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26.06.10 / Dreisten Übergriff vorerst abgewehrt / Merkel hat Frankreichs Hoffnungen auf noch mehr deutsches Geld in einem Schwall warmer Worte ersäuft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-10 vom 26. Juni 2010

Dreisten Übergriff vorerst abgewehrt
Merkel hat Frankreichs Hoffnungen auf noch mehr deutsches Geld in einem Schwall warmer Worte ersäuft

Auch Angela Merkel redet jetzt viel von einer europäischen „Wirtschaftsregierung“, einem Lieblingsprojekt des französischen Präsidenten Sarkozy. Der hat sich allerdings nur rein verbal durchgesetzt. Faktisch hat die Kanzlerin das mehr als fragwürdige Projekt nun weitgehend gestoppt.

Für Patrick Sensburg tut sich etwas. Der 39-jährige Abgeordnete ist Vorsitzender des Unterausschusses Europarecht des Rechtsausschusses im Bundestag. Der CDU-Politiker beschäftigt sich mit der Frage, wie der Bundestag in Zukunft seine neuen Einflussmöglichkeiten auf EU-Richtlinien wahrnehmen wolle. Der am 1. Dezember 2009 in Kraft getretene Lissabon-Vertrag macht dies vor allem dank der Beschlüsse der Karlsruher Verfassungsrichter möglich. Bundestag und Bundesrat erhalten nun seit einigen Monaten die Entwürfe aus Brüssel und haben acht Wochen Zeit, eine juristische Prüfung vorzunehmen und auch eine politische Einschätzung abzugeben. Sind die Abgeordneten der Meinung, dass die jeweilige Thematik in die Zuständigkeit der nationalen Parlamente fällt, können sie Brüssel rügen. Erhält die EU aus mehreren Hauptstädten der 27 EU-Mitgliedsstaaten eine solche Rüge, muss sie sich damit auseinandersetzen.

Die neue Regelung verspricht ein Mehr an Demokratie, denn die nationalen Volksvertreter sind gewählt, die Angehörigen der EU-Verwaltung hingegen ernannt. Die meisten dieser Entscheidungen werden aber auch trotz dieser Neureglung des Lissabon-Vertrages weiterhin nur von den EU-Kommissaren und den im Rat der Europäischen Union vertretenen Regierungsvertretern der Mitgliedsstaaten getroffen. Und es könnten sogar wieder mehr Bestimmungen werden, bei denen am Volk vorbei EU-Institutionen über wichtige Themen wie nationale Haushaltspläne, EU-weiter Wettbewerb, einheitliche Strukturreformen und Steuern sowie Sozialausgaben entscheiden. Sollte es gar zu der Schaffung der nun so intensiv diskutierten „Wirtschaftsregierung“ kommen, dann droht noch mehr Einflussnahme Brüssels auf die Belange der nationalen Parlamente und Regierungen.

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy ist schon seit Jahren von der Idee einer solchen europäischen Wirtschaftsregierung begeistert und die Krise des Euro hat zumindest dieses seiner Lieblingsthemen (wieder) in die Debatte gebracht. Auch der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), der Franzose Jean-Claude Trichet, ist für eine „Wirtschaftsregierung“, genau wie der EU-Kommissionspräsident, der Portugiese José Manuel Barroso.

Allerdings unterscheiden sich die Vorstellungen der drei Herren über die Idee einer solchen „Wirtschaftsregierung“ deutlich. Trichet versteht darunter eine unabhängige Fiskalagentur, die über die Verschuldung der einzelnen EU-Staaten wacht, Barroso möchte eine Fiskalagentur, die in erster Linie seiner Kommission unterstellt ist und nebenbei auch die Einhaltung der Euro-Stabilitätskriterien kontrolliert.

Weit ambitionierter sind da die Pläne Sarkozys. Er träumt von einer im Euro-Raum einheitlichen Budget- und Steuerpolitik, die von einem eigens hierfür eingerichteten Sekretariat überwacht wird. Die Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Länder soll durch zentrale Entscheidungen angeglichen werden, die Starken sollen den Schwachen entgegenkommen, sei es durch politische Entscheidungen oder durch Transferzahlungen. Außerhalb der EU gelte dann offenbar der französische Protektionismus, um Arbeitsplätze und Unternehmen zu halten, interpretieren kritische Beobachter der Pariser Pläne. Vor allem aber hat Sarkozy als Träger der „Wirtschaftsregierung“ die 16 Euro-Länder im Sinn, denn er weiß, dass er hier Mehrheiten gegen deutsche Interessen findet, nicht aber im Kreis der 27 EU-Mitgliedsstaaten.

Vorvergangene Woche haben sich nun die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Sarkozy den Worten nach auf eine „Wirtschaftsregierung“ geeinigt. Bei der Bekanntgabe machten indes beide ein ziemlich langes Gesicht: Sarkozy, weil er in der Sache nicht durchkam, Merkel vermutlich deswegen, weil sie staunte, wie Paris einen so dreisten Übergriffsversuch auf die deutsche Steuerkasse überhaupt starten konnte. Die nun avisierte „Wirtschaftsregierung“ soll ein lockeres, unregelmäßiges Treffen von Vertretern aller 27 EU-Mitgliedsländer werden, bei dem man die nationalen Haushalte und Wirtschaftspolitiken aufeinander abstimmen kann, so man denn will. Dieser Plan sieht also eine neue Institution ebenso wenig vor wie eine Transferunion, bei der vor allem Deutschland zahlen müsste.

Merkel ist im Unterschied zu Sarkozy nicht nur verbal für eine strenge Einhaltung der Euro-Stabilitätskriterien, vor allem will sie in dieser Frage keine Aushebelung der nationalen Parlamente. Entscheidend ist aber, dass bei der nun verabredeten „Wirtschaftsregierung“ alle 27 EU-Mitgliedsstaaten und nicht nur die 16 Euro-Länder beteiligt sind. Grund hierfür ist ihre (realistische) Annahme, dass unter den 27 Staaten mehr Ländern sind, die Deutschlands stärker auf Stabilität und echten Wettbewerb ausgerichtete Politik befürworten.

Als Zugeständnis dafür, dass Sarkozy vorerst Merkels Variante einer „Wirtschaftsregierung“ akzeptiert hat, durfte er seinen Vorschlag für ein europäisches Gegengewicht zu den drei US-Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moddy’s und Fitch präsentieren. So könnte einer der drei europäischen Kreditversicherer Euler-Hermes, Coface und Altradius ins Ratinggeschäft einsteigen. Die Kreditversicherer hätten die dafür notwendigen Daten bereits und sie würden mit ihrer eigenen Bilanz auch für ihre Einschätzungen haften, denn schließlich würden sie ja anhand dieser Ratings auch Kredite versichern.

Und während die deutsche Reaktion nur Erleichterung darüber bekundete, dass Sarkozy offenbar nicht auch noch eine EU-Institution für Ratings schaffen wolle, überschlug sich der französische Notenbankchef Christian Noyer nahezu vor Begeisterung, da die französische Bankenaufsicht dann künftig auf EU-eigene Ratings zurückgreifen könnte, um die Eigenkapitalquoten der Banken zu überprüfen. Und auch der Kreditversicherer Coface zeigte sich begeistert. Das französische Unternehmen wolle sofort seine Daten für die Wirtschaft aufbereiten.

Bei der deutschen Allianz, der Mutter des Kreditversicherers Euler Hermes, zeigte man sich zurückhaltender. „Ich habe bisher keine Angebote bekommen, nach denen jemand bereit ist, für diese Dienstleistung zu zahlen“, so Allianz-Konzernchef Michael Diekmann. Rebecca Bellano


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