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26.06.10 / Zweimal Völkermord und retour / Der Westen sieht Ruandas Präsident vieles nach – er will Stabilität um fast jeden Preis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-10 vom 26. Juni 2010

Zweimal Völkermord und retour
Der Westen sieht Ruandas Präsident vieles nach – er will Stabilität um fast jeden Preis

Zum ersten Mal in der Geschichte der Demokratie wird in Afrika ein Parlament gebildet, in dem Frauen den Ton angeben. Ihre Quote steigt nach der Wahl in Ruanda vom Juni auf rund 55 Prozent. Mit der Frauenmacht im Rücken wird nun der 53-jährige Präsident Paul Kagame mit seiner Partei „Ruandische Patriotische Front“ (RPF) weitere sieben Jahre die Geschicke des Landes bestimmen, das von 1884 bis 1919 deutsche Kolonie war, später unter das Mandat Belgiens gestellt wurde und 1962 seine Unabhängigkeit erhielt. Mit seinen rund neun Millionen Einwohnern (314 pro Quadratkilometer) ist Ruanda das am dichtesten besiedelte Land Afrikas.

Ohne Zweifel hat Kagame das nach dem Gemetzel zwischen Hutu und Tutsi 1994 zerrissene Land stabilisiert und wirtschaftlich gefestigt. Seine ehemalige Rebellenbewegung RPF mausert sich somit endgültig zu einem staatstragenden Instrument, nachdem sie den Genozid zumindest mit ausgelöst hatte, bei dem die Vereinten Nationen eine klägliche Rolle spielten und den hunderttausendfachen Mord an Frauen und Kindern vor allem des Stammes der Tutsi trotz Anwesenheit von Blauhelmen tatenlos und ohne jegliche humanitäre Intervention duldeten. Lediglich Frankreich richtete mit der „opération turquoise“ eine sichere humanitäre Zone ein. Spätere Spannungen zwischen Paris und der ruandischen Hauptstadt Kigali wurden 2009 mit der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen beseitigt.

Der fast bespiellose Massenmord an den Tutsi war durch den damaligen Hutu-Präsidenten Juvénal Habyarimana von langer Hand vorbereitet und über Rundfunk und Presse gesteuert worden. Als der Präsident einem Flugzeugattentat zum Opfer fiel, brach die anarchische Gewaltwelle los. Dem auch heute noch umstrittenen und autoritär regierenden Kagame, einem engen Verbündeten der USA, wird an dieser Aktion mit Boden-Luft-Raketen auf dem Flughafen der Hauptstadt Kigali eine Mittäterschaft zugeschrieben, weswegen ihm in Frankreich auf Gerichtsbeschluss des Obersten Gerichtshofes ein Haftbefehl drohte. Seine Protokollchefin Rose Kabuye wurde bereits 2008 am Flughafen Frankfurt festgenommen. Inzwischen hat Frankreichs Präsident Nikolas Sarkozy versucht, die Beziehungen zu verbessern. Er ist an Holz und mineralischen Bodenschätzen im benachbarten Kongo interessiert, für deren Gewinnung stabile Verhältnisse in der Region erforderlich sind. Denn Kagame wird auch zur Last gelegt, dass er im sogenannten zweiten Kongokrieg die massive Plünderung der Bodenschätze Ostkongos geplant haben soll. Der kenianische Ökonom James Shikwati wirft dem Führer von Ruanda sogar vor, Millionen von Menschen aus dem Kongo auf dem Gewissen zu haben. Seit Ausbruch des zweiten Kongokrieges 1998 fielen bereits 5,4 Millionen Menschen den Auseinandersetzungen zum Opfer, mehr, als jeder andere Konflikt nach dem Zweiten Weltkrieg gefordert hat. Trotz eines Waffenstillstandes im sogenannten Kivukrieg bricht dieser Konflikt immer wieder auf und auch hier hat Kagame seine Finger im Spiel, indem er die Aufständischen unterstützt.

Von der Jahrtausendwende an hat sich die Reputation Ruandas verbessert. Die Wirtschaft des Landes wächst seit 2001 um jährlich acht Prozent, die Korruption ist nach afrikanischen Maßstäben gering, die Kindersterblichkeit sinkt, ebenso die Quote der Malaria-Infektionen. Gleichwohl leben immer noch 60 Prozent unterhalb der Armutsgrenze. Der Business-Report der Weltbank bescheinigte dem ostafrikanischen Staat sogar, dass er weltweit mit Reformen an der Spitze liegt, und die Vereinten Nationen erkoren das Land wegen seiner „internationalen Vorbildwirkung in Umweltfragen“ zum Gastgeberland für den Weltumwelttag 2010, der Anfang Juni Vertreter von 150 Nationen in Kigali versammelte.

Die große Popularität des Präsidenten beruht nicht zuletzt auf der Tatsache, dass seine Partei die meisten Medien beherrscht und propagandistisch nutzt. Unter solchen Umständen scheint manchen Beobachtern Autokratie in Afrika tolerierbar, solange sie wie in Ruanda für Stabilität sorgt und nicht in einen Polizeistaat oder offene Gewalt mündet. Joachim Feyerabend


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