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26.06.10 / Späte Kriegsopfer / Kinder leiden unter Vater

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-10 vom 26. Juni 2010

Späte Kriegsopfer
Kinder leiden unter Vater

Am 5. August 1962 verstarb die US-Filmschauspielerin Marilyn Monroe, ein Sexsymbol des 20. Jahrhunderts, an einem tödlichen Medikamentencocktail. In Donna Milners Roman „Der Tag, an dem Marilyn starb“ ist der 5. August jedoch nicht nur der Todestag der Monroe, sondern auch von Lucy, der Mutter von Ethel, Frank und dem mit dem Down-Syndrom geborenen Kipper. Das ist allerdings auch bereits das Einzige, was den Roman mit Marilyn Monroe verbindet.

Nach Lucys mysteriösem Tod steht der vom Zweiten Weltkrieg schwer traumatisierte Howard mit seinen drei Kindern alleine vor dem Scherbenhaufen seines Lebens. Bisher hatte sich Howard darauf verlassen können, dass Lucy ihm den Rücken freihielt, wenn er wieder den Drang verspürte, für Stunden, oder gar Tage im strömenden Regen zu verschwinden, um sich danach, von den Depressionen etwas erholt, dem Leben wieder stellen zu können.

Die Hauptfigur des Buches, aus deren Sicht die Geschehnisse beschrieben werden, ist Ethie. Sie ist ein patentes, elfjähriges Mädchen, das sich für seinen geistig zurück-gebliebenen Bruder verantwortlich fühlt. So verteidigt sie ihn stets, wenn andere Menschen, wie zum Beispiel ihre Tante Mildred, Kipper als pflegebedürftig und behindert abstempeln, ohne den liebevollen Menschen, der er ist, zu bemerken.

Als wöge diese Bürde nicht bereits schwer genug für ein elfjähriges Mädchen, kommt auch noch die „Andersartigkeit“ ihres Vaters im Vergleich zu anderen Familienvätern in der Nachbarschaft hinzu. „Ich wusste, dass er anders war. Schon mit sechs Jahren war mir bewusst, dass mein Vater nicht so war wie andere Väter. Andere Väter saßen nicht herum und starrten auf die Wand, auf einen Punkt ein paar Zentimeter über dem Fernsehgerät. Sie tauchten nicht regelmäßig in die Welt des Schweigens ab und irrten auch nicht auf langen Wanderungen durch den Regen von Vancouver.“

Alle Familienmitglieder sind sich zwar der Tatsache bewusst, dass Howards Schweigsamkeit und der zeitweise unverhältnismäßig hohe Konsum von Whiskey auf seine Erlebnisse im Krieg zurückzuführen sind, doch weiß niemand, nicht einmal Lucy wusste es, was Howard dort genau erlebt hat.

In Rückblenden beschreibt Donna Milner Howards Erlebnisse im Krieg, bei der Beteiligung der Kanadier in den Kämpfen um Hongkong. Während sich die Lage Howards in den Rückblenden gefährlich zuspitzt, kommt Ethie in der Gegenwart zufällig einem Geheimnis auf die Spur, einem Geheimnis, welches seinen Ursprung in den Geschehnissen 1944 in Hongkong hat und dessen Auswirkungen wie eine Welle schicksalhaft Howards gegenwärtiges Leben zu überschwemmen drohen.

Wie auch Donna Milners Erstling „River“ spielt „Der Tag, an dem Marilyn starb“ in Kanada, der Heimat der Autorin. Und ebenso wie in ihrem Erstling setzt die Autorin auch in ihrem zweiten Roman auf eine ruhige, ausgeglichene Erzählweise, welche den Leser wie in einem Bann langsam, aber stetig und unweigerlich zum Schlüssel der alles erklärenden Antwort führt.Vanessa Ney

Donna Millner: „Der Tag, an dem Marilyn starb“, Piper Verlag, München 2010, gebunden, 391 Seiten, 19,95 Euro


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