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19.06.10 / Freundlich, pflichtbewusst und genial / Vor 100 Jahren kam Konrad Zuse zur Welt – Der Sohn eines preußischen Postbeamten erfand den Computer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-10 vom 19. Juni 2010

Freundlich, pflichtbewusst und genial
Vor 100 Jahren kam Konrad Zuse zur Welt – Der Sohn eines preußischen Postbeamten erfand den Computer

„Ich war zu faul zum Rechnen“, pflegte Konrad Zuse oft humorvoll zu sagen – und erfand die erste programmgesteuerte Rechenanlage der Welt und damit den ersten Computer. Die Grundlagen zur automatischen Steuerung seiner Maschinen schuf Zuse gleich mit. Sein Plankalkül nahm alle Grundsätze der heutigen höheren Programmiersprachen voraus.

Konrad Zuse wurde am 22. Juni 1910 in Wilmersdorf bei Berlin als Sohn eines Postbeamten geboren und lebte ab 1949 bis zu seinem Tode am 18. Dezember 1995 in Hünfeld zwischen Fulda und Bad Hersfeld. Seine ersten beiden Lebensjahre verlebte er in seiner Geburtsstadt, dann zog er mit seiner Familie ins ostpreußische Braunsberg. Als er 15 Jahr alt war, wurde sein Vater als Beamter nach Hoyerswerda in der Oberlausitz zur Leitung des dortigen Postamtes versetzt. Dort legte Sohn Konrad 1928 sein Abitur ab. Er war sehr vielseitig begabt, vor allem zeichnete er gern und gut. Doch war eine zunächst angestrebte Tätigkeit als Werbegraphiker in der Wirtschaftskrise um 1930 wenig aussichtsreich.

Sein großes Interesse an technischen Entwicklungen und entsprechende elterliche Unterstützung führten ihn zunächst zum Studium des Maschinenbaus an die Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg. Es folgten einige Semester Architektur, bevor er endgültig zum Bauingenieurwesen wechselte. Als Student in diesem Fach unternahm Zuse 1934 erste Versuche zur Erleichterung technischer Berechnungen und zu seinen Konzepten für den Bau einer programmgesteuerten Rechenmaschine.

Anschließend arbeitete er als Statiker bei den Henschel-Flugzeugwerken, verfolgte aber gleichzeitig seine Vision einer vollautomatischen Rechenanlage. Bei bewunderungswürdiger Unterstützung durch seine Eltern, Verwandten und Freunde schuf er 1938 die legendäre, rein mechanische Rechenanlage Z1 und über einige Zwischenstufen 1941 den ersten funktionsfähigen Rechner, den „Ur-Computer“ Z3. Dieser wurde 1941 einem kleinen Kreis von Fachleuten erstmalig vorgeführt.

Zuses Leistungen als Erfinder sind so außergewöhnlich, weil er nicht etwa schon existierende Rechenmaschinen weiterentwickelte, sondern grundsätzlich ganz neu begann. Erstens benutzte er von Anbeginn das duale beziehungsweise binäre Zahlensystem, das dem dyadischen System nach Gottfried Wilhelm Leibniz entspricht, das er bereits kannte, und den Aussagenkalkül, der ebenfalls mit dem Zweiersystem auskommt, ihm allerdings noch unbekannt war.

Zweitens schuf er gleich zu Beginn seiner Arbeiten die halblogarithmischen Zahlen, mit denen auch rationale Zahlen, also Zahlen mit Stellen hinter dem Komma, dargestellt und verarbeitet werden können. Allgemeingültig sagen wir dazu heute Gleitkomma-Darstellung. Mit ihr kann man die Größenordnung und die Genauigkeit der Zahlenrechnung besonders vorteilhaft den jeweiligen Aufgabenstellungen anpassen.

Zuse verfolgte drittens in seinen automatisch ablaufenden Rechenoperationen konsequent den Gedanken, dass es in Programmen keine Gleichungen gibt, sondern nur Zuweisungen. Das heißt, aus anfangs vorgegebenen Zahlen ergeben sich neue Werte, zum Beispiel: aus 3 plus 4 ergibt sich 7, wobei die 7 als Zwischenergebnis wiederum Ausgangsgröße für nachfolgende Berechnungen sein kann und so weiter. Wer heutzutage mit Computern arbeitet, weiß das (hoffentlich). Vor 75 Jahren war das aber niemandem bewusst.

Von Zuse stammen darüber hinaus viele weitere grundlegende Neuerungen, auch außerhalb der Rechentechnik. Nicht alle, aber immer noch weit über 100, hat er zum Patent angemeldet. Sehr erfolgreich war darunter sein programmgesteuerter Zeichentisch „Graphomat“.

Ausgehend von seiner Schaltungslogik entwickelte Zuse bereits ab 1935 eine „Allgemeine Theorie des Rechnens“. Sie war die Basis seines von ihm so genannten Plankalküls, schriftlich niedergelegt 1945 nach dem Krieg. Der Plankalkül ist inzwischen international anerkannt als erste universell einsetzbare algorithmische Sprache und gilt als Vorgänger der heutigen „Formalen Sprachen“ und höheren Programmiersprachen.

Zuses unternehmerische Tätigkeit begann schon Ende 1941 mit der Gründung der „Zuse Ingenieurbüro und Apparatebau, Berlin“. Nach Kriegsende und Umsiedlung mit seiner Maschine Z4 ins Allgäu begann er zunächst mit dem „Zuse-Ingenieurbüro Hopferau“ und gründete dann die „Zuse KG“ mit Sitz zunächst in Neukirchen und dann wenige Kilometer weiter nördlich in Bad Hersfeld. Dieses Unternehmen war sehr erfolgreich, nach 15 Jahren hatte es über 1100 Mitarbeiter. Trotz voller Auftragsbücher erlitt die Zuse KG aber ein ähnliches Schicksal wie viele andere Unternehmen, deren Produkte ihrer Zeit zu weit voraus sind. Zuse sagte selbst, dass ihm das Unternehmerische seiner Arbeit nicht besonders lag. Im Mittelpunkt seiner Gedanken war immer die technisch-konstruktive Facette.

Als er um 1967 aus seiner Zuse KG ausschied und sich ganz seiner wissenschaftlichen Tätigkeit zuwandte, hatte er auch wieder mehr Zeit, sich seiner weiteren Leidenschaft zu widmen, der Malerei. Als Künstler reizten ihn Motive, die das Spiel der Kräfte, der Linien und der Formen sichtbar machten. Anders jedoch als in seinen Geräten kann er in seinen Bildern mit gekonntem schnellem Pinselstrich schwungvoll freien Lauf lassen. Seine Öl- und Pastellbilder sind meistens wunderbar farbig. Sie haben Bauwerke zum Gegenstand, aber auch Landschaften und frei erdachte Szenen. Und seine Portraits zeigen, dass er wirklich malen konnte. Vielleicht wäre dem Autodidakten Konrad Zuse mit seiner Kunst ein ähnlicher Höhenflug beschieden gewesen wie als Erfinder, wenn er diesen Bereich zu seinen Hauptberuf erwählt hätte, was er ja eigentlich vorhatte. Denn, wie er selbst einmal sagte, Informatik hatte er schließlich auch nicht studiert.

Man kann heute getrost von hundert Jahren Konrad Zuse sprechen; denn in den 15 Jahren nach seinem Ableben ist weltweit erst so richtig deutlich geworden, wie unwidersprochen er überall anerkannt wird. Er war diszipliniert, freundlich, aber auch anspruchsvoll. In seinen Jahren als Firmenchef haben seine Mitarbeiter ihn ausnahmslos verehrt. Seine Eltern waren ihm Vorbilder, nicht nur weil sie ihn immer unterstützten, sondern auch in ihrer bescheidenen, pflichtbewussten Lebensart. In seinen Lebenserinnerungen hat er mit einigem Stolz darauf hingewiesen, Zitat: „Mein Vater war Preuße, preußischer Beamter im besten Sinne. Bis zu seinem 40-jährigen Dienstjubiläum hat er nicht einen Tag wegen Krankheit gefehlt“. Auch er war offensichtlich aus gleichem Holze. Er wurde im Alter natürlich langsamer und eine etwas fehlgegangene Operation in den letzten Lebensjahren hat ihn belastet. Aber wegen Krankheit gefehlt hat er eigentlich nie.            Hermann Flessner

 

Der Autor dieses Beitrags ist Mitgründer und bis heute Vorstandsmitglied der Konrad-Zuse-Gesellschaft sowie Träger der Konrad-Zuse-Medaille und einer der Autoren der Biographie „Konrad Zuse – Der Vater des Computers“.

 

Sonderbriefmarke und Gedenkmünze für Zuse

Das Bundesministerium der Finanzen würdigt den 100. Geburtstag von Konrad Zuse mit der Herausgabe eines Sonderpostwertzeichens und einer Zehn-Euro-Gedenkmünze. Das Motiv der Briefmarke, die einen Wert von 55 Cent hat, entwarfen Stefan Klein und Olaf Neumann aus Iserlohn. Der Entwurf der Münze stammt von Heinz Hoyer aus Berlin. Im Mittelpunkt der Bildseite steht ein Quadrat mit der zukunftsweisenden binären Rechnersprache, teilweise überlagert durch ein stilisiertes Profil Zuses. Diese Kombination soll, in Verbindung mit dem im oberen Teil dargestellten Lochstreifen sowie den seitlich abgebildeten Bezeichnungen der von Zuse gebauten Apparate Z1 bis Z64, seiner bis in die heutige Zeit reichenden Bedeutung in überzeugender Weise gerecht werden. Die Wertseite zeigt einen Adler, den Schriftzug „BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND“, die zwölf Europa-Sterne, die Wertziffer mit der Euro-Bezeichnung sowie die Jahreszahl 2010 und das Münzzeichen „G“ (Staatliche Münzen Baden-Württemberg, Prägestätte Karlsruhe). Der glatte Münzrand enthält in vertiefter Prägung die Inschrift: „KONRAD ZUSE – VISIONÄR ZWISCHEN NULL UND EINS“. Die Gedenkmünze besteht – wie die bisherigen deutschen Zehn-Euro-Gedenkmünzen – aus 18 Gramm „Sterlingsilber“ (925er Silber).

Seit dem 10. Juni ist die Briefmarke in den Filialen der Deutschen Post erhältlich. Die Zehn-Euro-Gedenkmünze kann vom gleichen Tag an bei den Banken und Sparkassen sowie den Filialen der Deutschen Bundesbank erworben werden.         PAZ

Foto: Konrad Zuse (l.) und Hermann Flessner (r.): Am Tage der Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Hoyerswerda an Zuse im Sommer 1995


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