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12.06.10 / Demontage mal anders / Volkskammer geht auf Distanz zum DDR-Wappen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-10 vom 12. Juni 2010

Demontage mal anders
Volkskammer geht auf Distanz zum DDR-Wappen

Alle Staatswappen, die sich in und an öffentlichen Gebäuden befinden, sind unverzüglich, spätestens jedoch in Wochenfrist, zu entfernen. Wo dies aus technischen oder finanziellen Gründen nicht möglich ist, ist das Wappen zu verdecken.“ Dieses Gesetz, das die Fraktion der Deutschen Sozialen Union (DSU) am 31. Mai 1990 in die Volkskammer einbrachte, das das DDR-Parlament noch am selben Tag per mehrheitlicher Akklamation beschloss und das am 12. Juni 1990 im Gesetzblatt der DDR verkündet wurde, richtete sich gegen ein Symbol, das wie sonst nur noch Mauer und Stacheldraht für die deutsche Spaltung steht.

Anders als bei der Flagge entschieden sich die Gründer der DDR beim Wappen nämlich gegen das Anknüpfen an eine deutsche Tradition und statt dessen für eine Neuschöpfung nach sowjetischem Vorbild. Der spätere Schöpfer des DDR-Wappens, Herbert Gute, wetterte gegen den deutschen Adler, „ob es das Kaiserreich, die Weimarer Republik oder das Nazireich war – sie alle benutzten als Symbol einen Raubvogel! In dieser Richtung konnten sich unsere Gedanken nicht bewegen, denn wir hatten diese Staatsform am eigenen Leibe erlebt“. Damit warf Gute drei politische Systeme in einen Topf und ließ zudem unerwähnt, dass die 48er, auf die sich seine Genossen bei der Wahl von Schwarz-Rot-Gold als DDR-Fahne beriefen, auch den Adler führten. Offen bleibt, warum der Adler als DDR-Symbol wegen der Verwendung durch die Weimarer Republik angeblich nicht möglich war, das ebenfalls von Weimar benutzte Schwarz-Rot-Gold hingegen schon. Auch ist nicht überliefert, was Gute davon hielt, dass seine polnischen Genossen ihren „Raubvogel“ in Form des weißen Adlers auf rotem Grund beibehalten haben.

Das Wappen des Großen Bruders in Moskau zeigte Hammer und Sichel im Ährenkranz. Die DDR war trotz der Reparationen immer noch ungleich stärker industrialisiert als die Sowjetunion und so fing man 1950 mit einem einsamen Hammer im Ährenkranz an.

Der nächste Schritt war das Emblem des ersten Fünfjahresplans für die Jahre 1951 bis 1955. Das mit seiner Gestaltung beauftragte Entwurfskollektiv um den stellvertretenden Direktor der Kunsthochschule Berlin-Weißensee Herbert Gute sah sich vor die Aufgabe gestellt, auch die Werktätigen, die nicht mit dem Hammer hantierten, sprich die keine Industriearbeiter waren, symbolisch mit einzubeziehen. Die Landwirte mussten weiterhin auf ihre Sichel verzichten und sich mit der Auskunft begnügen, dass sie durch die Ähren hinlänglich vertreten seien. Doch was machte man mit der schöpferischen Intelligenz, die im UdSSR-Wappen nicht vertreten war, aber nun im Fünfjahresplan­emblem ihr eigenes Symbol bekommen sollte? Gegen ein Buch, wie wir es von Wappen aus kommunistischen Drittweltländern kennen, sprach die Tatsache, dass in der DDR fast jeder lesen konnte, jedenfalls nicht nur die Intelligenz. Die Wahl fiel schließlich auf einen Zirkel. Aus Ähren, Hammer, Zirkel und der Ziffer fünf setzte sich dann schließlich das Fünfjahresemblem zusammen.

Aus Ähren, Hammer und Zirkel, aber ohne „5“ gestaltete Gute mit dem Graphiker Martin Hänisch dann anschließend im Auftrag des Ministerpräsidenten das DDR-Wappen. Zum Symbol der Spaltung wurde es nicht nur durch seinen Bruch mit der deutschen Tradition, sondern auch durch die Aufnahme in die DDR-Flagge 1959, die aus dem gesamtdeutschen Symbol ein „Spaltertuch“ machte. Und dennoch hielt die DDR trotz des vor 20 Jahren verkündeten DDR-Wappen-„Demontage“-Gesetzes bis zu ihrem Ende an Wappen wie Flagge fest.         M.R.


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