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03.07.10 / Deutsche Sendung oder preußischer Staatsegoismus? / Warum Friedrich der Große vor 225 Jahren mit Hannover und Sachsen den Fürstenbund gründete

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-10 vom 03. Juli 2010

Deutsche Sendung oder preußischer Staatsegoismus?
Warum Friedrich der Große vor 225 Jahren mit Hannover und Sachsen den Fürstenbund gründete

Auch nach dem siegreichen Ende des Siebenjährigen Krieges (1756–1763), aufgrund dessen er weiterhin im Besitz der Provinz Schlesien blieb, war Friedrich der Große stets vor einem erneuten Angriff Österreichs auf der Hut. Zwar hatten sich die beiden deutschen Großmächte anlässlich der Ersten Polnischen Teilung 1772 zusammen mit Russland auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt; und mit dem Tode Maria Theresias im Jahre 1780, die den Verlust Schlesiens nie verwunden hatte, war eine Persönlichkeit aus dem Kreis der in Europa regierenden Fürsten ausgeschieden, bei der Revanchegelüste nicht ausgeschlossen werden konnten. Andererseits stellte ihr Sohn und Erbe, Kaiser Joseph II. (1741–1790), insofern eine Bedrohung für Preußen dar, als seine Politik, wenn auch nicht direkt auf Schlesien, so doch auf eine Vergrößerung seiner Macht im Reich abzielte.

Bereits als der Kurfürst von Bayern im Jahre 1777 gestorben war, hatte Friedrich sich zur Truppenmobilisierung genötigt gesehen, im Angesicht des Dranges des österreichischen Mitregenten, sich Teile von Bayern unter den Nagel zu reißen. Der Bayerische Erbfolgekrieg (1778/1779), der aufgrund der menschlichen Politik Maria Theresias und Friedrich des Großen fast gänzlich unblutig verlief, war dem Preußenkönig ein Warnsignal, und er suchte nach einer Möglichkeit, weiteren Expansionsgelüsten des Kaisers von vornherein entgegenzuwirken.

Vor diesem Hintergrund hat man die Anstrengungen des Preußenkönigs zur Gründung eines deutschen Fürstenbundes häufig als ein rein an den Partikularinteressen Preußens orientiertes Handeln interpretiert. Das war sicherlich ein Aspekt, der als Nebeneffekt nicht verschwiegen werden darf. Andererseits muss man auch erkennen, dass der Kampf um die Vormachtstellung im Reich zwischen Preußen und Österreich nicht allein auf die beiden konkurrierenden Mächte beschränkt werden konnte. Alle anderen deutschen Staaten, und seien sie noch so klein, sahen sich veranlasst, Position für eine der beiden Staaten zu beziehen. In diesem Ringen um die Vormachtstellung war der Preußenkönig eindeutig phantasievoller und vorausschauender als die österreichische Konkurrenz, denn Friedrich bereitete mit der von ihm initiierten Gründung eines Fürstenbundes die Auseinandersetzung friedlich vor, die dann der Reichskanzler Otto von Bismark (1815–1898) im Jahre 1866 militärisch vollendete.

Am 24. Oktober 1784 übersandte der König an seine Minister Karl Wilhelm Graf Finck von Finckenstein (1717–1800) und Ewald Friedrich von Hertzberg (1725–1795) seine Schrift „Projet de la ligue à former entre les princes d’Allemagne“. Darin entwarf er die Vision der Neuinszenierung eines – wie er es in einem Brief vom 1. November 1784 nannte – „Schmalkaldischen“ Bundes. Der Schmalkaldische Bund war ein am 27. Februar 1531 geschlossenes Bündnis – allerdings nur evangelischer Fürsten – gegen die Religionspolitik Kaisers Karls V. (1500–1558) gewesen. Friedrich dachte bei seiner Vision eines Fürstenbundes aber an ein Verteidigungsbündnis der Fürsten beider Konfessionen, das jedem Fürsten die Rechte aus der Goldenen Bulle von 1356 gegen einen „herrschsüchtigen und unternehmenden Kaiser“ garantiere. Insbesondere wollte er den Reichstag und das Reichsgericht zu Wetzlar stärken und auch die Besetzung kirchlicher Positionen durch den Kaiser hemmen, da dadurch der Kaiser auf den Reichstagen die Reichsverfassung „stück­weise vernichte“. Er sprach sogar davon, dem Kaiser, wenn es denn nötig sei, ein Heer entgegenzustellen.

Bedenken, die beide Minister unverzüglich erhoben, wollte Fried­rich mit Hertzberg erörtern und bat ihn am 1. November 1784 zu sich nach Potsdam. In seiner Ladung machte er deutlich, dass er selbst mit den Fürsten besonders ins persönliche Gespräch (nicht in Person aber durch seine Minister) kommen wolle, da das auch in der Vergangenheit das beste Mittel gewesen sei, zu einer Einigung zu gelangen.

Die Frage, die in der Folgezeit eine Rolle gespielt hat, ob Fried­rich damit tatsächlich eine Reichspolitik betrieben habe, oder ob es ihm vielmehr darum gegangen sei, Preußen in der damals bestehenden Isolation neue Bündnispartner zu gewinnen, lässt sich am besten so beantworten, dass hier beide Zielsetzungen, die einander ergänzten, verfolgt wurden.

Am 23. Juli 1785 wurde dann zunächst ein Drei-Kurfürsten-Bund zwischen Preußen, Hannover und Sachsen geschlossen, dem sich bald acht weitere protestantische Reichsfürsten anschlossen. Aber auch der katholische Erzbischof von Mainz, Friedrich Karl Freiherr von Erlach (1719–1802) konnte für den Fürstenbund gewonnen werden. Damit war die Schwelle zum überkonfessionellen Bündnis überschritten. Seine Ziele waren rein defensiver Natur und mit ihm waren keinerlei territoriale Vergrößerungen beabsichtigt. Der Fürstenbund wurde von vielen Bewohnern der deutschen Kleinstaaten in patriotischer Begeisterung aufgenommen. Ob diese Euphorie Vereinigungsimpulse getragen hätte, bleibt offen, denn die Entwicklung seines Projekts hat Friedrich dann nicht mehr beeinflussen können.       Jürgen Ziechmann


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