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10.07.10 / Warum Selbsttötung?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-10 vom 10. Juli 2010

Warum Selbsttötung?
von Harald Fourier

Plötzlich scheint sie nur noch Freunde gehabt zu haben: Niemand sagt über Kirsten Heisig heute noch ein schlechtes Wort. Dabei war sie nicht nur Berlins bekannteste Richterin, sie hatte auch eine Menge Gegner. Das nicht allein bei den Delinquenten, die sie verurteilt hat. Unter  anderen Richtern sei sie sich „wie ein Exot vorgekommen“, hat sie geklagt. Und führenden Politikern wie der Justizsenatorin Gisela von der Aue sei sie sogar mächtig auf die Nerven gegangen, wird gemunkelt.

Warum nur ist sie freiwillig aus dem Leben geschieden? Obwohl die Polizei am Tatort und bei der Obduktion des Leichnams keine Anzeichen für ein Fremdverschulden hat  feststellen können, wollen viele Berliner es nicht glauben. Sie fragen, warum es keinen Abschiedsbrief gibt? Warum die Leiche solange vergeblich gesucht wurde, obwohl sie nur 500 Meter von ihrem Auto entfernt an  einem Baum hing? Warum sollte Heisig noch Korrekturen an ihrem Buch vornehmen und einen Verwandten besuchen, um sich dann mir nichts, dir nichts zu erhängen? Und überhaupt: Ist Erhängen nicht ein typisch „männlicher“ Suizid?

Es hat seine Gründe, dass viele Berliner den vorläufigen Ermittlungsergebnissen und dem blitzschnellen Urteil der Medien misstrauen: Der Suizid der Kirsten Heisig erinnert sie auf fatale Weise an den des Computerspezialisten Lars Oliver Petroll, der ebenfalls an einem Baum hängend im Grunewald gefunden worden ist.

Das war vor neun Jahren, als der Skandal um die Bankgesellschaft Berlin in vollem Gange war. Petroll hatte für Aubis gearbeitet, eine Immobilienfirma, die unseriöse Geschäfte getätigt hat, für die jetzt die Steuerzahler aufkommen müssen. Petroll wollte gegenüber der Justiz auspacken und vielleicht auch seine Bosse erpressen.

Auf jeden Fall hing er dann eines Tages tot im Wald. Die Polizei ermittelte schlampig, übersah Kunststoffseile am Tatort, mit denen er gefesselt worden sein könnte. Beweismittel wurden vernichtet und die Leiche auf Anraten der Polizei von den Angehörigen eingeäschert. Eine nachträgliche Obduktion war nun unmöglich.

Für Polizei und Staatsanwaltschaft hat sich Petroll bis heute selbst getötet, obwohl doch einiges eher auf Fremdeinwirkung hindeutet. Der ganze Vorgang ist der größte Justizskandal des wiedervereinigten Berlins. Im Falle von Kirsten Heisig indes gibt es keine Hinweise auf einen gewaltsamen Tod, nur Vermutungen. Außerdem hat die Justiz im Fall einer ermordeten Richterin bestimmt besonders sorgfältig ermittelt. Dennoch wabern bohrende Fragen durch die Straßen der deutschen Hauptstadt.


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