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26.06.10 / Suche nach klaren Proportionen / Der Architekt Bruno Taut fand in Japan ideale Bauten, aber auch Bausünden vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-10 vom 26. Juni 2010

Suche nach klaren Proportionen
Der Architekt Bruno Taut fand in Japan ideale Bauten, aber auch Bausünden vor

Der Architekt und Stadtplaner Bruno Taut ist heute in Japan bekannter als in Deutschland. Dabei lag der Schwerpunkt seines Schaffens in Europa.

Die Siedlungen, die Bruno Taut in den 1920er Jahren für Berlin schuf, sind von der Unesco in die Welterbeliste aufgenommen worden, denn es sind herausragende Beispiele des Neuen Bauens. Doch wer in der als Tuschkastensiedlung bekannten Gartenstadt Falkenberg (so genannt wegen ihren Farbigkeit) oder in der Hufeisensiedlung in Britz lebt, weiß oft kaum etwas über den Erbauer, den 1880 in Königsberg geborenen Bruno Taut. Der Ostpreuße musste 1933 wegen seiner drohenden Verhaftung Deutschland verlassen und gelangte über die Schweiz nach Japan. Aus drei geplanten Monaten wurden dreieinhalb Jahre, bis er 1936 eine Professur in Istanbul annahm. In Japan wird Taut noch heute sehr geschätzt, nicht etwa wegen seiner Bauten, denn seinem eigentlichen Beruf konnte der Architekt kaum nachgehen. Stattdessen arbeitete er als Gestalter von Alltagsgegenständen wie Lampen, Teetischchen, Servierwagen, Kommoden und Schirmgriffen. Vor allem aber machte sich Taut in Japan als Autor einen Namen. Drei Bücher entstanden während seines Aufenthaltes im Land der aufgehenden Sonne: „Nippon mit europäischen Augen gesehen“ erschien 1934 in japanischer Sprache und wurde schließlich sogar als Schullektüre empfohlen. Bis heute erlebte das Buch in Japan 17 Auflagen, doch erst jetzt kam es in deutscher Sprache heraus, nachdem man das in Deutschland nahezu unbekannte Originalmanuskript übersetzen ließ. Mit mahnender Stimme rät Taut den Japanern, ihr traditionelles Können und Wissen zu bewahren, zu überdenken und neu zu bewerten. Einer unkritischen Übernahme westlicher Werte und Muster erteilt er eine klare Absage.

„Japans Kunst mit europäischen Augen gesehen“, 1936 ebenfalls in japanischer Sprache erschienen, und 1937 „Houses and People of Japan“, in englischer Sprache und nach dem Krieg in japanischer Sprache herausgekommen, sind die Titel der beiden anderen Veröffentlichungen. 1998 erschien letzteres unter dem Titel „Das japanische Haus und sein Leben“ auch in deutscher Sprache. Schon früh fühlte Taut sich zur japanischen Kultur hingezogen: „Ich habe als junger Mensch die japanischen Zeichnungen und Dekorationen genau studiert, sie zwar nicht imitiert, aber viele Jahre hindurch in der Natur die Einzelheiten zu erlauschen versucht, in denen die Natur Gesetze der künstlerischen Form mir zu enthüllen schien ...“, schrieb er. „Die japanische Kunst gab den Anlass dazu, einfache Gesetze der Schönheit und klare Proportionen der Form wiederzufinden, nachdem das Studium der historischen Stile infolge ihrer Unmöglichkeit, sie in Europa mit der rapide entwickelten Technik zu verbinden, nicht weiterführen konnte.“

Als 20-Jähriger habe er sich original-japanische Musterbücher besorgt und die Farbholzschnitte emsig studiert, auch habe er sich „wochenlang an das Ufer eines Waldsees gesetzt und das Wasser beobachtet, wie es im Wind Kräuselungen und Wellen bildet, wie sich die Blätter der Bäume darin spiegeln. Ich habe den Teppich des Waldes mit den bunten Herbstblättern beobachtet, im Winter die trockenen Gräser über der Schneedecke genau nachgezeichnet, lange in das Eis der Gräben hineingesehen und es nach gezeichnet … Dies alles aber nicht, um Bildchen zu machen, sondern um die Gesetze der Natur herauszufinden und aus ihnen zugleich auch die Gesetze, die für die Proportionen der neuen Architektur gelten können … Japan war auf diese Weise das Ziel der Sehnsucht und eine Reise dorthin der schönste Wunsch, der aber wegen der großen Kosten Traum bleiben musste.“

Als Taut dann doch in Japan lan­de­te, war er zunächst fasziniert von dieser andersartigen Welt. Voller Bewunderung entdeckte er auf dem Schiff, das ihn auf die Insel brachte, die kunstvoll gefalteten Wolldecken der Betten: „... eine in Form einer Blume, die andere in Form einer Welle gelegt. Der japanische Stewart hatte noch die Kunstfertigkeit der japanischen Musterzeichner und Holzschnittkünstler in seinem Blut … Erstes Zeichen dafür, wie sich die japanische Eigenart in der modernen Lebensform ausdrücken kann.“ Als scharfen Kontrast empand Taut nach dem Einlaufen in den Hafen die europäisch beeinflussten Bauten, die ihm wie Schmutz in einem sauberen Land vorkamen. „Erste Anzeichen des großen Problems, um das dieses Land in den nächsten Jahrzehnten ringen muss.“

Natürlich macht sich der Architekt Taut immer wieder Gedanken über die Architektur in Japan. Der ausgewiesene Kenner des Tautschen Werks, Manfred Speidel, schreibt im Vorwort zur Essay-Sammlung „Ich liebe die japanische Kultur“ (Berlin, 2003): Taut „durchlief nach der ersten Begeisterung an der japanischen Kultur, die er aus dem Bewusstsein der eigenen Berliner Leistungen mit harter Kritik an der japanischen Gegenwartsarchitektur verband, eine Phase der Suche nach den Gründen für den Bruch zwischen altem und neuem Japan, machte dabei Vorschläge für eine bessere Architektur, unabhängig von den japanischen Kollegen, und endete schließlich in Resignation, da er nichts Bedeutendes bauen und damit seine Ansichten nicht beweisen konnte. Erst die Berufung in die Türkei führte ihn aus dieser Depression heraus.“ Etwa 20 Projekte sind in der Türkei auszumachen, die Taut als Leiter der Architekturabteilung an der Akademie der Schönen Künste in Istanbul und als Chef der Bauabteilung im Unterrichtsministerium in Ankara realisierte. – Bruno Taut starb am 24. Dezember 1938 in Istanbul.     Silke Osman

Bruno Taut: „Nippon mit europäischen Augen gesehen“, Gebr. Mann Verlag, Berlin 2009, 216 Seiten, 200 schwarzweiße Abbildungen, Klappbroschur, 59 Euro


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