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26.06.10 / Königin Silvia steht nicht allein / Viele Deutsche folgten einem Ruf aus Schweden und dienten dann ihrer neuen Heimat in führender Funktion

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-10 vom 26. Juni 2010

Königin Silvia steht nicht allein
Viele Deutsche folgten einem Ruf aus Schweden und dienten dann ihrer neuen Heimat in führender Funktion

Manchmal kommt die Königin, manchmal auch in Begleitung von Kronprinzessin Victoria. Schließlich ist die aus Deutschland stammende Königin Silvia Schirmherrin der deutschen St. Gertrudsgemeinde. Selbstverständlich ist es immer ein Ereignis, wenn sie in der grüngoldenen Königsloge Platz nimmt. Vergebens ist da der Wunsch der Königin, dass kein Aufhebens gemacht wird, wenn sie einen Gottesdienst in der Deutschen Gemeinde Stockholms besucht.

Die Tyska kyrkan, die Deutsche Kirche, versteckt sich nicht im Gassengewirr der Altstadt Stock­holms. Der Turm der St. Gertrudskirche überragt mit seinen 96 Metern um 30 Meter sogar den der schwedischen Hauptkirche St. Nikolai/Storkyrkan. Selbstbewusst wurde mit diesem Turm ein Zeichen gesetzt, nachdem König Johann III. 1571 die Rechte der Gemeinde garantiert hatte. Die Kirche sollte Zeugnis ablegen von der überragenden Bedeutung, die die Deutschen in der Geschichte Schwedens spielen.

Nachdem der schwedische König die Rechte der Deutschen Gemeinde garantiert hatte, gehörte er zu den Initiatoren, die den Gildesaal zur Kirche umbauen ließen.

Ehre widerfährt alljährlich auch dem Hofkellermeister Peter Hinrich Fuhrmann, 1714 in Hamburg geboren, 1773 in Stockholm nach wackerem Trunk gestorben. Zu einem Festessen wird dessen Büste einmal im Jahr auf eine Karre gepackt und in eines des bessern Restaurants der Stadt gerollt. Dort aufgestellt, darf Fuhrmann an einer fröhlichen Tafelei teilhaben. Als Dank dafür, dass Fuhrmann die bis heute bestehenden deutschen Sprachkurse an der St. Gertrudskirche einführte und für 14 Konfirmanden ein Stipendium finanzierte – das ebenfalls heute noch besteht.

Es waren harmonische Zeiten, in denen laut Verfassung im Rathaus von Stockholm paritätisch je drei schwedische und drei deutsche Bürgermeister regierten, beraten von jeweils 15 schwedischen und 15 deutschen Ratsherren. Die Deutschen waren erwünscht, ins Land geholt worden, sie bauten das Land mit auf.

Dabei war der Anfang alles andere als harmonisch. Am Anfang war der Hering. Der tauchte in jedem Jahr in schier unerschöpflichen Schwärmen vor der Südküste Schwedens auf, die im 13. Jahrhundert noch unter dänischer Herrschaft stand. Bereits im 12. Jahrhundert gingen Lübecker Fischer vor Schonen auf Heringsfang. Dabei machten sie den ortsansässigen Fischern starke Konkurrenz und sicherten sich ihnen gegenüber durch Privilegien erhebliche Vorteile. Zahlreiche Fastentage im christlichen Europa machten den Hering zu einer begehrten Handelsware. Hering bedeutete Reichtum. Entlang der Küste legten die Lübecker befestigte Anlagen an, in denen die vornehmlich deutschen Arbeiter wohnten, während die Kaufleute in den Städten Skanör, Falsterbo und Malmö feste Höfe anlegten. In ihnen lenkten unter Lübecker Vorherrschaft Vögte die Geschicke, während am Strand die Strandvögte ebenfalls unter Lübecker Vorherrschaft den Ton angaben. Friedlich war das Zusammenleben keinesfalls, darum war es nicht erlaubt, ohne Waffen und Harnisch den Hof zu verlassen. Die Rechte der Lübecker gingen schließlich so weit, dass die Schiffe des dänischen Königs nur einen Tag in der Woche fischen durften, während die Heringsschuten der Lübecker täglich zum Fang ausfuhren. Zwischen dem 25. Juli und 29. September wurde alljährlich von 7500 Booten aus gefischt. Diese Zahl verdeutlicht die wirtschaftliche Bedeutung dieser Fänge und macht klar, warum immer wieder von Dänemark versucht wurde, den Einfluss der Deutschen zu beschneiden.

Als Schweden Mitte des 13. Jahrhunderts langsam begann, sich als Nation zu finden und aus der Vormundschaft Dänemarks zu lösen, da nutzten die Schweden geschickt die Rivalitäten zwischen Dänen und Deutschen, sie machten die Deutschen zu ihren Partnern. Birger Jarl, der schwedische Regent, bot 1250 Lübeck einen Vertrag an, in dem er für das Gebiet der noch nicht angelegten Stadt Stockholm Niederlassungs- und Zollfreiheit versprach. Die Lübecker hatten zwar noch niemals zuvor etwas von Stockholm gehört, aber sie griffen zu. Zuerst kamen die Händler, dann die Handwerker und schließlich Bergleute aus dem Harz, welche die schwedischen Gruben erschlossen. Bald gaben die Handwerker und Kaufleute aus Deutschland den Ton an. In Stockholms Altstadt stammte Ende des 13. Jahrhunderts die Hälfte der Bewohner aus Deutschland. Und was in Stockholm passierte, passierte auch anderswo. Es war die Zeit, in der Schwedens Städte gegründet wurden: Visby, Stockholm, Uppsala, Kalmar. Immer waren die Deutschen in der Gründungsphase dabei.

1281 erhielt Stockholm eine Ratsverfassung nach dem Vorbild der Hansestädte, also nach lübschem Recht. Ab dem Mittelalter waren die Deutschen eine starke, sehr einflussreiche Minderheit in Schweden.

Als König Magnus Eriksson 1350 eine Bestimmung erließ, nach der im gesamten schwedischen Reich alle städtischen Ämter zweigeteilt werden sollten zwischen Schweden und Deutschen, da geschah das keineswegs in der Absicht, die Stellung der verdienstvollen deutschen Untertanen zu stärken. Das Gegenteil sollte erreicht werden, der Einfluss der Deutschen sollte begrenzt werden.

Das wirkte jedoch nur bedingt. Unter Albrecht von Mecklenburg (1364–1389) wurde sogar der gesamte amtliche Schriftverkehr in Schweden auf Deutsch geführt.

Selbstverständlich gab es gegen diese starke Stellung Widerstand. 1471 schließlich wurde verboten, Ausländer (gemeint waren die Deutschen) zu Ratsherren und Bürgermeistern zu wählen. Trotzdem blieb es schick, sich der deutschen Sprache zu bedienen. In den gehobenen Ständen parlierte man zweisprachig, die einfachen Leute bedienten sich eines Sprachmischmasch aus Schwedisch und Deutsch. Diesem Schwedisch-Deutsch galt über Jahrhunderte so etwas wie eine uneingestandene, verschämte Zuneigung.

Eine vergleichsweise kleinere Einwanderungswelle gab es dann noch einmal nach dem Zweiten Weltkrieg. Zuerst kamen Deutschbalten und Flüchtlinge. Dann kamen die deutschen Kindermädchen, mehr als 6000. Und schließlich kamen in den 50er Jahren Arbeitnehmer, von denen viele in Schweden heirateten. Und so lebt die St. Gertrudsgemeinde als älteste Auslandsgemeinde der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) weiter. Und freut sich weiterhin, wenn die Schirmherrin Königin Silvia ab und zu kommt. So, wie es die Mutter des herrschenden Königs, Sibylla von Sachsen-Coburg-Gotha, es tat. Und wie es – so Gott will – Kronprinzessin Victoria einmal als Königin tun wird.     Klaus J. Groth


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