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26.06.10 / Rohstoffe für das 21. Jahrhundert / Afghanistans enorme Bodenschätze sind bisher kaum nutzbar, dennoch spielen sie geopolitisch eine Rolle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-10 vom 26. Juni 2010

Rohstoffe für das 21. Jahrhundert
Afghanistans enorme Bodenschätze sind bisher kaum nutzbar, dennoch spielen sie geopolitisch eine Rolle

Seit Jahrhunderten gilt das Land am Hindukusch als bitterarm. Auf der Liste des Weltwährungsfonds (IWF) belegt Afghanistan Platz 163 von 181. Neben einigen fruchtbaren Regionen, in denen in großem Stil Rohopium angebaut wird, scheint es keine Wohlstandsquellen zu geben. Nun wurde wieder an die riesigen Rohstoffvorkommen des Landes erinnert.

Nach einem Bericht der „New York Times“ förderten geologische Untersuchungen mit neuester Technik zu Tage, dass die Afghanen auf ungeheuren Bodenschätzen sitzen. Unter den gelbbraunen Hänge und weiten Ebenen verbergen sich offenbar große Mengen an Gold, Erzen, Kohle, Öl und Erdgas, außerdem große Lagerstätten des für die Herstellung von Batterien (aber auch der Wasserstoffbombe) wichtigen Lithium. So neu sind allerdings diese Informationen nicht und man muss sich fragen, warum sie gerade jetzt von den USA lanciert wurden. Bereits in den 70er Jahren sprach man von großen Bodenschätzen am Hindukusch, und in den Jahren 1996 und 2001 tauchten diese Meldungen wieder auf.

In einem etwas anderen  Licht erscheinen nun auch die Bemerkungen, die zum Rücktritt Horst Köhlers als Bundespräsident führten. Köhler hatte auf dem Rück-flug von einem Kurzbesuch bei den deutschen Truppen in Afghanistan von wirtschaftlichen Interessen Deutschlands im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen gesprochen. Besonders die Grünen empörte sich über diese Bemerkung, weil deren Zustimmung zum Afghanistan-Einsatz ab Ende 2001 in einem nun fatalen Licht erscheinen musste.

Köhler hatte zunächst seine Bemerkungen abschwächen lassen und die Verteidigung der Seewege am Horn von Afrika als Gegenstand der deutschen Wirtschaftsinteressen genannt. Nun aber gewinnt die Version wieder an Wahrscheinlichkeit, dass dem Bundespräsidenten eben doch etwas „herausgerutscht“ sei, was er lieber für sich behalten hätte. Denn dass Köhler als ehemaliger Präsident des IWF nichts von diesen schon lange bekannten Reichtümern gewusst haben soll, erscheint unwahrscheinlich. Auch bei der damaligen Bundesregierung Schröder/Fischer, die Deutschland erst in diesen Einsatz führte, kann man diese Information wohl voraussetzen.

Die US-Regierung äußert sich über die Bodenschätze bislang in diplomatischen Wendungen. Diese würden die Bemühung fördern, einen stabilen Staat aufzubauen. „Eine effektive afghanische Regierung benötigt Ressourcen, um sich selbst tragen und seinem Volk wirksame Leistungen bieten zu können“, sagte der US-Außenamtssprecher Philip Crowley. Die Erkenntnis, dass in dem kriegsgebeutelten Land Bodenschätze im Wert von fast einer Billion Dollar unter der Erde ruhen, sei daher eine „willkommene Entwicklung“.

Man muss indessen weder Berlin noch Washington direkte Eigeninteressen an den Reichtümern in Zentralasien unterstellen. Das erkennbare Interesse der De-facto-Atommacht Pakistan an seinem nördlichen Nachbarland kann mit den Rohstoffen ebenfalls zu tun haben, und es ist legitim, wenn die internationale Gemeinschaft solche Ambitionen einzudämmen versucht.

Allerdings: Der erste, der sich kürzlich einen Anteil an den Bodenschätzen gesichert hat, ist die Volksrepublik China. Die Chinesen kauften die Abbau-Rechte für die riesigen Öl- und Gasvorkommen im Norden des Landes, in der Gegend von Masar-i-Sharif, wo die Bundeswehr aktiv ist. Über eine bestehende Fernstraße kann China zumindest das geförderte Öl dann relativ leicht abtransportieren. Auf den Coup der Chinesen fällt allerdings ein Schatten: Sie sollen rund 30 Millionen Euro Bestechungsgelder an Clan-Chefs und Warlords gezahlt haben, um die Lizenzen kaufen zu können. Diese Nachricht würde einen Bericht von „Transparency International“ bestätigen, wonach Afghanistan das zweitkorrupteste Land der Welt ist.

Bis das wertvolle Lithium und die anderen Metallvorkommen tatsächlich zu Geld gemacht werden könnten, wird allerdings noch viel Wasser den Kundus-Fluss hinunter fließen. Stephanie Sanok vom Zentrum für Strategische und Internationale Studien in Washington weist auf Schwierigkeiten des Abbaus der Rohstoffvorkommen hin: „Jeder hat davon gewusst“, sagt sie über die Bodenschätze, „aber da ist kein Rankommen“. Es mangelt schon an der einfachsten Infrastruktur wie Stromversorgung und Bahnstrecken. Zudem liegen viele Vorkommen in oder um Hochburgen der Taliban, bei Kandahar etwa und an der Straße nach Kabul, was zu Kämpfen um Lagerstätten, Förderanlagen und Zugangswege führen könnte.

Genau dies beschreibt der Leiter der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, als zentrales Problem des Abbaus von Rohstoffen: „Nachhaltige Rohstoffausbeutung braucht wie die Entwicklung der Gesellschaft auch Frieden und Stabilität.“ Andererseits könnten ausländische Investitionen helfen, den Konflikt zu beenden. „Wenn die Bevölkerung merkt, dass ein Teil der Gelder zurückfließt, kann das dazu beitragen, dass das Land stabilisiert wird“, sagte der Experte. Das aber ist angesichts der weit verbreiteten Korruption und tief verwurzelter Stammeskonflikte und Clan-Kämpfe in Frage gestellt.

Hinzu kommen noch die eigentlichen Schwierigkeiten des Abbaus der Bodenschätze. Hier sind ein hohes technisches Wissen und große Investitionen erforderlich. Beide Ressourcen werden unter den jetzigen Bedingungen kaum fließen. Mit den nun in der breiten Öffentlichkeit bekannt gewordenen Vorkommen lebt jedenfalls die jahrzehntealte Debatte über die Kriegsbeute wieder auf. Bereits der damaligen Sowjetunion wurde vorgeworfen, dass sie es bei ihrer Invasion Ende 1979 auch auf die Bodenschätze des Landes abgesehen hätte. Gleiches sagt man heute den Amerikanern und den von Pakistan maßgeblich gesteuerten Taliban nach. Tatsache ist: Die Kämpfer sind gerade dort besonders aktiv, wo viele Bodenschätze vermutet werden. Hinrich E. Bues


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