18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
12.06.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-10 vom 12. Juni 2010

Leises Schluchzen / Wie es Frau von der Leyen wohl geht, wie sich die Linken enttarnt haben, und was Andrea Nahles an Gabelstaplerfahrern hat
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Die haben uns alle umgerannt mit ihrer flinken Kandidatenkür fürs Amt des Staatsoberhaupts. Ganz unten aus dem Haufen der Überrannten schluchzt eine leise Frauenstimme: Ursula von der Leyen sollte sich nicht scheuen, einen Spezialisten aufzusuchen, damit kein Trauma bleibt von dem, was die arme Frau durchgemacht hat. Innerlich war sie fast schon Bundespräsidentin. Sie wiegte sich in einer Sicherheit, als wäre der entscheidende Anruf nur noch Formsache.

Hinter den Kulissen lief derweil ein ganz anderer Film, in dem die wackere Ministerin gar keine Rolle spielte. Hätte Angela Merkel nicht schon am Dienstagabend zum Hörer greifen und von der Leyen aufklären können? „Uschi, ich war eben mit dem Wulff essen und hab den gefragt. Also: Dett wird wohl nischt mit dir und Bundespräsident, nix für ungut. Wir bleiben doch trotzdem Freundinnen, oder?“

Aber nein: Völlig ungerührt ließ die Kanzlerin die Ministerin ihre prä-präsidialen Pirouetten drehen, bis sie Donnerstagabend um sechs bei von der Leyen und bei Schäuble anrief, um beiden abzusagen. Schäuble schert sowas nicht mehr, der kennt das schon. Doch das Gesicht der Arbeitsministerin hätten in dem Moment nur solche Menschen sehen mögen, die eine wirklich hässliche Ecke in ihrer Seele beherbergen.

Lassen wir sie in Ruhe zu sich kommen und wenden uns dem Fortgang der Dinge zu. Ein Stück bestes Berliner Polit-Theater wird geboten: Nein, natürlich spielen Parteitaktik und persönliches Machtkalkül nicht die geringste Rolle. Darauf reiten besonders eif­rig SPD und Grüne herum, denen ja wirklich was Tolles gelungen ist mit Joachim Gauck.

Gauck spielt mit der ihm eigenen väterlichen Süffisanz mit. Natürlich weiß er, dass Gabriel und Trittin (der hatte die Idee) ihn nie und nimmer nominiert hätten, wenn Rot-Grün über die Mehrheit in der Bundesversammlung verfügte. Das stört ihn jedoch nicht, da steht er drüber.

Das Fell selber über die Ohren gezogen haben sich die Linken. Die Glocke läutete und der Pawlowsche Hund sprang wie auf Kommando: „Den wählen wir nie!“, zischte Linkspartei-Chefin Gesine Lötzsch in die Kamera, als sie von bösartigen Journalisten nach Gauck gefragt wurde. Chef-Stratege Gysi muss vor Wut die Kaffeetasse in den Fernseher geschleudert haben: Warum sagst du nicht gleich, die SED wählt doch keinen, dessen Behörde Tausende ihrer Verbrechen aufgeklärt hat, du blöde Nuss! Wenn man nicht alles selber macht ....

Mit einem Satz hatte Genossin Lötzsch zwei Jahrzehnte Tarnarbeit in den Müllschlucker befördert. Ihr geschockter Co-Vorsitzender Klaus Ernst sprang sofort hinterher, um noch etwas zu retten. Im zweiten Wahlgang könne man vielleicht doch für Joachim Gauck stimmen. Der habe ja „große Verdienste um die Aufarbeitung der DDR-Geschichte“, schnulzte der Bayer zum Zwecke der Schadensbegrenzung.

Union und FDP würden gern Honig saugen aus dem dunkelroten Geeiere, zumal Hannelore Kraft soeben ihre Fühler zum linken Rand ausgefahren hat und sich von den roten Ultras wählen lassen möchte. Doch Schwarz-Gelb will einfach nichts mehr richtig gelingen. Christian Wulff war ja zunächst gar keine schlechte Idee. Der ist von allen politischen Wassern rundgeschliffen und sagt nichts, was nicht absolut ungefährlich ist. Von ihm bekämen die Deutschen nur bekömmlichen Vokabelsalat mit fader Flos­kelsoße. Spannend geht zwar anders, aber so passiert wenigstens nichts.

Doch wer Wulff neben Gauck stellt, der hat den Kontrast zwischen Klassizismus und Raufasertapete vor Augen. Indes kann die FDP dieser Gegenüberstellung auch etwas Gutes abgewinnen: Nachdem ihr netter Herr Rösler von bayerischen Fallenstellern in den Hinterhalt gelockt und niedergestreckt wurde, werfen die Liberalen Wulffs Gegenkandidaten demonstrativ Rosen vor die Füße – um danach sofort wieder auf ihre Loyalität für Merkels Mann zu schwören. Die Botschaft an die Union: Wir haben diese Gemeinheiten von euch satt und können auch anders. Also seid fortan lieb zu uns, sonst ...

Aber was hilft’s? Selbst das mit gewaltiger Ouvertüre angekündigte „Sparpaket“ findet bei den Kommentatoren ziemlich säuerliche Aufnahme. Die Regierung rede hauptsächlich übers Sparen, getan werde zu wenig.

Eines ist klar: Irgendwann wird er uns alle treffen, der Sparzwang. Selbst der Verfassungsschutz muss seine Aufwendungen kürzen, weshalb DVU und NPD zusammengelegt werden. Das spart Spitzel und staatlich bestallte Berufsextremisten, sogenannte V-Leute. Zwei nationalsozialistische Parteien sind für ein Land in derart desolater Haushaltslage purer Luxus, auf den wir künftig verzichten müssen.

Inwieweit bereits Proteste von Betroffenen aus der V-Männer-Szene gegen den „Kahlschlag“ geplant sind, ist nicht bekannt. An etlichen anderen Ecken jedoch formiert sich bereits der Argwohn. Margot Käßmann, die ja leider doch nicht Bundespräsidentin wird, hat öffentlich zum „Widerstand“ gegen das Sparpaket aufgerufen. Sie hat tatsächlich „Widerstand“ gesagt und nicht etwa nur Protest. Warum? „Widerstand“ hat nach zwei Diktaturen in Deutschland einen so wunderbar heroischen Klang. Widerstand, das ist Weiße Rose, Kreisauer Kreis oder junge Leute, die sich mutig gegen sowjetische Panzer auf der „Stalin-Allee“ stellen.

So stellen wir uns also vor, wie die Helden der „Käßmann-Gruppe“ nachts durchs Quartier schleichen und heimlich handkopierte Zettel in die Briefkästen stopfen – immer auf der Hut vor den Schergen des verbrecherischen Merkel-Regimes. Und wie sie sich im Schutze von Kirchenräumen von den Übergriffen der Staatsmacht auf ihren „Widerstandskreis“ berichten. Ach, na ja, man sollte die Worte vielleicht nicht so wörtlich nehmen. Peinlich wird es, wenn man seine Worte schon seit Wochen in der Schublade hat für eine bestimmte Situation, die dann ganz anders kommt. Wer da nicht schnell neue Worte findet, der steht ziemlich doof da, konkret: wie Andrea Nahles.

Die SPD-Generalsekretärin wirft sich in die Schlacht gegen  „massive Einschnitte in der aktiven Arbeitsmarktpolitik“, die (offenbar entgegen ihrer Erwartung) gar nicht beschlossen wurden. Lediglich der „Ermessenspielraum“ der Arbeitsagenturen soll erweitert werden, damit nicht mehr so viel Unsinn bei der Weiterbildung passiert: So sind Gabelstaplerfahrer tatsächlich zu Gabelstaplerfahrern „weitergebildet“ worden. Kämpft Frau Nahles dafür, dass diesen Leuten weiterhin die bisherigen Maßnahmen geboten werden, also etwa eine weitere Weiterqualifizierung zum Gabelstaplerfahrer?

Den Gegnern solcher „Einschnitte“ geht es allein um die menschliche Würde der Betroffenen, das betonen sie immer wieder. Ja, wie hoch respektiert wird sich der arbeitslose Realschulabsolvent gefühlt haben, als man ihn zur Fortbildung in einen Alphabetisierungskurs gesteckt hat? Wie stolz blickt eine Friseurin auf ihr Erwerbsleben zurück, nachdem die Agentur ihr einen Weiterbildungskurs zur Maurerin aufbrummte?

Was der Quatsch soll, erschließt sich erst auf den zweiten Blick: In der Qualifizierungsindustrie für Arbeitslose werden Milliarden verdient, die zu einem nicht geringen Teil in die Taschen gewerkschaftsnaher Institute fließen. Zigtausende verdienen im Gewerbe der Gabelstaplerfahrer-Qualifizierer ihr Geld. Jeder Qualifizierungsfall, der ihnen in den „ersten Arbeitsmarkt“ entwischt, untergräbt die wirtschaftliche Zukunft der „Qualifizierer“. Kein Wunder also, dass Gewerkschaftsbosse unablässig darauf dringen, dass „noch viel mehr getan werden muss für die Weiterbildung von Langzeitarbeitslosen“. Wer die Finesse hinter diesem ein­druck­s­­vollen Sozialgedröhn durchschaut hat, der hört hier nur noch „Gabelstapler“.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren