25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.07.10 / Arztstunde in der Schule / Medizinerinnen beantworten Fragen von Mädchen und jungen Frauen zu ihrem Körper

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-10 vom 03. Juli 2010

Arztstunde in der Schule
Medizinerinnen beantworten Fragen von Mädchen und jungen Frauen zu ihrem Körper

Den eigenen Körper schätzen und schützen lernen, so lautet das Präventionskonzept der Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung der Frau e.V. (ÄGGF). Im Sinne ganzheitlicher Gesundheit haben sich in dieser bundesweiten, gemeinnützigen Organisation 85 Ärztinnen zusammengeschlossen, um Mädchen und Frauen über gynäkologische Zusammenhänge aufzuklären.

Die Ärztinnen der ÄGGF, fast ausnahmslos selbst Mütter, gehen an Hunderte von Schulen, vorrangig an Haupt-, Real- und Gesamtschulen, denn die sozial bedingten Unterschiede bei den „Gesundheitschancen“ sind dort besonders groß. Sie treffen dort auf Mädchen zwischen 10 und 16 Jahren und erfahren fast immer positive Resonanz. Erfahrene Pädagogen schätzen die „Arztstunde“ ebenso wie die Jugendlichen; aber auch die Eltern sind mit diesem Modell ärztlicher Gesundheitsförderung und Sexualerziehung meist einverstanden. Nicht nur die höchste fachliche Qualifikation der Ärztinnen, sondern auch die zurückhaltende und einfühlsame Vermittlung intimer Themen findet Anklang. 95 Prozent der Schülerinnen beurteilen das Gespräch mit einer ÄGGF-Ärztin als sehr gut oder gut.

Die ÄGGF wurde vor gut 50 Jahren gegründet und arbeitet heute unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. sowie der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin e.V. Dem Präventionskonzept der ÄGGF wurde im Jahre 2002 vom Jugendforschungsbereich des Robert-Koch-Instituts ein signifikanter Erfolg bescheinigt, mehrfach wurde es mit Preisen ausgezeichnet.

Die Nachfrage nach der „Arztstunde“ an Schulen und anderen Einrichtungen steigt stetig. Deswegen müssen immer mehr Ärztinnen für diese freiberufliche Tätigkeit eingestellt werden. Im Jahr 2008 fanden bundesweit 7000 Schulveranstaltungen statt und mehr als 120000 Jugendliche an Schulen wurden unterrichtet. Damit verdoppelten sich in drei Jahren die Veranstaltungszahlen. Der besondere Reiz an diesen Stunden liegt darin, einmal ganz unter sich mit einer Ärztin alle Fragen rund um den eigenen Körper zu besprechen. Dabei geht es besonders um den weiblichen Zyklus, Sexualität, Schwangerschaft und Impfungen; aktuell besonders zur HPV-Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs.

Die Ärztinnen treffen bei den Mädchen auf immer wieder ähnliche Problemstellungen. Je geringer der angestrebte Bildungsabschluss, desto früher setzt die sexuelle Aktivität ein. Aber auch bei Gymnasiastinnen herrscht häufig ein wenig angewandtes und überschätztes Wissen vor. Das Verhütungsverhalten zeigt sich öfter als mangelhaft beziehungsweise optimierbar. Gut akzeptiert werden von den Mädchen alle Informationen über die Wege gynäkologischer Prävention (erster Besuch beim Frauenarzt).

Die Ärztinnen der ÄGGF suchen aber neben dem Schulunterricht auch nach neuen Feldern für ihre präventivmedizinische Arbeit. So entstanden in den vergangenen Jahren neue Arbeitsgebiete bei Sportvereinen, in der Prävention des Rauchens und bei Migrantinnen. Wissenschaftliche Erhebungen belegen, dass Mädchen in weit höherem Maße als Jungen mit ihrer körperlichen Ausstattung unzufrieden sind. Sportliche Aktivitäten von Mädchen dagegen fördern das Vertrauen in den eigenen Körper sowie den Aufbau sozialer und emotionaler Beziehungen zu Gleichaltrigen. Als besonders hilfreich gegen das angeblich unvermeidliche „Zickenverhalten“ in der Pubertät gilt der ritualisierte Tagesablauf und Vorschriften bei sportlichem Training. Gerade diese Regeln helfen den Mädchen in der Übergangsphase der Pubertät; nicht zuletzt ist der gewichtsreduzierende Effekt ein zusätzliches Bonbon der sportlichen Aktivität. Aufgabe der Ärztinnen ist es beispielsweise, in Sportvereinen über die anatomischen und physiologischen Vorgänge während der Menstruation aufzuklären.

Ein zweites neues Feld der Ärztinnen der ÄGGF ist die Prävention von Raucherkarrieren. Junge Mädchen zum Rauchstopp zu animieren ist dabei gar nicht so einfach. „Frei sein, gesund sein, gerne Mädchen sein!“ – so lautet der Titel des neuen Faltblattes zum Thema Nichtrauchen speziell für Mädchen. Die Deutsche Krebshilfe und die ÄGGF klären damit insbesondere zwölf- bis 17-jährige Mädchen über die Folgen des Tabakkonsums auf. Denn: 16 Prozent von ihnen rauchen und riskieren damit Gesundheit und Zukunft. Jugendliche Raucherinnen haben beispielsweise ein dreimal höheres Brustkrebsrisiko als Nichtraucherinnen. Darüber hinaus schwächt Rauchen das Immunsystem; junge Mädchen werden dadurch anfälliger für sexuell übertragbare Krankheiten wie Pilz- oder HPV-Infektionen.

Ein drittes neues Feld packen die Ärztinnen der ÄGGF erst seit dem vergangenen Jahr an. Über 30 Ärztinnen der ÄGGF führten 2009 in einem von der Europäischen Union (EU) geförderten Projekt bundesweit Unterrichtsveranstaltungen für Frauen aus Nicht-EU-Staaten durch. Auch hier klärten die Ärztinnen über gynäkologisch ausgerichtete Themen auf. Wichtig für die Migrantinnen waren aber auch Informationen, wie man einen Zugang zum hochentwickelten deutschen Gesundheitssystem erhalten kann. Teilweise mit  Dolmetschern überwanden die Ärztinnen die vorhandenen Sprachbarrieren. An den 423 Veranstaltungen nahmen mehr als 4700 Frauen teil.

Eine Ärztin aus Hamburg berichtete begeistert von ihren Erfahrungen mit den teilnehmenden Frauen. Es herrsche bei Teetrinken und Gespräch fast immer eine herzliche und offene Atmosphäre. Da könne man es auch gut verschmerzen, wenn die deutsche Pünktlichkeit noch nicht erlernt worden sei und alles etwas länger dauere.

Die Frauen mit Migrationshintergrund zeigten einen großen Informationsbedarf, wobei die Ärztinnen über eine kultursensible Ansprache verfügen müssen. Der Imam von der Moschee ist teilweise mit in die Vermittlung des Angebots einbezogen, sonst würden viele Frauen nicht kommen dürfen.            Hinrich E. Bues


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren