdächtigen Mounir al-Motassadeq brachte ihn in die Schlagzeilen. Heute wühlt er sich auf seinem Feldzug gegen die Schuldigen der Finanzkrise durch Bilanzen, dicke Fachbücher und zugespielte E-Mails. „Wir haben es hier mit Akteuren zu tun, die diese Gesellschaft zugrunde richten“, sagt er mit der vom vielen Tabak knarzenden Stimme. „Das sind Hasardeure der schlimmsten Sorte. Und die sollen davonkommen?“

Zehn Schriftsätze hat er in den vergangenen Monaten verschickt, Strafanzeigen gegen Manager der HSH Nordbank, der Hypo Real Estate (HRE) und der BayernLB, gegen das Führungspersonal von Deutschlands Pleitebanken. Es geht darin um schwere Untreue und Bilanzfälschung. Für Strate geht es neben Sühne sogar um Demokratie und Rechtsstaat.

„Das ist eine neue Qualität kriminellen Handelns“, sagt er erregt. Er lehnt sich in seinem Stuhl vor, sein Ellenbogen stützt sich auf einen Quartalsbericht der HSH Nordbank, wo ebenfalls Schrottanleihen für Milliarden stehen. „Da draußen ist eine Stil-le, die mich aufregt. Es scheint, als würde sich niemand trauen, Einzelne für die Finanzkrise verantwortlich zu machen, so gewaltig erscheint sie.“

Mehr als 17 Monate sind seit dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers vergangen, mehr als 16 seit der dramatischen Rettung der HRE. Mit aberwitzigen Summen hat der deutsche Steuerzahler Banken gerettet, auf Jahrzehnte ist der Staat nun gefesselt, zu einem eisernen Sparkurs gezwungen. Moralisch ist seit langem klar, wo die Schuldigen für dieses Debakel zu suchen sind: In den Vorstands­etagen der Banken. Doch juristisch ist bislang fast nichts passiert, weder in Deutschland noch sonst wo in der Welt.

Besonders im Visier Gerhard Strates steht die HSH-Nordbank, die in Hamburg zu Hause ist. Das taumelnde Institut wurde 2009 mit einer drei Milliarden Euro schweren Kapitalspritze der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein vor dem Zusammenbruch bewahrt. Außerdem gewährten die Bundesländer und der Bund insgesamt rund 40 Milliarden Euro Garantien. Sowohl in Hamburg als auch in Kiel arbeiten Parlamentarische Untersuchungsausschüsse den Fall auf. Parallel ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen mehrere Vorstände der Bank, darunter gegen den amtierenden Chef Dirk Jens Nonnenmacher. Der Vorwurf: schwere Untreue. Außerdem wird wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung ermittelt. Staatsanwälte sind aktiv und durchsuchten im März die Häuser hoher Bankmanager. Der Düsseldorfer Prozess ist wohl erst der Anfang, denn „Strafe muss sein“, sagt Anwalt Strate. Hinrich E. Bues


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