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19.06.10 / Polens Exilregierung war es / Avi Primor über deutsch-jüdische Vorurteile − Detail zur Entschädigung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-10 vom 19. Juni 2010

Polens Exilregierung war es
Avi Primor über deutsch-jüdische Vorurteile − Detail zur Entschädigung

Eigentlich war Avi Primor schon „durch“ mit Deutschland und den Deutschen, bevor er sie persönlich kennengerlent hat. Die Geschichten über den Holocaust genügten dem 1935 in Tel Aviv Geborenen, um alles, was mit Deutschland zu tun hatte, leidenschaftlich abzulehnen. Und wäre da nicht Claus von Amsberg, der später Königin Beatrix der Niederlande heiratete, gewesen, dann wäre das wohl auch so geblieben. Doch der für die deutsche Botschaft in Elfenbeinküste tätige von Amsberg suchte so hartnäckig das Gespräch mit dem israelischen Botschaftssekretär Primor, dass dieser sich schließlich auf ihn einließ. Am Ende lebte Primor selbst in Deutschland und schickte sogar seinen jüngsten Sohn auf eine deutsche Schule.

Von 1993 bis 1999 war Primor israelischer Botschafter und über seine Erfahrungen mit den Deutschen hat er schon mehrfach geschrieben. In „An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld – Deutsch-jüdische Missverständnisse“ beantwortet er nun die Fragen der Journalistin Christiane Korff. Zwölf antisemitiescher Vorurteile nehmen sich die beiden an, indem von Korff erst das jeweilige Vorurteil und seine Geschichte schildert und Primor dann in Interviewform seine Sicht und Erfahrungen hierzu darstellt.

„Sieben Milliarden Menschen werden von zwölf Millionen Juden beherrscht“, „Alle Juden sind reich wie Rockefeller“, „Die Juden haben Jesus ermordet“ und „Lenin und Stalin müssen Juden gewesen sein“ lauten einige der Stereotypen, die Avi Primor hier hinsichtlich ihres Ursprunges und ihres „Wahrheitsgehaltes“ interessant beleuchtet.

„Leiden Juden heute unter einem öffentlich spürbaren Antisemitismus?“, fragt beispielsweise von Korff. „Nein. Außer vielleicht in manchen islamischen Staaten wie dem Iran … Allerdings weiß ich nicht, wie es diesbezüglich in Osteuropa aussieht. Ob zum Beispiel in Polen, einem Land mit langer antisemitischer Tradition, bis heute mehr Vorurteile bestehen geblieben sind als anderswo, kann ich nicht einschätzen.“ Später erläutert er dann noch, wie Antisemitismus politisch als Totschlagargument missbraucht wird.

Zum Nahostkonflikt sagt Primor: „Ich halte die Abriegelung des Gazastreifens für falsch. Der durchschnittliche Israeli interessiert sich jedoch nicht für das Leben und Leiden der Palästinenser, weder im Gazastreifen noch im Westjordanland. Ihn interessiert seine eigene Sicherheit, die durch die täglichen Raketenangriffe der Hamas bedroht wird.“

Auch wird mit dem Vorurteil aufgeräumt, dass die Entschädigungszahlungen Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg eine jüdische Idee gewesen seien. „Die erste Körperschaft, die erklärte, sie würde Deutschland nach dem Krieg auf Reparationen und Rück-erstattung von Besitz verklagen, war die polnische Exilregierung in London, und das bereits im Jahr 1940.“ Auch hätten die Juden gar nicht so viele Milliarden von Deutschland bekommen. Der größte Teil der Entschädigungszahlungen, nämlich gut 90 Prozent, sei an Opfer in Deutschland und nicht im Ausland gegangen, wie von Korff stark vereinfacht vorrechnet.

Interessant ist auch, dass der Staat Israel erheblichen Druck auf die Bundesregierung ausgeübt hat, als diese ab 1990 (zunächst auf Initiative der untergehenden DDR) daran ging, in großem Stil Juden aus Osteuropa aufzunehmen. Juden gehörten nach Israel und nicht nach Deutschland, so der Einwand.

Letztendlich lebt das vorliegende Buch von Primors geistreichen Antworten. Sie machen die Lektüre zu einer horizonterweiternden Leseerfahrung.      Rebecca Bellano

Avi Primor, Christiane von Korff: „An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld – Deutsch-jüdische Missverständnisse“, Piper, München 2010, gebunden, 307 Seiten, 19,95 Euro


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