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19.06.10 / Am Rand der Krise / Den Deutschen stellt sich die dringende Frage, ob ihr Land noch regierbar ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-10 vom 19. Juni 2010

Am Rand der Krise
Den Deutschen stellt sich die dringende Frage, ob ihr Land noch regierbar ist

Die Freude an Fußballerfolgen kann ein Gefühl der tiefen Verunsicherung nicht mehr überdecken. Deutschland, momentan ein Land ohne Staatsoberhaupt, scheint seine politische Handlungsfähigkeit verloren zu haben. Die Mittelschicht plagen Abstiegsängste.

Angenommen die Bundesregierung aus Union und FDP würde zerbrechen, was dann? Die Große Koalition der Jahre 2005 bis 2009 war zwar entscheidungsfähig, aber sie trat ihre Amtszeit im beginnenden Boom an, der dann drei Jahre lang reichlich Geld in die Kassen spülte. Wer sich in der seit Herbst 2008 radikal veränderten Lage nach der Großen Koalition zurücksehnt, vergleicht darum Äpfel mit Birnen.

Ohnehin hat die letzte Regierung wichtige Entscheidungen vertagt, vor allem in der Energiepolitik. Und schließlich würde eine Neuauflage auf absehbare Zeit an der SPD scheitern. Deren Erinnerungen an Verlauf und Ende der letzten Legislaturperiode sind so bitter, dass sie wohl erst dann wieder mit der Union ein Regierungsbündnis bilden würde, wenn das Wahlergebnis nichts anderes zuließe.

Ein Blick nach Nordrhein-Westfalen bestätigt dieses Bild in erschreckender Weise: Dort verweigert sich die SPD einer Zusammenarbeit mit der CDU, obwohl für sie sogar mehrere Varianten möglich sind und ihre Verhandlungsposition gegenüber der CDU deswegen sogar viel besser ist als die unbequeme Lage im Schwitzkasten Angela Merkels auf Bundesebene in den Jahren 2005 bis 2009. Doch jetzt will die SPD dort offenbar überhaupt keine Koalition mehr bilden.

Mit einem gewissen Erschrecken steht der Bürger vor einer neuen Situation: Sowohl in Berlin als auch im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen hat er demokratische Parteien mit vernünftigen Mehrheiten ausgestattet, aber die Politiker weigern sich, mit dem anvertrauten Mandat zu arbeiten. So wie die politische Klasse einige Wahlentscheidungen des Volkes nur schwer verstehen konnte (von der „Bevölkerungsverdrossenheit der Politiker“ sprach deswegen schon der Politologe Karl-Rudof Korte), so verstehen heute wachsende Teile der Bevölkerung weniger denn je das Verhalten „ihrer“ Politiker.

Während die Entfremdung wächst, werden unverzichtbare Entscheidungen vertagt. Die Politiker scheinen vom Unbehagen über diese Lage mehr denn je infiziert zu sein. Wenn angeblich „bürgerliche“ Politiker sich wechselseitig als traumatisiert, als Wildsau und als Gurkentruppe beschimpfen, dann hat das Wort „Politikerverdrossenheit“ offenbar eine neue Bedeutung gewonnen.

Unterdessen wächst bei der Mittelschicht die Sorge vor dem Abstieg: Unsichere Jobs, öffentliche und auch private Verschuldung, dazu riesige Finanzabflüsse ins Ausland – Experten erwarten den Abstieg von bis zu zehn Millionen Deutschen aus der Einkommens-Mittelschicht. Momentan ist nicht absehbar, was diese Entwicklung abwenden könnte.      K. Badenheuer

Foto: „Eingehegter Patriotismus“: Fast nur noch bei Fußballspielen stehen die Deutschen zu ihren Nationalsymbolen. Das ist zu bedauern, denn auch in der Politik ginge es mit mehr Zusammengehörigkeitsgefühl besser voran.


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