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10.07.10 / Billiges Lob für die Charta

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-10 vom 10. Juli 2010

Billiges Lob für die Charta
von Konrad Badenheuer

Es ist gut, dass die Konrad-Adenauer-Stiftung das 60-jährige Bestehen der Charta der deutschen Heimatvertriebenen mit einer hochrangig besetzten Podiumsdiskussion in Berlin gewürdigt hat. Bei näherem Hinsehen weniger überzeugend ist allerdings, was dort gesagt wurde. So war es (um nur ein Beispiel zu nehmen) schief, dass Unionsfraktionschef Volker Kauder diese Charta eines der „eindrucksvollsten Dokumente der Versöhnung in der Geschichte der Bundesrepublik“ nannte.

Das war sicher gut gemeint, doch die rund 100000 Menschen, die am 5. August 1950 in Stuttgart die Charta verkündet hatten, hätten dennoch keine Freude an diesem Lob gehabt. Denn zum einen ist die Charta weit mehr als eine Sache der deutschen Innenpolitik, zum anderen verstanden ihre Autoren unter „Versöhnung“ etwas anderes als Kauder.

Der Charta ging es um die Durchbrechung des Teufelskreises der Gewalt zwischen Deutschen einerseits sowie Polen, Tschechen und anderen Völkern Ostmitteleuropas andererseits. Die Charta auf die Innenpolitik zu reduzieren, über die sie nur wenige Aussagen macht, geht an ihren wichtigsten Zielen und an ihrem Geist vorbei.

Diese erhebliche Ungenauigkeit kommt allerdings nicht von ungefähr. Spätestens seit der im Kern völkerrechtswidrigen „Danziger Erklärung“ des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau vom 29. Oktober 2003 betrachten auch eher konservative deutsche Politiker das Thema Vertreibung meist nur noch unter innenpolitischen Aspekten: Wählen die uns noch? Was kostet die Erfüllung ihrer Anliegen und Projekte – gerechnet in Euro und in außenpolitischem Porzellan? Vielleicht müssen Politiker so denken, nur hat es eben nicht mehr viel zu tun mit den Anliegen derer, die 1950 die Charta proklamiert haben.

Sie waren bereit, solange auf ihre Rechte zu verzichten, wie diese mit ausschließlich friedlichen Mitteln nicht durchsetzbar wären. Sie waren aber keineswegs bereit, eine Politik der Anerkennung des durch die Vertreibung geschaffenen Unrechtszustandes mit dem Wort „Versöhnung“ zu adeln. Im politischen Berlin und erst recht in Warschau hört und liest man es ungern, aber es bleibt wahr: Die heute zwischen den Politikern erreichte „Versöhnung“ entspricht dem, was Stalin und Gomulka schon 1950 wollten: Deutschland möge auf alles verzichten, dann ist „Freundschaft“ möglich! In dieser Logik war nicht die Vertreibung das große Problem zwischen Deutschland und Polen, sondern die Vertriebenen selbst und ihr Insistieren auf Gerechtigkeit. Oder anders gesagt: Die „Versöhnung“ das Jahres 2010 hätten wir auch 1950 schon haben können.

Das große Anliegen der Charta, das Recht auf die Heimat, ist nicht ansatzweise verwirklicht. Für die heutige deutsche Politik des radikalen Verzichts mag es Gründe geben. Nur sollten ihre Vertreter sich nicht auf die Charta der Vertriebenen berufen – auch nicht indirekt durch wohlfeiles Lob.


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