20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
10.07.10 / Den hässlichen Kern entblößt / SPD-Chef Sigmar Gabriel nötigte mit seinem Präsidentschaftskandidaten »Die Linke« zur Selbstentlarvung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-10 vom 10. Juli 2010

Den hässlichen Kern entblößt
SPD-Chef Sigmar Gabriel nötigte mit seinem Präsidentschaftskandidaten »Die Linke« zur Selbstentlarvung

Auf den ersten Blick sah es so aus, als wäre die schwarz-gelbe Regierung der große Verlierer der Präsidentenwahl vergangene Woche. Doch es gibt noch einen anderen Verlierer: die Partei „Die Linke“.

Selten wohl hat ein Verlierer so viel gewonnen bei einer Wahl wie der unterlegene Joachim Gauck bei der Wahl zum Bundespräsidenten: Nicht nur bescherte ihm die Kandidatur einen letzten Höhepunkt in seinem beruflichen Lebensweg, der glanzvoller kaum hätte ausfallen können.

Der Bürgerrechtler und Stasi-Aufklärer hätte seine historische Mission nicht besser abschließen können als mit diesem Auftritt. Denn nach Jahren der Schönrednerei und der Vergangenheitsvertuschung machte die Reaktion der Linkspartei auf Joachim Gauck schlagartig sichtbar, wie viel vom SED- und Stasi-Staat noch immer in der mehrfach umbenannten Truppe stecken.

Man werde Gauck nicht wählen, weil er für den Afghanistankrieg sei und „neoliberale“ Ansichten vertrete, schob die „Linke“-Galionsfigur Gregor Gysi vor. Dass es sich dabei um klamme Ausreden handelte, war indes für jedermann erkennbar. Dafür hatte die Co-Vorsitzende Gesine Lötzsch persönlich gesorgt. Unmittelbar nach Gaucks Nominierung tat sie verbittert kund: Wenn SPD und Grüne gezielt nach einem Kandidaten gesucht hätten, den ihre Genossen auf keinen Fall wählen würden, dann sei ihnen dass mit der Kür des Theologen gelungen.

Da war noch nichts von Afghanistan oder „neoliberal“ zu hören. Wie auch? Als Inbegriff des Kampfbegriffs „neoliberal“ gilt der äußersten Linken schließlich die Agenda 2010 und das Hartz-IV-System, was bekanntlich ein Projekt der rot-grünen Regierung Schröder/Fischer war, ebenso wie der Afghanistan-Einsatz. Wären dies die entscheidenden Kriterien der SED-Nachfolger gewesen, hätten sie von vornherein niemandem zustimmen können, den SPD und Grüne aufgestellt haben.

Allein seine Rolle als prominenter Bürgerrechtler und noch viel mehr sein Lebenswerk, der Aufbau der damals gemeinhin nach ihm benannten Behörde zur Aufdeckung von Stasi-Verbrechen, war es, die ihn für den linken Rand unwählbar machten.

Ein Umstand, der Fragen nach den Motiven insbesondere von SPD-Chef Sigmar Gabriel aufwirft. Hatte er sich beim Verhalten der Linkspartei verrechnet? Wollte er den SED-Erben eine goldene Brücke bauen, um sich von ihrer schmutzigen Vergangenheit reinzuwaschen, so ist dies gründlich misslungen. Das Gegenteil ist eingetreten. Gabriels strategisches Geschick ist indes unbestritten, weshalb eher gemutmaßt werden darf, dass der Schachzug mit voller Absicht geschah. Dafür sprechen auch seine Reaktionen nach der Präsidentenwahl: Statt Gaucks deutschlandweit mit lagerübergreifender Sympathie begleiteten Auftritt zu einem strahlenden Sieg der Opposition zu erklären, erging sich der SPD-Chef in heftigen Attacken an die Linkspartei: Mit ihrer Verweigerung hätten die Linken nur dem Koalitionskandidaten Christian Wulff in die Hände gespielt und sonst nichts erreicht.

Wer so spricht, will offenbar keine freundlichen Bande zur Führung der Linkspartei pflegen. Er will vielmehr Ärger säen bei deren Wählern über das Verhalten der eigenen Repräsentanten, in dem Wunsche, diese Wähler für die SPD zurückzugewinnen.

Die Anhänger rot-rot-grüner Bündnisse zeigen sich entsprechend wütend. So wirft der Kommentator der „Zeit“ der SPD-Führung vor, gegen die Linkspartei eine Rhetorik „wie im Kalten Krieg“ gepflegt zu haben. Sozialdemokraten hätten gegen die „Linke“ geholzt, getobt und gedröhnt, klagt die „Zeit“.

Als zweite große Verliererin neben der Linkspartei wird allenthalben Kanzlerin Angela Merkel ausgemacht. Trotz einer satten schwarz-gelben Mehrheit von 644 zu 600 Wahlmännern sollte der entscheidende Durchbruch erst im dritten Wahlgang gelingen. Dass es sich hierbei um ein Miss-trauensvotum bürgerlicher Abstimmer gegen Christian Wulff gehandelt haben könne, das glaubt im In- wie im Ausland niemand. Der Wiener „Standard“ zieht vielmehr ein für die Zukunft der CDU-Chefin gefährlich klingendes Resümee: Für Ursula von der Leyen hätte die Kanzlerin vielleicht auch die SPD gewinnen können. Stattdessen habe Merkel auf Wulff gesetzt. Und zwar nur, um damit ihren allerletzten innerparteilichen Konkurrenten loszuwerden. Dieser Schachzug zeige, dass die Kanzlerin kein Gefühl mehr habe für die Stimmung unter den eigenen Leuten.

Wie weit der Unmut dort gediehen ist, hat die Präsidentenwahl gezeigt. Nach dem neunstündigen Wahltag besuchte Merkel noch das Sommerfest der hessischen Landesvertretung in Berlin. Teilnehmer dieses letzten von Gastgeber Roland Koch veranstalteten Festes berichten von einer schweigenden, starren, in sich gekehrten Kanzlerin. Sie wird es besonders gewurmt haben, dass es einer Rede von Koch zugeschrieben wird, dass Wulff im dritten Wahlgang doch noch knapp die absolute Mehrheit erhielt und von den anfangs 44 Abweichlern „nur“ noch 19 bei ihrer Entscheidung blieben. Koch habe die Seele der Wahlleute getroffen, Merkel (mal wieder) nicht, heißt es in Unionskreisen.

Offenbar aber ist die Kanzlerin entschlossen, die Kommunikation in der Koalition, die sich monatelang vornehmlich öffentlich in den Haaren lag, zu verbessern. Vergangenen Dienstag besuchte sie die FDP-Fraktion, wo sie auf einen Vizekanzler traf, den die jüngsten Ereignisse kaum weniger mitgenommen haben. Auch FDP-Chef Guido Westerwelle sei nach dem Wahlkrimi noch angeschlagener als zuvor, heißt es in Berlin.                Hans Heckel


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren