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03.07.10 / Armer Staat mit reichen Bürgern / Das Privatvermögen der Deutschen ist unbeeindruckt von der weltweiten Krise weiter gewachsen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-10 vom 03. Juli 2010

Armer Staat mit reichen Bürgern
Das Privatvermögen der Deutschen ist unbeeindruckt von der weltweiten Krise weiter gewachsen

Stärker als erwartet präsentiert sich die deutsche Konjunktur. Inzwischen erwartet die Deutsche Bundesbank fast zwei Prozent reales Wachstum im laufenden Jahr. Erstaunliche 71 Prozent der Deutschen fühlen sich vom globalen Abschwung persönlich nicht betroffen. Das Geldvermögen der Deutschen wuchs sogar im Krisenjahr 2009 um stolze 239 Milliarden Euro.

Es gibt Zahlen, die muss man zweimal lesen. Eine davon lautet: Um 239 Milliarden Euro hat das Geldvermögen der Deutschen im vergangenen Jahr zugenommen, das ist ein Zuwachs um fast 3000 Euro pro Kopf. Dabei war 2009 mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung um satte fünf Prozent das vermutlich schlechteste Jahr seit 1932 − für die Notjahre 1945 bis 1947 gibt es keine brauchbaren Zahlen.

Das Rätsel dieser auf den ersten Blick „unmöglichen“ Zahl hat mehrere Erklärungen: Zum einen sparen die Deutschen Jahr für Jahr erhebliche Summen − anders als etwa die US-Amerikaner oder zuletzt auch die Spanier, die hohe private Schulden angehäuft haben. Der konjunkturelle Einbruch im Jahr 2009 wurde dadurch verstärkt, dass die besorgten Bundesbürger noch etwas mehr gespart haben als sonst. Was Handel und Industrie das Leben schwer gemacht hat, ließ naturgemäß das Geldvermögen wieder anschwellen.

Hinzu kommt, dass die Masse der Kursverluste an den Börsen schon 2008 aufgelaufen war, in diesem Jahr sank denn auch das Geldvermögen der Deutschen um 127 Milliarden Euro. Zwar lag der Börsen-Tiefpunkt erst im März 2009, doch im Gesamtjahr stieg der Dax um 24 Prozent. Dadurch sind nicht nur Aktien, sondern auch viele andere Wertpapiere, insbesondere Fonds und Kapitallebensversicherungen, wieder im Wert gestiegen.

Allerdings ist das Vermögen der Deutschen weiterhin sehr ungleichmäßig verteilt: Die ärmsten zehn Prozent haben netto Schulden, den wohlhabendsten zehn Prozent gehören dagegen 54 Prozent des Geldvermögens (zu dem die Statistiker auch Aktien rechnen), dem reichsten einen Prozent immer noch 27 Prozent. Diese Schieflage, die in anderen Industrieländern in ähnlicher Weise existiert, hat sich in der Krise sogar noch etwas akzentuiert. Deutschland bleibt zwar ein sehr soziales Land, was die Einkommensteuer angeht (die zehn Prozent besten Verdiener zahlen hier 55 Prozent, und die unteren fast 30 Prozent hingegen zahlen nichts, die gesamte untere Hälfte nur fünf Prozent), doch die Verteilung des Vermögens bleibt alles andere als gleichmäßig.

Kurz und gut: Obwohl wachsende Teile der Mittelschicht begründete Abstiegsängste plagen, leben die Deutschen insgesamt als wohlhabende Bürger in einem ärmer werdenden Staat. Trotz hoher Steuerquoten ist die finanzielle Leistungsfähigkeit von Bund, Ländern und Gemeinden schwach. Grund ist der hohe Schuldendienst, der aber oft wieder in die Taschen der eigenen Bürger zurückfließt.

Vor diesem Hintergrund ist auch eine neue Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) zu sehen, wonach satte 71 Prozent der Bürger von der Weltwirtschaftskrise nach eigenen Angaben bislang persönlich nicht betroffen sind. Hier macht sich auch der robuste Arbeitsmarkt bemerkbar: Mit Kurzarbeit von bis zu zwei Jahren Dauer hat der Bund viele Entlassungen verhindert. Diese Politik ist für den Staat kostspielig, doch die jüngsten Konjunkturdaten deuten darauf hin, dass der Aufschwung rechtzeitig kommen könnte, um größere Einbrüche am Arbeitsmarkt zu verhindern. „Der Optimismus der Deutschen kehrt zurück“, erläutert BCG-Konsumexperte Ivan Bascle die Zahlen. „Er hat aber das Vorkrisenniveau noch nicht erreicht.“ Immerhin sei der Anteil der Deutschen, die ihre Ausgaben verringern wollen, deutlich kleiner geworden: Von 64 Prozent im Dezember auf aktuell 44 Prozent.

Bemerkenswert ist auch der internationale Vergleich, den diese Studie enthält. Nur 25 Prozent der Chinesen fühlen sich von der Weltwirtschaftskrise persönlich betroffen, aber 35 Prozent der Franzosen, 49 Prozent der US-Amerikaner und 71 Prozent der Russen. Diese Zahlen spiegeln doch recht genau das Ausmaß, in dem die unterschiedlichen Nationen von der Krise getroffen wurden: China musste „nur“ zeitweilig mit einem Nachfrageeinbruch, insbesondere aus den USA zurechtkommen. Peking hatte aber genug eigene Ressourcen, um die ausgefallene Nachfrage zu ersetzen und rasch aus der Krise zu kommen. Russland dagegen war zunächst massiv betroffen, weil die Preise für Öl, Gas und Metalle zusammenbrachen. Mit der Erholung der Preise ist für Russland rasche Besserung absehbar.

Die Konjukturerholung in Deutschland hat sich unterdessen stabilisiert. Das zweite Quartal hat in vielen Branchen eine zum Teil deutliche Belebung gebracht, mit 1,9 Prozent Wachstum für das Gesamtjahr rechnet die Bundesbank in ihrem neuesten Monatsbericht. Wie bei vielen anderen Aufschwüngen in der Vergangenheit erweist sich einmal mehr der Export als Konjunkturlokomotive. Automobile, Chemie, Maschinen − die deutsche Industrie verkauft in alle Himmelsrichtungen, vor allem die wohl auf Dauer kaufkräftigen Länder in Fernost sorgen für volle Auftragsbücher. Der relativ schwache Euro führt zu satten Gewinnmargen bei Exporten in den Dollarraum. In dieser Lage, da sind sich die Experten einig, ist Haushaltskonsolidierung ohne Risiken für die Konjunktur möglich, und auch besonders notwendig.         Konrad Badenheuer


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