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10.07.10 / Der Musik der Stille lauschen / Unterschwellige Musik im Alltag: Ein Plädoyer gegen die akustische Umweltverschmutzung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-10 vom 10. Juli 2010

Der Musik der Stille lauschen
Unterschwellige Musik im Alltag: Ein Plädoyer gegen die akustische Umweltverschmutzung

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, welch großen Anteil Musik in Ihrem Leben einnimmt? Vom Aufstehen bis zum Schlafengehen sind Sie nahezu pausenlos von Musik umgeben. Mit Musik werden Sie geweckt. Musik begleitet Sie beim Frühstück aus dem Radio oder aus dem Fernsehen, auf dem Weg zur Arbeit im Autoradio oder in der Bahn mit dem unumgänglichen MP3-Player im Ohr. Das Musik-hören bei der Arbeit will ich nicht genauer hinterfragen, aber auch dort spielt sie eine große Rolle. Bei handwerklichen und technischen Berufen ist Musik immer vorhanden. Bevor ein Maurer nach seiner Kelle greift, stellt er erst einmal sein Radio ein. Nach der Arbeit beginnt eine besonders intensive Zeit des Musikhörens. Das Erledigen der Schularbeiten, das Lesen eines Buches, die Arbeit der Hausfrau in der Küche – oft ist es von Musik umgeben. Am Abend die schmerzlichen Phonstärken in den Diskos, die Musikberieselung bei festlichen Anlässen (die jedes Gespräch verhindert), die Hintergrundmusik in Gaststätten, ja, sogar auf dem Fußballplatz ist man durch die grölenden Fangesänge von Musik und Gesang umgeben. Die Radio- und die Fernsehsendungen sind mit Musik voll gestopft. Ich wundere mich, dass man beim Kauf von Zeitungen und Zeitschriften nicht eine CD mit Musik mitgeliefert bekommt, die das Lesen motivieren soll. Um Gottes Willen! Ich will hier keine Vorschläge machen, die dann noch realisiert werden. Der Tag endet dann mit der Schlaf-Taste am Radio, mit der uns die Musik noch weit in den ersten Schlummer begleitet.

Musik ist für den Menschen eine existenzielle Notwendigkeit. Wie die Luft zum Atmen und die tägliche Nahrung. Sie ist in diesem Zusammenhang ein unerklärliches Phänomen. Nun muss man aber unterscheiden zwischen einer Musik, die man willentlich bewusst hört, und einer anderen, die irgendwann und irgendwo mitgeliefert wird oder der man an bestimmten Orten und bei bestimmten Anlässen nicht ausweichen kann.

Ich plädiere für ein bewusstes Musikhören. Ein Musikstück, eine Sinfonie oder auch einen Popsong, sollte man sinnlich aktiv hören. Seine Botschaften neugierig ergründen, seine affektiven Bedeutungen mit den persönlichen Befindlichkeiten in Übereinstimmung bringen, sich ihm ganz hingeben.

Bitte keinen „Verrat“ begehen, indem man in Gedanken abwandert und so der Musik nur noch eine untermalende Hintergrundfunktion zubilligt. Die Musik, der man im täglichen Ablauf nicht entgehen kann, ist das Problem. Sie stumpft die Hörsinne ab. Sie wird zu einer akustischen Umweltverschmutzung. Ich wundere mich immer, wenn ich Menschen in der Natur begegne, in einem herrlichen Wald oder an einem einsamen Meeresstrand, die sich mit einem MP3-Player im Ohr von der wundersamen Naturmusik abschotten. Die unberührte Natur ist voller akustisch-musikalischer Herrlichkeiten. Genießen Sie diese wunderbaren Angebote in unserer heutigen Welt des penetranten Musik-terrors. Hören Sie die Musik der Stille. Sie wird Ihnen die gesuchte Entspannung und das große sinnliche Erlebnis bringen. Siegfried Matthus

Der Autor ist Initiator und künstlerischer Leiter der Kammeroper Schloss Rheinsberg. Auf den Festspielen, die in diesem Jahr zum 20. Mal stattfinden, sind junge Opernsänger aus aller Welt zu hören (bis 14. August).


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