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19.06.10 / Das deutsche Trauma

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-10 vom 19. Juni 2010

Das deutsche Trauma
von Harald Fourier

Neulich war ich in einem Zeitungsarchiv und habe alte Ausgaben der „BZ“ mit Anzeigen von Supermarktketten aus dem Jahr 1990 durchgeschaut. Der Vergleich mit den Preisen für dieselben Produkte von heute zeigt: Sie sind stärker gestiegen als von den Statistikern zugegeben. Die offizielle Inflationsrate der vergangenen 20 Jahre liegt bei summiert 50 Prozent, die meiner Stichproben aber ergab über 60 Prozent. Wiener Würstchen, deutscher Gouda oder eine Tafel Sarotti-Schokolade kosten heute in Euro sogar genau so viel wie damals in D-Mark. So etwas wird gerne als Stammtischgerede abgetan, deckt sich aber mit den Erfahrungen von Millionen Deutschen.

Es gibt nichts außer Krieg und Vertreibung, was die Deutschen im vergangenen Jahrhundert stärker traumatisiert hat als die Hyperinflation von 1923. Brot und Milch kosteten plötzlich Millionen von Mark, große Teile der bürgerlichen Mittelschicht wurden auf kaltem Wege enteignet. Das haben noch vor wenigen Jahren die Großeltern ihren Enkeln erzählt, der Schock wurde also nicht einmal durch den Zweiten Weltkrieg überdeckt. Das ist insofern überraschend, als bei der Währungsreform von 1948 die Sparer genau wie 1923 wieder die Dummen waren. Doch stand die Einführung der D-Mark am Beginn eines glänzenden Aufstiegs in Friedenszeiten, der Schnitt von 1923 am Beginn von langjährigen Krisen, Nazi-Herrschaft und Krieg.

In den letzten 20 Jahren haben viele Deutschen gleich zwei Währungsumstellungen erlebt: die deutsch-deutsche Währungsunion 1990 und die Euro-Einführung 1999. Während letztere Reform von der Mehrheit der Deutschen kritisch gesehen wurde und wird, ist die Währungsunion von 1990 fast schon in Vergessenheit geraten. Als nationaler Kraftakt im Rahmen der deutschen Vereinigung ist sie zudem politisch weithin unumstritten.

Gerade jetzt geht angesichts der Euro-Krise wieder die Angst um: Was ist der Euro noch wert, wenn ich einmal in Rente gehe oder das Studium der Enkel beginnt, für das ich spare? Ökonomen beruhigen uns, mit den beiden Währungschnitten von 1923 und 1948 sei jeweils die Rechnung für einen verlorenen Weltkrieg präsentiert worden. Die wertlos gewordenen Schuldscheine (zu denen letztlich auch das Papiergeld gehört) wurden gleichsam zerrissen; Gewinner waren die Eigentümer von Sachwerten und die Schuldner, Verlierer die Sparer und alle anderen Gläubiger.

Doch das kann nicht wirklich beruhigen. Schließlich sind im Zuge der Weltfinanzkrise schon jetzt mehr Vermögenswerte vernichtet worden als durch den gesamten Ersten Weltkrieg. Die Zahl der Experten, die den Einsturz der wankenden Schuldentürme erwarten, nimmt zu. Das deutsche Trauma lebt.


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