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26.06.10 / Was Banken mit Artus zu tun haben / In Danzig wurde eine Tradition begründet, die trotz Flucht und Vertreibung bis heute lebt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-10 vom 26. Juni 2010

Was Banken mit Artus zu tun haben
In Danzig wurde eine Tradition begründet, die trotz Flucht und Vertreibung bis heute lebt

Die Herrschaften der besseren Gesellschaft, sprich die Angehörigen der Oberschicht, ließen es sich schon im Mittelalter gut gehen. In Danzig trafen sie sich im „Saufhaus Europas“, dem Artushof, oft mit weitreichenden Folgen.

Manchmal – und nicht zu selten – trieben es die besseren Herren der Danziger Gesellschaft gar zu toll. Dann feierten sie die ganze Woche, tranken sich gegenseitig unter den Tisch und scherten sich den Teufel um ihren guten Ruf, um den sie an anderen Tagen sehr bedacht waren. Solche Gelage trugen dem Artushof am Langen Markt in Danzig den Spottnamen „Saufhaus Europas“ ein. Das wollte etwas heißen, denn im 15. Jahrhundert, als der Handel rund um die Ostsee blühte, wurde auch in anderen Städten gelegentlich recht derb gesoffen. Den Spottnamen aber, den bekam ein Treffpunkt Danziger Großbürger verpasst. Dabei hatten sie ganz andere Absichten verfolgt, als sie sich zu einer Bruderschaft zusammenschlossen und den Artushof gründeten.

Der erste Artushof in Danzig wurde 1348 errichtet. Etwa zeitgleich entstanden in Thorn, Kulm, Elbing, Braunsberg und Königsberg ebenfalls Artushöfe. Sie waren gedacht als Orte vornehmer Gesinnung und ritterlicher Geselligkeit. Benannt wurden die Versammlungsstätten nach dem sagenhaften König Artus.

Im England des 13. Jahrhunderts war ein regelrechter Artuskult entstanden. So edel wie dieser tugendhafte König, so wollte man auch sein. Man wollte sich fühlen wie ein Mitglied der sagenhaften Tafelrunde. Darum schlossen sich Ritter ihrerseits zu Tafelrunden zusammen. Englische Ritter, die an den Kreuzzügen teilnahmen und englische Kaufleute, die im Ostseeraum handelten, brachten diese Mode über den Kanal.

Zwar gab es in den Hansestädten im Ostseeraum keine Ritter, aber es gab im gehobenen Bürgertum Patrizier, die ihre Herkunft aus ritterlicher Abstammung herleiteten. Sie schlossen sich in den Städten des Deutschen Ordens zu St.-Georgs-Bruderschaften zusammen, um sich einerseits ein biss­chen wie die Ordensritter zu geben und sich andererseits von lediglich bürgerlichen Patriziern abzugrenzen.

Doch Ansehen und Rang sind nicht von Dauer, sie sind veränderliche Größen. Während Einfluss und Bedeutung der St.-Georgs-Bruderschaft zurückgingen, nahmen die der Kaufleute, der Reeder und der Schiffer zu. Und sie drängten zum Artushof. Das sahen die Georgs-Brüder gar nicht gerne. Sie hielten die Türen dicht, bis der Rat der Stadt eingriff. Bereits im 14. Jahrhundert wurde der Artushof in Danzig offizielle Versammlungsstätte der Kaufmannschaft.

1476 brannte der erste Artushof Danzigs ab. Der 1481 neu erbaute Artushof befand sich ausschließlich im Besitz der Bürgerschaft. Der Neubau am Langen Markt war ein Hallenraum, in dem lange, schmale Bänke standen, deren hohe Lehnen sie gegen die Nachbartische abschirmten. Jeder Bruderschaft wurde nun eine Bank fest zugeteilt. Aus den Gruppierungen, die auf diesen Bänken zueinander fanden, wurde die Bezeichnung „Banken“ abgeleitet. Seither gibt es die Danziger Banken. 1481 wurden die St.-Reinholds-Bank, 1482 die St.-Christopherus-Bank, 1483 die Heilige-Drei-Könige- und 1487 die Marienbürger-Bank gegründet. In manchen Jahren nahmen die Bruderschaften im Artushof bis zu 150 neue Mitglieder auf, teilweise gehörten mehr als 1000 Mitglieder aus allen europäischen Nationen zu den Bruderschaften.

Den St.-Georgs-Brüdern gefiel diese Entwicklung allerdings ganz und gar nicht. Ein solcher Zustrom vertrug sich nicht mit ihrer Vorstellung von Elite. 1494 verließen sie den Artushof.

Auch die ausufernden Festlichkeiten waren nicht mit den ursprünglichen Gedanken in Einklang zu bringen. Die Banken finanzierten sich durch das Brudergeld und durch Spenden. Armen- und Krankenhilfe waren eine der vornehmsten Aufgaben. Die Förderung von Kunst und Kultur hatten sich die Bruderschaften ebenfalls zur Aufgabe gemacht.

Als nach dem 30-jährigen Krieg der Niedergang Danzigs einsetzte, verloren auch die Banken ihre Bedeutung. 1742 übernahm die Stadt den Artushof als öffentliche Börse. Die Banken kamen fortan nur noch einmal im Jahr zusammen, die Zahl ihrer Mitglieder begrenzten sie auf 30 bis 40.

Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten die Danziger Banken sich zuerst in Hamburg neu zu etablieren, doch ab 1967 wechselten sie nach Lübeck. Das war naheliegend. Lübeck war Pate bei der Stadtgründung Danzigs gewesen. Das lübsche Recht galt dort lange Zeit. Danzig gehörte dem Verbund der Hanse an, der von Lübeck dominiert wurde. Und schließlich gab es in Lübeck Vereinigungen, die in Zielsetzung und Aufbau denen der Banken entsprachen. So waren langjährige freundschaftliche Beziehungen und auch familiäre Verbindungen maßgeblich entscheidend für den Wechsel.

Im Lübecker Schabbelhaus, einst gegründet als Zeugnis großbürgerlicher Wohnkultur in der Hansestadt, fanden die Danziger Banken durch Unterstützung der Kaufmannschaft ein neues Zuhause. Mit dem Ziel, das hansische Kulturgut zu wahren, gründeten die Danziger Banken und die Lübecker Kaufmannschaft 1974 die Stiftung Kulturgut hansischer Städte. Auf zwei Etagen werden nun Zeugnisse aus der Zeit der Hanse präsentiert. Auf der „Danziger Etage“ und im Stiftungssaal werden alte Ansichten Danzigs, aber auch Schiffsmodelle und Möbel aus Danzig gezeigt.

Seit die Grenzen nach Osten offen sind, werden die Kontakte zu den Ursprüngen wieder gepflegt. Erste, vorsichtige Gespräche gab es bereit 1991 zwischen Vertretern der Banken und der Stadt Danzig. Zweifel und Misstrauen gab es auf beiden Seiten. Es dauerte bis 1999, bis eine Freundschaftsvereinbarung zwischen dem historischen Museum der Stadt Danzig und den vier Banken beschlossen wurde – ganz feierlich im wieder aufgebauten Artushof am Langen Markt. Doch noch einmal vergingen fünf Jahre, bis 2004 erstmals wieder die Marienbrüder zu ihrem Vogtmahl im Artushof zusammenkamen. Das wiederholt sich seither von Jahr zu Jahr.

Diese Freundschaftsvereinbarung ist eine absolute Ausnahme in der Geschichte der Banken. Sie selbst kamen in ihrer langen Geschichte ganz ohne schriftliche Satzung aus. Ihnen genügte das gesprochene Wort und der Wille, in der Tradition zu handeln. Sie haben sich dabei den veränderten Zeiten angepasst, ohne an ihren Grundlagen zu rütteln. Selbst die Beschränkung auf 40 Mitglieder pro Bank gilt heute noch. Klaus J. Groth


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