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12.06.10 / Jürgen Habermas auf Abwegen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-10 vom 12. Juni 2010

Moment mal!
Jürgen Habermas auf Abwegen
von Klaus Rainer Röhl

Der Philosoph Jürgen Habermas meldet sich in letzter Zeit seltener zu Wort. So lasen alle aufmerksam seinen Aufsatz „Wir brauchen Europa!“ Ende Mai in der „Zeit“. Wenn Habermas sich grundsätzlich äußert, kann man sicher sein, dass er damit eine bestimmte Absicht verfolgt. Das war schon immer so.

Meine Beziehung zu dieser Persönlichkeit mit der auffallend unsympathischen Stimme reicht in die 50er Jahre zurück, lange vor den Beginn der Studentenbewegung. Damals, 1958 führten die kommunistischen Unterwanderer der Linken um die Zeitschrift „konkret“, die „trojanischen Esel“, wie sie der SPD-Abgeordnete Karl Mommer mit Recht nannte, einen wirkungsvollen Kampf um die Meinungsführerschaft bei den Studenten. Der von der SPD und den Gewerkschaften selbst ins Leben gerufene außerparlamentarische Propaganda-Feldzug „Kampf dem Atomtod!“ gegen Adenauers Rüstungspläne gab den jungen Intellektuellen im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) die Plattform, eine spontane flächendeckende Studenten-Bewegung ins Leben zu rufen, die in vielem eine Generalprobe zur Studentenbewegung von 1967/68 wurde. Der stürmischen Intellektualität der „konkret“-Agitatoren um Ulrike Meinhof, Erika Runge und Reinhard Opitz, allesamt neurekrutierte und daher undogmatische Mitglieder der illegalen KPD, hatten die linientreuen SPD-Anhänger nichts Adäquates entgegenzusetzen – darum holte man ein SDS-Mitglied zu Hilfe, das bereits nicht mehr im sozialdemokratischen Studentenbund aktiv, sondern gerade damit beschäftigt war, sein Studium mit einer Promotion abzuschließen: Jürgen Habermas. Unser Traumgegner.

Er blieb seinem antikommunistischen Traum treu – aber auch seinen Irrtümern. Er war es, der zehn Jahre später die 68er beschuldigte, rotlackierte Faschisten zu sein, „Linksfaschisten“, dieser Ausdruck stammt von ihm. Er begründete also den historischen Irrtum, die undogmatischen Studenten von damals seien „Nazis“ gewesen – wo doch auf der Hand lag, was aber für seine spätere Agitation unbrauchbar war, dass die 68er Rebellen objektiv knallharte Leninisten waren und also, weil die Politik Stalins aus der Lenins genuin hervorging, Stalinisten. Am allerwenigsten waren sie Nationalsozialisten oder Anhänger Hitlers und konnten es auch gar nicht sein, wie jeder Kenner der totalitären Systeme weiß. An einer ehrlichen Auseinandersetzung mit den antitotalitären Gedankengängen etwa Hannah Arendts und anderer konnte auch der spätere Habermas nicht interessiert sein, der sich 1986 im Historikerstreit gegen Ernst Nolte, Stürmer und Hillgruber als Antifaschist und Antideutscher zu profilieren wusste. Der nicht den Kampf zweier totalitärer Systeme um die Herrschaft in Europa, wie ihn Nolte so überzeugend aufwies, sehen konnte oder wollte, sondern nur noch das angeblich „singuläre“ deutsche Verbrechen des Holocaust wie eine Doktrin als Maßstab aller geschichtlichen Forschung – darum ging und geht es ja im Historikerstreit – aufstellte und also seine Gegner in diesem Streit als wissenschaftlich verkappte Anhänger Hitlers brandmarkte. Ziel war es, diese Wissenschaftler zu ächten und zumindest aus dem öffentlichen Diskurs auszuschließen, was im Falle Ernst Noltes vorzüglich gelang.

Nun meldet sich dieser Oldtimer des antideutschen Diskurses abermals zu Wort, wiederum in der „Zeit“, und zwar zur Zukunft Europas. Und es ist kein Wunder, sondern nur konsequentes Beharren auf dem Irrtum von einst, dass auch diesmal wieder eine antinationale Position mit dem singulären Verbrechen Hitlers begründet werden soll.

Inzwischen hat sich auf dem Gebiet des Singulären aber einiges verändert. Nicht nur wurde in diesem Jahr an die erste Massenvernichtung des 20. Jahrhunderts, den Massenmord am armenischen Volk, erinnert. Noltes Kontrahenten im Historikerstreit konnten Stalins Verbrechen in den 30er Jahren mit der Ausrottung von Millionen Bauern noch weitgehend ignorieren oder relativieren, die Massenmorde des Pol-Pot Regimes der Jahre 1975 bis 1978 waren erst in Umrissen bekannt und der Völkermord in Ruanda war noch nicht geschehen, als Habermas Ende 1985 erneut die deutsche Vergangenheit gegen den Versuch einer europäischen Versöhnung ins Feld führte. Damals hatte Helmut Kohl zusammen mit US-Präsident Ronald Reagan auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg gemeinsam der Toten des Krieges gedacht. Habermas schrieb dazu: „Morgens Bergen-Belsen und nachmittags Bitburg, das bestritt implizit den NS-Verbrechern ihre Singularität, und der Händedruck der Veteranengeneräle in Gegenwart des amerikanischen Präsidenten war schließlich eine Bestätigung dafür, dass wir im Kampf gegen den Bolschewismus immer schon auf der richtigen Seite gestanden haben.“

Deshalb griff er auch mit besonderer Schärfe den CDU-Politiker Alfred Dregger an, der im September 1986 im Bundestag klare Worte über die dauerhaft eingeforderte Vergangenheitsbewältigung gefunden hatte: „Besorgt machen uns Geschichtslosigkeit und Rücksichtslosigkeit der eigenen Nation gegenüber. Ohne einen elementaren Patriotismus, der anderen Völkern selbstverständlich ist, wird auch unser Volk nicht überleben können. Wer die sogenannte ‚Vergangenheitsbewältigung‘, die gewiss notwendig war, missbraucht, um unser Volks zukunftsunfähig zu machen, muss auf unseren Widerspruch stoßen!“ Das richtete sich direkt gegen Denker und Publizisten wie Habermas, die die „singuläre“ Schuld Deutschlands geradezu zur Staatsraison machen wollten und sich im Historikerstreit durchsetzten, zum Schaden für Deutschland.

Es überrascht nach dem damaligen Beharren auf einer Sonderbehandlung für Deutschland nicht mehr, dass der antinationale Vordenker, der übrigens auch Schöpfer des Homunkulus namens „Verfassungspatriotismus“ ist, den er den Deutschen anstelle eines normalen Nationalgefühls empfahl, heute auch in der Eurokrise mit dem selben Argument wieder nicht um Schadensbegrenzung, sondern um Schadensausweitung zu Ungunsten Deutschlands bemüht ist. Seine etwas umständlichen Formulierungen laufen im Klartext darauf hinaus, dass Deutschland die verdammte Pflicht und Schuldigkeit habe, auch diesmal wieder zu zahlen und die Souveränität aufzugeben. Denn, so Habermas: „Was unsere europäischen Nachbarn am Ende versöhnlich gestimmt hat, waren in erster Linie die gewandelten normativen Überzeugungen ... so konnte es ihnen [= den Deutschen] in der Erinnerung an ihre nationalistischen Exzesse nicht schwerfallen, auf die Wiedererlangung von Souveränitätsrechten zu verzichten, in Europa die Rolle des größten Nettozahlers zu übernehmen und erforderlichenfalls Vorleistungen zu erbringen.“ Aber das alles ist Habermas noch nicht genug. Trotz des jüngsten Milliardenpakets beklagt er eine gewisse „Hartleibigkeit“ (also Geiz) gegenüber Europa und das „Festkrallen an rechtsdogmatischen Vorstellungen von Souveränität, wie sie die Maastricht- und Lissabon-Urteile des Bundesverfassungsgerichtes offenbaren“.

Mit sonderbar verschnörkelten Worten fordert Jürgen Habermas also – und hier wird es nun fast lächerlich – die Aufgabe der nationalen Souveränität und noch einmal singulär viel deutsches Geld für die singuläre deutsche Schuld – diesmal zahlbar in Euro.


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