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19.06.10 / Luthers Beichtvater und Grabredner / Vor 525 Jahren wurde im pommerschen Wollin der Reformator Johannes Bugenhagen geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-10 vom 19. Juni 2010

Luthers Beichtvater und Grabredner
Vor 525 Jahren wurde im pommerschen Wollin der Reformator Johannes Bugenhagen geboren

Als Reformator entwickelte der Pfarrer an der Stadtkirche Wittenberg, Lehrer an der Universität Wittenberg und Generalsuperintendent des sächsischen Kurkreises neue Kirchenordnungen für große Teile Norddeutschlands, Dänemark und Norwegen. Damit hat der Freund und Weggefährte Martin Luthers eine nachhaltige Bedeutung für die sich herausbildende Evangelische Kirche erlangt.

Von dem „Pomeranus“ redete Luther ironisch-sarkastisch gerne dann, wenn er sich über seinen Freund und Beichtvater, den Wittenberger Stadtpfarrer Johannes Bugenhagen, geärgert hatte. Besonders dessen in seinen Augen viel zu lange Predigten kritisierte er zuweilen heftig und meinte, der „Priester“ habe an diesem Sonntag seine Predigthörer „außerordentlich geopfert“. Da Predigten von einer Stunde Länge bei den Reformatoren als normal galten, muss Bugenhagen wohl schier endlos gepredigt haben.

Seine Kindheit, Jugend und Schulzeit verbrachte der vor 525 Jahren, am 24. Juni 1845, geborene Bugenhagen auf der Insel Wollin vor dem Stettiner Haff, daher sein Spitzname „Pomeranus“. Dort wirkte sein Vater Gerhard als Ratsherr und vielleicht auch als Bürgermeister. Durch sein Elternhaus lernte er schon als Kind die Mechanismen der kleinstädtischen Machtpolitik kennen, was ihm später bei der Einführung der reformatorischen Kirchenordnungen in Lübeck, Hamburg, Bremen oder Braunschweig zugute kam. Diese Verträge regelten nach Einführung der Reformation die wichtigsten religiösen und sozialen Belange eines Gemeinwesens, wie das Schulwesen, die Armenfürsorge, den Unterhalt der Pastoren, die Durchführung von Gottesdiensten oder Hochzeiten. Die Kirchenordnungen, darunter auch die pommersche, gelten als das wichtigste Werk des engen Weggefährten Martin Luthers.

Das Elternhaus Bugenhagens pflegte intensive Beziehungen zum Zisterzienserkloster in Wollin, das von einer Schwester des Pommernherzogs Bogislaw X. geleitet wurde. Der Fürst hatte in den Wirren der Reformationszeit seit 1517 eine nach innen flexible Religionspolitik vollzogen. Evangelische Prediger wurden zugelassen, solange ihre Predigten nicht zum Aufruhr führten. Dieser Politik musste sich der damalige Bischof Erasmus von Manteuffel fügen, und Bogislaws Söhne, Georg und Barnim, setzten diese Linie nach dem Tod ihres Vaters fort. Dabei musste auch Rück­sicht auf die Reichspolitik genommen werden, denn Pommern war bis 1530 Reichslehen. Der katholische Kaiser Karl V. hatte über die Vergabe zu entscheiden.

Die Reformation wurde daher in Pommern zunächst stillschweigend toleriert. Die reformatorische Bewegung, die sich vor allem in evangelischer Predigt, der deutschen Messe und dem Abendmahl in beiderlei Gestalt manifestierte, zog noch keine organisatorischen Konsequenzen oder schwere Zerwürfnisse nach sich. Bilderstürme, Zerstörung von Klosteranlagen, gewaltsame Vertreibung der Mönche und Nonnen oder bürgerkriegsähnliche Zustände, wie in anderen Teilen Norddeutschlands, blieben aus. Die staatliche Einheit und eine einheitliche Regierung konnten erhalten werden.

Dies änderte sich, als die pommerschen Städte durch die reformatorische Bewegung eine gute Gelegenheit gekommen sahen, ihre durch die Herrschaft Bogislaws eingeschränkte Selbständigkeit zurückzugewinnen. Durch den neuzeitlichen Humanismus, der demokratische Regungen unter den Bürgern stärkte, sahen sich die Ratsherren und Kaufleute der Städte aufgerufen, gegen angebliche Misswirtschaft aufzubegehren und nach einer partiellen Neuverteilung der Macht zu rufen.

So entschlossen sich die pommerschen Herzöge unter dem Druck der reformistischen Kräfte schließlich im Sommer 1534 dazu, die Reformation auch in ihrem Lande durchzuführen. Dabei wollten sie sogar den katholischen Bischof von Manteuffel mit in die Neuordnung der Kirchenverhältnisse integrieren, um möglichst wenig Unruhe bei der Neugestaltung zu erzeugen. So riefen sie am 13. Dezember 1534 einen „Landtag“ in Treptow ein, wozu der katholische Bischof von Cammin, die Stiftsstände, der Adel, die Städte, die evangelischen Vertreter der Städte Stralsund (Christian Ketelhot), Stettin (Paul vom Rode), Greifswald (Johannes Knipstro), Stargard (Hermann Riecke) und Stolp (Jacob Hogensee) sowie Johannes Bugenhagen geladen waren. Eine Übereinkunft konnte nicht erzielt werden.

Man ersuchte nun Johannes Bugenhagen, für Pommern eine Kirchenordnung zu verfassen. Dies gestaltete sich aufgrund des erfolglosen Landtages schwierig. So konnte er nur eine Kirchenordnung ausarbeiten, die den absoluten Notwendigkeiten Rechnung trug und als Grundlage der zu schaffenden reformatorischen Landeskirche in Pommern dienen sollte. Schon Anfang Januar 1535 war die pommersche Kirchenordnung unter Berücksichtigung der Landesvorlagen dann in ihrer endgültigen Form ausgearbeitet. Sie ging alsbald nach Wittenberg zum Druck und erschien noch im selben Jahr. Die Kirchenordnung selbst ist daher im Verhältnis zu den Ordnungen der Städte relativ kurz und enthält auch nicht die predigtartigen theologischen Begründungen der Stadtordnungen. In ihr werden die Themen des Predigtamtes, der „Gemeine Kasten“ (Armenfürsorge) und die Zeremonien angesprochen.

Die pommersche Kirchenordnung versucht der Verkündigung des Evangeliums als Gotteswort Raum zu geben und ein Gott gemäßes Leben in der Gemeinde zu sichern. Unter diesem Aspekt fließen auch Ausführungen zum Schulwesen ein, doch werden anders als in der Wittenberger Ordnung Bugenhagens Mädchenschulen nicht erwähnt.

Die Empfehlungen Bugenhagens haben die Zeiten überdauert und sind bis heute in der Pommerschen Landeskirche lebendig geblieben. Was der Reformator allerdings dazu sagen würde, dass seine Nachfahren die Auflösung eben dieser Landeskirche im Jahr 2012 planen, wäre interessant zu erfahren. Dann nämlich sollen die drei evangelisch-lutherischen Landeskirchen in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern zur „Nordkirche“ fusionieren.         Hinrich E. Bues

Foto: Johannes Bugenhagen: Porträtiert von Lucas Cranach dem Älteren (1472–1553)


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