29.03.2024

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26.06.10 / Kommunistinnen im Zug

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-10 vom 26. Juni 2010

Kommunistinnen im Zug
von Harald Fourier

Im ICE von Hamburg nach Berlin: An meinem Tisch nehmen drei ältere Damen Platz. Als sie ihren Imbiss und ihre Zeitungen herausholen, wird schnell klar: Das ist kein normales Kaffeekränzchen. Alle drei sind Abonnenten der „Jungen Welt“, des früheren Mitteilungsblatt der SED-Jugendorganisation FDJ. „Das ist die einzige Zeitung, die ich noch lesen kann“, betonte die etwa 60-jährige Wortführerin.

Es handelt sich bei dem illustren Damenzirkel um typische DKP-Sektierer, die früher politisch chancenlos waren und jetzt mit der Linkspartei überall in westdeutsche Parlamente gespült werden. Die Wortführerin schimpft, sie sei früher Opfer eines Berufsverbots gewesen. Die Gesprächsthemen der drei drehen sich um „den Sexismus-Antrag“ oder die „Antifa-Gruppe“. Gegenseitig bestätigen sie sich ihre kommunistische Weltanschauung: Ausländer müssen das volle Wahlrecht erhalten, Krankenhäuser seien zu verstaatlichen und Steuern zu erhöhen. Die ganze Litanei linker Propaganda. Besonders schön die These:    Bürger in der DDR waren umweltbewusster als in der „kapitalistischen BRD“. Außerdem sind alle drei empört, dass Arbeitslose nach drei Jahren in Jobs vermittelt würden, die ihnen nicht zu 100 Prozent zusagen, und dass in Polen jetzt das Zeigen von Hammer und Sichel verboten sei.

Als ein junger Polizist vorbeikommt, schimpfen sie über den Polizeistaat. „Das sind bestimmt alles Rechte“, warnt die Älteste. Der Höhepunkt des Gesprächs folgt aber, als wir Berlin erreichen und der Lokführer eine  Fußball-Durchsage macht: „Ich kann Ihnen das Ergebnis der Partie USA–Slowenien  bekannt geben. Das Spiel endete 2:2.“

Die Frauen schauen irritiert. Mit Fußballergebnissen im Zug haben sie nicht gerechnet. „Hat heute nicht auch Deutschland gespielt?“, fragt die eine. Die andere „Ja, Serbien hat 1:0 gewonnen.“ Daraufhin meint die dritte, die älteste der drei: „Das hat mich gefreut für die Serben. Die haben doch so stark unter dem Faschismus zu leiden gehabt.“ Die anderen beiden Frauen nicken. Der Zug hält auf dem Bahnhof.

Endlich.

Noch auf dem Weg nach Hause beginne ich zu recherchieren, mit wem ich da wohl am Tisch gesessen habe. Es war nicht schwer herauszufinden: Bei der Wortführerin handelt es sich um Anita Friedetzky, die Vizechefin der Linken im Bezirksparlament von Hamburg-Altona. Die anderen beiden waren Genossinnen. Friedetzky ist Gesamtschullehrerin für Russisch und Politik. Zum ersten Mal ist mir klar, für wen der Radikalenerlass von 1972 gedacht war.


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