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10.07.10 / Integration per Quote / Das Land Berlin legt ein Eckpunktepapier vor − Zahl der Immigranten ohne Schulabschluss steigt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-10 vom 10. Juli 2010

Integration per Quote
Das Land Berlin legt ein Eckpunktepapier vor − Zahl der Immigranten ohne Schulabschluss steigt

Ein gefährlicher Trend zwingt die deutsche Politik zum Handeln: Unzählige Schulversager mit Immigrationshintergrund auf der einen Seite, Zigtausende hoch Qualifizierte, die das Land verlassen, auf der anderen. In Berlin soll nun  eine gesetzliche „Migrantenquote“ die angebliche Benachteiligung von Zuwanderern abbauen.

Dienstagmorgen, 9 Uhr: Auf der Orga-Tagung eines großen deutschen Versicherungsunternehmens wird den Außendienstmitarbeitern die künftige Firmenstruktur vorgestellt. Direkte Ansprechpartner in den Fachabteilungen wird es nicht mehr geben, alle Anfragen werden über Callcenter abgewickelt, wenn sie nicht online mit der Zentrale geklärt werden können. Die Callcenter der Zukunft sind in der Türkei angesiedelt.

Wie das funktionieren soll? Die deutschsprachigen Callcenter-Agenten warten schon vor Ort. Wie etwa der Gastarbeitersohn aus Eggenfelden aus Niederbayern, über den der „Spiegel“ jüngst berichtete. Der 38-Jährige arbeitet heute in einem deutschen Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern in der Türkei, das fast ausschließlich Deutsch-Türken beschäftigt.

Vor allem gut integrierte Deutsch-Türken kehren Deutschland den Rücken. 40000 Türken und türkischstämmige Deutsche verließen im vergangenen Jahr die Bundesrepublik. Meist sind es Akademiker, die aus wirtschaftlichen und steuerlichen Gründen auswandern. Der Zuwanderungstrend hat sich damit umgekehrt, denn im gleichen Zeitraum kamen nur noch 10000 Türken nach Deutschland. Hier ausgebildete Akademiker haben gute Chancen auf dem türkischen Arbeitsmarkt, weil sie mehrere Sprachen sprechen und die geschätzten deutschen (Sekundär-?)Tugenden wie Zuverlässigkeit und Fleiß mitbringen. Die meisten versuchen ihr Glück in Istanbul, weil dort die Chancen auf dem Arbeitsmarkt am größten sind und der Kulturschock für sie erträglicher ist. Weniger qualifizierte Deutsch-Türken bleiben lieber in Deutschland, weil sie in der Türkei mit einer hohen Zahl von Billiglöhnern konkurrieren müssten. Der Mindestlohn liegt in der Türkei bei umgerechnet 380 Euro im Monat, Sozialhilfe gibt es nicht. Der Verlust der Hochqualifizierten bedroht die deutsche Wirtschaft. Experten befürchten, schon in fünf Jahren könnten drei Millionen qualifizierte Arbeitskräfte fehlen.

Berlin will nun als erstes Bundesland diesem Trend mit einem Integrationsgesetz entgegenwirken. Darüber, dass man der Integration mehr Beachtung schenken muss, sind sich die Politiker einig. Strittig ist hingegen die Frage, wie weit der Staat Integration gesetzlich regeln kann und sollte.

Der Integrationsbericht der Bundesregierung belegt das Problem schwarz auf weiß: Die Zahl der Migrantenkinder, welche die Schule ohne Abschluss verlassen, ist um ein Drittel auf 13,3 Prozent gestiegen. Dem steht nur eine kleine Elite von hoch qualifizierten Migranten gegenüber. Eine wachsende Zahl von jugendlichen Zuwanderern hat auf dem deutschen Arbeitsmarkt kaum noch Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Auch bei den deutschen Jugendlichen ist ein Anstieg der Schulversager zu beobachten, ihre Quote ist auf sieben Prozent gestiegen. Zwar holen die Migranten laut dem Bericht langsam auf, weil der Anteil der Realschulabschlüsse und die Quote der Abiturienten leicht angestiegen ist, doch die Mehrheit der Migranten (43 Prozent)verlässt die Schule mit einem Hauptschulabschluss.

Berlin hat als erstes Bundesland einen konkreten Entwurf für ein Integrationsgesetz ausgearbeitet, das noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll. Die Berliner Sozialministerin Carola Bluhm („Die Linke“) hat jetzt ein „vertrauliches Eckpunktepapier“ für das Gesetz vorgelegt, über das nun heftig diskutiert wird. Das elfseitige Papier umfasst 15 Artikel und sieben Paragraphen.

Fast alle Artikel beinhalten Änderungen bereits bestehender Gesetze. Sie sollen unter anderem im Schul- und Sportfördergesetz, im Seniorenmitwirkungs- und Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz nur einzelne Wörter ergänzen. Im Gesetz für Sonn- und Feiertage etwa wird der Begriff „kirchliche Feiertage“ durch „religiöse Feiertage“ ersetzt, damit zählen auch muslimische und jüdische Feiertage dazu. Mit dem Gesetz werden auch die von der Scharia geforderten „rituellen Waschungen“ und Beerdigungen ohne Sarg zugelassen, wofür strikte Regeln und Hygienevorschriften vorgegeben werden.

Neu ist, dass das Ziel der Eingliederung von Einwanderern folgendermaßen definiert wird: „Jede Benachteiligung und Bevorzugung von Menschen mit Migrationshintergrund ist auszuschließen.“ Gegen ein so gefasstes Diskriminierungsverbot wäre wenig einzuwenden, es fragt sich nur, ob Verzicht auf Benachteiligung und Bevorzugung mit gelungener Integration gleichzusetzen ist.

Vor allem aber „beißt“ sich diese Klausel mit der vom Land Berlin angestrebten Quote von Immigranten im öffentlichen Dienst. Im heftig umstritten Paragraph 4 des Entwurfes steht nämlich „der Senat strebt die Erhöhung des Anteils der Beschäftigten mit Migrationshintergrund entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung an“. Das heißt, in Berlin wird künftig jeder vierte Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst einen Migrationshintergrund haben. Wie das in der Praxis mit dem Leistungsprinzip und dem Bevorzugungsprinzip zu vereinbaren sein soll, ist unklar.

140 Vereine waren aufgerufen, Stellungnahmen zum Eckpunktepapier beim Senat abzugeben. Die Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus. Kritisiert wurde, dass − im Gegensatz zur Bundesebene − die Berliner Definition die Enkel, also die dritte Generation, ausschließt. Elena Brandalise vom Migrationsrat Berlin-Brandenburg bemängelt, dass in den Medien von einer Bevorzugungspolitik die Rede sei, dabei gehe es um eine „positive Gleichbehandlung“, wie sie in der vom europäischen Gerichtshof als zulässig erklärten gleichstellenden Frauenpolitik praktiziert wird. Maryam Stibenz, Integrationsbeauftragte des Bezirks Mitte und Tochter iranischer Einwanderer, hält das Gesetz für abstrakt, realitätsfern und überflüssig, da wir schon ein Antidiskriminierungsgesetz hätten, das nichts bewirke. Eine Migrantenquote würde sie dennoch begrüßen. Stibenz warnt aber auch vor einer weiteren Stigmatisierung der jugendlichen Migranten, weil das Integrationsgesetz einmal mehr ihr Bewusstsein stärke, dass sie nicht deutsch sind.       M. Rosenthal-Kappi


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