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03.07.10 / Schulpolitiker unbelehrbar / Erneut scheitern Berlin und Brandenburg bei einem Pisa-Vergleich – doch Kritik prallt ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-10 vom 03. Juli 2010

Schulpolitiker unbelehrbar
Erneut scheitern Berlin und Brandenburg bei einem Pisa-Vergleich – doch Kritik prallt ab

Berlin und Brandenburg schneiden beim Pisa-Nachfolgetest erneut miserabel ab. Der Senat der Hauptstadt sieht darin aber keinen Grund, seine Marschrichtung in der Bildungspolitik zu überdenken. CDU und FDP üben harte Kritik.

Das Ergebnis der jüngsten Nachfolgeuntersuchung zum „Pisa“-Test ist für Berlin und Brandenburg niederschmetternd. Wie bei vergangenen Studien landete die deutsche Hauptstadt wie ihr Umland abermals auf den hinteren Plätzen. Ganz vorne lagen erneut Bayern und Baden-Württemberg. Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) hat eine simple Erklärung für den Erfolg: Das liege am „differenzierte Bildungswesen“ und „Systemkonstanz“, soll heißen: Das Festhalten am dreigliedrigen Schulsystem und der Verzicht auf ständiges Experimentieren.

Besonders schlecht schnitten wieder die Kinder bestimmter Einwandernationen ab. Unlängst hatte sich auch der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin in die Bildungsdebatte eingemischt und eine Niveauabsenkung durch Zuwanderung beklagt. Fast 18 Prozent aller Neuntklässler in Deutschland haben ausländische Wurzeln – in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen werden Spitzenwerte um 30 Prozent erreicht. Das sind gleichzeitig die Bundesländer mit den schlechtesten Testergebnissen. Allerdings hat die Erhebung nationale Unterschiede festgestellt. Jugendliche türkischer Herkunft erzielten beim Lesen/Textverständnis die schlechtesten Werte, während Schüler aus Polen und der Ex-UdSSR deutlich besser abschnitten. Auch Schüler aus Fernost fallen durch großen Lerneifer auf.

Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) sieht sich trotz dem desaströsen Abschneiden seiner Stadt auf dem Pfad des Erfolges: „Was Berlin bildungspolitisch in den letzten Jahren vorangebracht hat, sucht seinesgleichen in anderen Bundesländern. Berlin hat nicht nur ein modernes Schulgesetz, sondern befindet sich mit dessen Umsetzung in die Praxis inmitten eines tiefgreifenden Reformprozesses. Die Kritiker widersprechen sich, aber sie zeigen eines klar: Alle halten die Reformen für richtig und notwendig.“

Das sieht die bürgerliche Opposition in Berlin grundlegend anders. Mieke Senftleben, Sprecherin der FDP-Fraktion für Bildung: „In der aktuellen Dis­kussion über offensichtliche mangelhafte Ausstattung und Perspektive der Berliner Gymnasien muss man feststellen: Zöllners Planwirtschaft hat fertig. Die rot-rote Senatsbildungsverwaltung und Senator Zöllner machen Ernst bei der systematischen Benachteiligung von Gymnasien in Berlin, und das ist ein Skandal. Das Ergebnis der rot-roten bildungspolitischen Planwirtschaftler ist dagegen eindeutig: Akuter Lehrermangel, viel zu späte Lehrereinstellungen im Vergleich zu anderen Bundesländern und zu wenig Gymnasialplätze. Dazu eine ideologische Gymnasienfeindlichkeit, die zum Beispiel durch das Verbot eines nachfragegerechten Ausbaus der grundständigen Gymnasien ab Klasse 5 und das Verbot der Kooperation zwischen Sekundarschulen und gymnasialer Oberstufe deutlich wird. Ab 2011 kommt die schulprofilfeindliche Losquote für 30 Prozent aller Gymnasialplätze verschärfend hinzu.“ Von 2011 an sollen 30 Prozent der Gymnasialplätze nicht mehr nach Leistung vergeben, sondern verlost werden.

Senftleben unterstützt daher auch die Volksinitiative „Schule in Freiheit“ und will mithelfen die erforderlichen 20000 Unterschriften bis zum 31. Oktober zusammen zu bringen. Die Initiative kämpft für die gleichberechtigte Finanzierung freier Schulen, die bislang schlechter gestellt würden als staatliche. Zudem ringen die Initiatoren für mehr Eigenverantwortung der Schulen. FDP-Frau Senftleben sieht in den Testergebnissen das „bildungspolitische Dilemma und Versagen von Bildungssenator Zöllner und seiner Verwaltung“. CDU-Bildungspolitiker Sascha Steuer empfiehlt, der Senat solle endlich aufhören, „ständig unausgereifte Reformmaßnahmen“ zu beschließen, ohne die dafür notwendigen Mittel bereitzustellen. Steuer fordert den Senat auf, die Vorbereitung auf die Gemeinschaftsschule und das „Aushungern der Gymnasien“ zu beenden. Ganz im Sinne des bayerischen Kultusministers rät Steuer: „Schulen brauchen dringend Verlässlichkeit.“

Selbst ein Lieblingsprojekt Zöllners zeitigt wenig Erfolg: Das Jahrgangsübergreifenden Lernen, im Fachchinesisch „JüL“ genannt, wo Schüler mehrerer Altersklassen zusammen unterrichtet werden. Dadurch sollen „altersgemischte Gruppenerfahrungen“ ermöglicht werden. Ergebnis: An manchen Schulen muss fast die Hälfte der Kinder die zweite Klasse wiederholen. Sascha Steuer lehnt dieses neue Experiment ab: „Schulen, die JüL machen wollen, können es ja machen. Anderen sollte es freigestellt sein, sich dagegen zu entscheiden.“

Die Senatsbildungsverwaltung kann indes keinen Zusammenhang von „JüL“ und dem dramatischen Anstieg der Sitzenbleiber-Quote erkennen und schiebt die Schuld den Schülern zu: „Die zentralen Elemente der Schulanfangsphase begründen eine individuelle Verweildauer der Kinder.“ Besserung scheint in Berlin nicht in Sicht. Dieser Tage erst hat die Koalition von SPD und Linkspartei einen weiteren Schritt in Richtung Nivellierung der Bildung auf den Weg gebracht. Im Mittelpunkt steht die Schaffung eines zweigliedrigen Schulsystems aus Gymnasien und Sekundarschulen. Die Bewertung der bürgerlichen Opposition reicht von: „absurde Idee“ (CDU) bis „lächerlich“ (FDP).   Theo Maass


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