26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.07.10 / Seiner Zeit voraus / Der Einzelgänger, Monarchist und Visionär Jean Raspail wird 85

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-10 vom 03. Juli 2010

Seiner Zeit voraus
Der Einzelgänger, Monarchist und Visionär Jean Raspail wird 85

Die Zeit scheint gegen Jean Raspail zu laufen. Als sein 1990 erschienener Roman „Sire“ 2006 ins Deutsche übersetzt wurde, war die darin geschilderte Utopie bereits vom Kalender überholt – die Handlung spielt nämlich im Jahre 1999. Als sein bekanntestes Werk „Das Heerlager der Heiligen“ hierzulande 2005 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde, war die Handlung von der Wirklichkeit eingeholt. Tatsächlich hieß der neue Papst – wie von Raspail 1973 vorhergesehen – Benedikt XVI. und Europa stand einem Ansturm zahlloser Flüchtlinge aus der „Dritten Welt“ gegenüber. Es war nämlich das Jahr, da sich die Berichte über Flüchtlingsströme aus Afrika mehrten und täglich dramatische Bilder elender, an den südlichen Küsten Europas gestrandeter Flüchtlingsboote um die Welt gingen. Lorenz Jäger bescheinigte in der „Frankfurter Allgemeinen“ Raspails Werk eine „dramatische Aktualität“ und bedauerte, dass die Erstauflage des Buches, das bis dahin ohnehin nur bei einem kleinen, eingeschworenen Kreis Beachtung fand, seit langem vergriffen ist.

Raspail entwirft in seinem Roman eine Vision, in der eine Million Hindus mit Schiffen und Booten über das Meer kommen und in Südfrankreich anlaufen. Die Invasion erfolgt größtenteils friedlich und ohne Waffen. Eine Gegenwehr der Einheimischen scheitert allerdings zum einen an der schieren Überzahl der Gestrandeten, zum anderen an dem mangelnden Willen, sich den Invasoren entgegen zu stellen. Der Ansturm der Parias stärkt nicht die Kampfbereitschaft, sondern das Mitleid.

Raspail wurde zum frühen Mahner einer unbegrenzten Einwanderung nach Europa. Seine warnenden Rufe wurden jedoch miss­achtet, seiner apokalyptischen Vision – obwohl sich „Das Heerlager der Heiligen“ mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen zu einem Bestseller entwickelte – jeglicher Realitätssinn abgesprochen.

Politisch war Raspail niemals aktiv, doch steht er auch mit seinen gelegentlich geäußerten politischen Ansichten auf verlorenem – oder besser gesagt: zeitlich überholtem – Posten. Raspail bezeichnet sich als Monarchisten, als letzten Monarchisten. Auch in seinen Romanen stellt er mehrmals einem gescheiterten Liberalismus die Wiederherstellung des Königtums als Alternative entgegen.

Am 5. Juli wird der in der Nähe von Tours geborene Jean Raspail 85 Jahre alt. Nur ein Bruchteil seines über 30 Romane, Essays und Reiseberichte umfassenden Gesamtwerkes ist bislang ins Deutsche oder ins Englische übersetzt worden. Zahlreiche renommierte Preise und Auszeichnungen, die Raspail zuteilwurden – um nur die wichtigsten zu nennen: 1992 der Grand Prix du roman de la ville de Paris, 2003 der Große Literaturpreis der Académie française –, bürgen für Qualität und Anspruch. Zumindest dieser eine Kampf gegen die Zeit ist noch nicht verloren: Noch besteht nämlich die Möglichkeit, sein Werk auch zu seinen Lebzeiten einem Publikum außerhalb Frankreichs vorzustellen.          Daniel Napiorkowski


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren