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10.07.10 / Einseitige Versöhnung / 60 Jahre Charta der Heimatvertriebenen in Berlin gefeiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-10 vom 10. Juli 2010

Einseitige Versöhnung
60 Jahre Charta der Heimatvertriebenen in Berlin gefeiert

Die Charta der deutschen Heimatvertriebenen vom 5. August 1950 ist nach den Worten von Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, eines der „eindrucksvollsten Dokumente der Versöhnung“ in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Vertriebenen hätten damals ihre Bereitschaft zur Versöhnung bekundet, und: „Sie haben Wort gehalten; sie halfen mit, das vereinte Europa zu schaffen.“

Vor 60 Jahren, am 5. und 6. August 1950, war dieses immer wieder zitierte Dokument in Stuttgart von Vertretern von Landsmannschaften und Vertriebenenverbänden unterzeichnet und vor 100000 Menschen verkündet worden. Daran erinnerte jetzt die Konrad-Adenauer-Stiftung am 3. Juli in Berlin mit einem prominent besetzten Colloquium, das auch deutlich machte, wie sehr historische Erinnerung mit Gegenwartsfragen verknüpft ist.

Kauders positiver Wertung der Charta schlossen sich die anderen Redner an. Der Würzburger Historiker Matthias Stickler sprach von einem „Schlüsseldokument der deutschen Nachkriegsgeschichte“. Und Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach meinte, „diese erste große Willenskundgebung der Vertriebenen war durch die ganze Geschichte der Bundesrepublik hindurch und zwischen allen sonst so unterschiedlichen politischen Lagern niemals strittig“.

In der Tat konnte die Charta kein Anlass zum Streit bieten. Die Vertriebenen hatten eindeutig auf Rache und Vergeltung verzichtet, sich für Versöhnung und für „die Schaffung eines geeinten Europas“ in Frieden und Freiheit ausgesprochen. Der Gottesbezug in der Präambel war bewusst an den des Grundgesetzes angelehnt.

In den osteuropäischen Ländern blieb, so die Gäste aus Polen und Tschechien, Karol Sauerland und Kristina Kaiserová, die Bekundung zur Versöhnung ohne Resonanz, die Vertriebenen blieben dort „Militaristen“ und „Revanchisten“. Das hat sich inzwischen geändert. Frau Kaiserová, Historikerin an der Universität Aussig, berichtete, dass man in ihrem Land heute „offen“ über das Thema Vertreibungen spreche, dass Filme über die Vertreibung der Deutschen zu bester Sendezeit gezeigt würden, dass aber gleichwohl alles in allem die Vertreibung doch als gerecht angesehen werde.

Sauerland, ein auch im Westen hochangesehener Germanist aus Warschau und Thorn, erinnerte an die „Gewalterfahrung der Polen von zwei Seiten“ und fragte mit Blick auf die Vertreibung der Polen aus ihren Ostgebieten 1944/45, warum in allen Debatten über Vertreibungen „immer die Sowjets ausgeschlossen bleiben“. Heute sei das Thema Vertreibungen in Polen kein Tabu mehr; in Büchern besonders aus Danzig, Stettin und Breslau sei es präsent.

Es war Volker Kauder, der auch den Bezug zur Gegenwart herstellte. Was 1950 für die Charta als Angebot zur Versöhnung gelte, müsse auch heute gelten: eine Versachlichung des Gesprächs im nationalen und grenzüberschreitendem Rahmen bei dem strittigen Thema zur Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“. Der „von Deutschland entfesselte Vernichtungskrieg“ werde von niemand infrage gestellt; bei der geplanten Stiftung gehe es darum, leidvolle Erfahrungen für die Zukunft fruchtbar zu machen. Kauder zu Frau Steinbach: „Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht bei der Etablierung des Zentrums an Eurer Seite.“ Dirk Klose


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