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12.06.10 / Weltberühmter Klangkörper / Der vor 200 Jahren geborene Königsberger Otto Nicolai gründete die Wiener Philharmoniker

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-10 vom 12. Juni 2010

Weltberühmter Klangkörper
Der vor 200 Jahren geborene Königsberger Otto Nicolai gründete die Wiener Philharmoniker

Kaum ein anderer Klangkörper wird dauerhafter und enger mit der Geschichte und Tradition der europäischen Musik in Verbindung gebracht wie die Wiener Philharmoniker. Ihr Gründer Otto Nicolai wurde vor 200 Jahren in Königsberg geboren.

Richard Wagner beschrieb das Orchester der Wiener Philharmoniker als eines der allervorzüglichsten der Welt, Anton Bruckner nannte es „den höchsten Kunstverein in der Musik“, Johannes Brahms bezeichnete sich als „Freund und Verehrer“ des Orchesters, Gustav Mahler fühlte sich „durch das Band der Kunst“ verbunden, und Richard Strauss fasste zusammen: „Die Philharmoniker preisen heißt Geigen nach Wien tragen.“

In viereinhalb Wochen wird das Orchester die sicheren Bühnenbretter mit wenn auch schwankenden, aber nicht weniger sicheren Planken tauschen: Sie begeben sich am 7. Juli an Bord von „Mein Schiff“ auf Kreuzfahrt durch die Ostsee. Die Musiker werden Konzerte in Sankt Petersburg, Helsinki und Reval (Tallinn) geben. Höhepunkt wird der Auftritt am 15. Juli in Königsberg sein, dem Geburtsort des Komponisten und Dirigenten Otto Nicolai. Königsberg wurde für das 200-jährige Jubiläumskonzert ausgewählt, um den Gründer der Wiener Philharmoniker gebührend zu feiern. Am Pult stehen wird Christian Thielemann, um Werke von Nicolai und Beethoven zu dirigieren. Solist wird Rudolf Buchbinder sein, der auf dieser Reise alle fünf Beethoven Klavierkonzerte spielen wird.

„Nicolai war eine echte Künstlernatur, geistreich, enthusiastisch, ehrgeizig, allerdings auch eitel und launenhaft. Bei ruhigerem Temperament und strengerer Concentration hätte er, namentlich als Componist, ungleich Höheres leisten können“, schrieb Eduard Hanslick 1869 in seiner „Geschichte des Concertwesens in Wien“. Und so ist Musikfreunden vor allem die komische Oper des Königsbergers „Die lustigen Weiber von Windsor“ nach Shakespeare bekannt. Neben dieser erfolgreichen und auch heute noch hin und wieder aufgeführten Oper hat Nicolai jedoch auch Messen, Psalmen, Orchesterwerke wie die „Kirchliche Fest-Ouvertüre über ,Ein feste Burg‘“ oder die „Weih-nachts-Ouvertüre über ‘Vom Himmel hoch da komm ich her’“, Sinfonien, Stücke für Klavier und Kammermusik komponiert. Auch musikhistorisch war der Königsberger interessiert; so sammelte er Kompositionen und übersetzte die Ausführungen Gioseffo Zarlinos und Padre Giambattista Martinis ins Deutsche.

Eine seiner größten Leistungen aber war die Gründung der Wiener Philharmoniker 1842; wenn auch der Name Otto Nicolai nur von Eingeweihten mit diesem Klangkörper, der heute in aller Welt gastiert, verbunden wird. Die „Allgemeine Wiener Musikzeitschrift“ notierte im November 1843: „Es war zu Anfang des vergangenen Jahres, als ein paar Kunstfreunde im Gespräche über die hiesigen Kunstzustände den Hofopern-Capellmeister Hrn. Otto Nicolai, nunmehrigen Director und Oberleiter der philharmonischen Concerte, auf die Idee brachten, mit seinem Orchester, dem zahlreichsten und ausgezeichnetsten Musikkörper Wiens, größere Musikaufführungen zu veranstalten, und indem er dadurch die vorzüglichsten Werke unserer größten Tonmeister auf eine würdige Weise zur Darstellung brächte, zugleich den Mitgliedern seines Orchesters eine fixe Einnahme zuzuwenden. Hr. Nicolai griff die Idee richtig auf, theilte dieselbe in einer Zusammentretung dem versammelten Orchester mit und – das Unternehmen war begründet. Man wählte den ebenso thätigen als umsichtsvollen Capellmeister zum Director, und schon der Erfolg des ersten Concertes lieferte den Beweis von der Zweckmäßigkeit dieser Wahl.“ Wie aber war der Ostpreuße nun nach Wien gekommen? – Am 9. Juni 1810 als Sohn des Sängers, Gesangspädagogen und Komponisten Carl Nicolai in der alten Krönungsstadt preußischer Könige geboren, verlebte der junge Otto eine nicht glückliche Kindheit. Bereits mit 16 Jahren trieb es ihn aus dem Haus des Vaters. Im pommerschen Stargard begegnete er dem Justizrat August Adler, einem kunstverständigen Mann, der ihn zu Karl Friedrich Zelter nach Berlin schick-te. Dieser förderte den jungen Musiker und kümmerte sich um seine Ausbildung am Institut für Kirchenmusik. Bei einem Besuch im Hause Schleiermachers lernte Otto Nicolai Karl von Bunsen kennen, den preußischen Gesandten am päpstlichen Hof. Auf dessen Veranlassung wurde der Ostpreuße zum Organisten der Kapelle der preußischen Gesandtschaft in Rom ernannt. In Italien gewann Otto Nicolai denn auch schließlich nachhaltige Eindrücke für sein Schaffen, dort schrieb er später seine ersten Bühnenwerke.

Im Mai 1837 jedoch folgte er zunächst einem Ruf nach Wien, als Kapellmeister am Kärntnertor-Theater; doch schon im Juni 1838 verließ er Wien wieder, um nach genau drei Jahren zurückzukehren – mit einem Dreijahresvertrag als erster Kapellmeister. Im Sommer 1842 berichtete er seinem Vater in einem Brief über die Zustände, die er in Wien vorgefunden hatte: „Die Oper ist im ärgsten Verfall“, so Nicolai, „und an keiner Person bei Hofe hat sie einen Aufrechterhalter ... Ich habe, wie Du weißt, die Philharmonischen Konzerte hier gegründet, ein Unternehmen, das ich nicht sinken lassen kann...“

Otto Nicolai blieb fünf Jahre in Wien. Schließlich holte ihn Friedrich Wilhelm IV. in der Nachfolge Mendelssohns als Leiter des Domchores und Hofopernkapellmeister nach Berlin. Dort schrieb er denn auch sein Hauptwerk, die bezaubernde Oper nach dem Text von Shakespeare „Die lustigen Weiber von Windsor“. Am 9. März 1849 wurde sie in Berlin uraufgeführt. Der Komponist selbst führte den Taktstock – eine Freude, die der Ostpreuße nicht lange genießen sollte. Keine drei Monate später – am 11. Mai 1849 – erlag er den Folgen eines Gehirnschlages. Sein Grab befindet sich auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Wedding.   Silke Osman


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