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19.06.10 / »Nato-Beitritt ermöglichen« / Naumann: Sicherheit nur mit Russland – Beitrittsangebot würde Demokratie fördern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-10 vom 19. Juni 2010

»Nato-Beitritt ermöglichen«
Naumann: Sicherheit nur mit Russland – Beitrittsangebot würde Demokratie fördern

Als Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender des Nato-Militärausschusses war Klaus Naumann von 1996 bis 1999 der ranghöchste deutsche Soldat. Am Rande der „Soltauer Gespräche“ beantwortete er für die PAZ Fragen von Bernd G. Hierholzer zur deutschen Sicherheitspolitik.

PAZ: Horst Köhler ist als Bundespräsident über die Frage ressourcenstrategischer Interessen bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr gestolpert. Sollten wir damit offener umgehen?

Klaus Naumann: Der Bundespräsident a.D. hat da eine Äußerung getan, die von vielen missverstanden worden ist. Sie ist vielleicht auch missverständlich formuliert worden und vielleicht wollte man sie ja auch missverstehen. Er hat aber nichts anderes gesagt, was Helmut Schmidt schon 1972 unbestritten ausgedrückt hat, was auch in veröffentlichten Dokumenten des Verteidigungsministeriums der 90er Jahre steht und was im Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr 2006 ausgeführt worden ist, nämlich, dass Deutschland reaktiv auch den Schutz der freien Seefahrt vertreten muss. Das hat überhaupt nichts mit Wirtschaftskriegen zu tun.

PAZ: „Out of area“-Einsätze sind seit 1999 Bestandteil der Nato-Doktrin. Peter Struck hat uns als Verteidigungsminister auf den Weg gegeben, die Sicherheit Deutschlands werde auch am Hindukusch verteidigt. Kann man das noch so stehen lassen?

Naumann: Wir müssen für jeden Einsatz der Streitkräfte die Zustimmung des Parlaments und damit auch die Zustimmung der Bürger dieses Landes haben. Die Streitkräfte können nur in ihren Einsatz gehen, wenn sie sicher sind, dass sie es im Namen des deutschen Volkes tun. Darüber muss diskutiert und von Fall zu Fall entschieden werden. Da gibt es keine Generalformel.

PAZ: Herr General, sehen Sie für den Afghanistan-Einsatz denn noch wirklich in der Bevölkerung einen Rückhalt der Truppe?

Naumann: Der Rückhalt für den Afghanistaneinsatz schwindet in der Bevölkerung. Das kann man gar nicht mehr anders darstellen und nicht beschönigen. Hier muss man fragen, ob die Politik das ihre getan hat, um zu erklären, warum sie deutsche Soldaten dort hinschickt. Herr Struck hat zwar den etwas schlichten Satz geprägt „Wir verteidigen die Sicherheit Deutschlands am Hindukusch“. Das ist aber offensichtlich nicht von allen verstanden worden. Deshalb muss man sehr deutlich begründen, ob von dort noch internationaler Terrorismus von Deutschland ferngehalten wird. Was passieren wird, wenn Afghanistan wieder in die Hände des Terrorismus fällt, und ob es von deutschem Interesse ist, den Gefahren dort zu begegnen oder zu warten bis sie zu uns kommen.

PAZ: Die öffentlichen Kassen sind leer. Ist die Wehrpflicht noch zu halten oder sollten wir uns nicht doch Gedanken über eine Berufsarmee machen. Die stellt ja wohl kaum eine Gefahr für die Demokratie dar?

Naumann: Nein, die Bundeswehr hat in den langen Jahren ihrer Geschichte bewiesen, dass sie fest in die Demokratie integriert ist, und deshalb braucht es nicht die Wehrpflicht als Instrument. Über diese Frage muss jetzt der Verteidigungsminister sine ira et studio neu nachdenken. Denn dass Deutschland auch in der Verteidigung sparen muss, ist unbestritten. Vergessen wir nicht: Die Wehrpflicht kann von jungen Menschen nur verlangt werden, wenn ein Sinn dahinter steht. Auch die Unterstützung der Bürger kann man nur erwarten, wenn das, was man der Jugend abverlangt und wofür man Geld ausgibt, sinnvoll ist.

PAZ: Ist denn die sechsmonatige Wehrpflicht noch sinnvoll?

Naumann: Ich persönlich habe schon sehr früh gesagt, dass die sechsmonatige Wehrpflicht für mich keinen Sinn mehr hätte.

PAZ: Wo soll das denn hinführen?

Naumann: Ich sehe das ausgehend von den Erfahrungen, die wir bei Verbündeten beobachtet haben, welche über diesen Schritt den Einstieg in den Ausstieg gewählt haben. Ich hoffe, dass man vor dem Hintergrund der sehr knappen Kassen noch einmal sehr gründlich darüber nachdenkt. Aber die Entscheidung muss politisch getroffen werden.

PAZ: Sie haben im „Spiegel“ für die Aufnahme Russlands in die Nato plädiert. Wie sehen Sie hier die Rolle Polens? Nach der Katastrophe von Smolensk ist es ja  zu einer Annäherung gekommen, andererseits war Polen einer der Blockadehalter schlechthin.

Naumann: Gerade in Polen gibt es historisch begründete Ängste. Diese sind nicht zuletzt durch das Verhalten der Regierung Putin und das eine oder andere Vorgehen des russischen Generalstabs geschürt worden. Man darf auch nicht vergessen, was für die Polen die Georgien-Krise ausgemacht hat. Immerhin sind dort mit russischen Panzern Gebiete eines anderen Staates besetzt und annektiert worden. Das hat Rückwirkungen in den Erinnerungen der Polen. Dennoch werden wir Sicherheit auf Dauer nur mit Russland und nicht gegen Russland erreichen können. Also müssen wir auch die Kooperation mit Russland suchen. Deswegen haben Volker Rühe und ich diesen Vorschlag gemacht. Sollten wir über dieses Angebot erreichen, dass Russland endlich eine Demokratie und ein Rechtsstaat wird, dann wäre die Voraussetzung dafür gegeben, dass es Mitglied in der Nato wird. Was spräche dann noch dagegen?

PAZ: Rechtsstaat und Demokratie in Russland? Darf man da Zweifel hegen?

Naumann: Ich halte Ihnen die Daumen, dass Sie es in ihrer Lebenszeit erleben. Ich vermutlich nicht.

Foto: General a.D. Klaus Naumann: „Sechsmonatige Wehrpflicht hat keinen Sinn.“


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