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10.07.10 / Eines der verbliebenen Glanzlichter Berlins / Die ehemalige Kurfürstlich-Brandenburgische Sozietät der Wissenschaften feierte am Leibniztag ihr 300-jähriges Bestehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-10 vom 10. Juli 2010

Eines der verbliebenen Glanzlichter Berlins
Die ehemalige Kurfürstlich-Brandenburgische Sozietät der Wissenschaften feierte am Leibniztag ihr 300-jähriges Bestehen

Traditionell legt die Akademie der Wissenschaften in Berlin ihren Leibniztag in die Nähe des Geburtstages ihres Gründers (1. Juli 1646). Und so fand das diesjährige Treffen am 3. Juli statt. Es stand ganz im Zeichen des 300-jährigen Bestehens der Akademie. Am 3. Juni 1710 hatte die einige Jahre zuvor gegründete „Kurfürstlich-Brandenburgische Sozietät der Wissenschaften“ ihr erstes Statut erhalten. Zwar waren diesmal nur wenige Politiker anwesend, doch tat das der hochgemuten Stimmung keinen Abbruch. Bei der Akademie (AdW) weiß man, dass Kultur, Bildung und Wissenschaft mittlerweile fast die einzigen Aktivposten der wirtschaftlich schwächer werdenden Hauptstadt sind.

Die Namen der Akademie spiegeln deren historische Entwick­lung. Von der genannten „Sozietät“ ging es im 19. Jahrhundert über die „Königliche Akademie der Wissenschaften“ zur „Preußischen Akademie der Wissenschaften“ nach 1918, zur „Deutschen Akademie der Wissenschaften“ 1946 und – bis 1989 – zur „Akademie der Wissenschaften der DDR“. Durch Staatsvertrag wurde dann 1992 die „Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften“ etabliert, die heute in fünf wissenschaftliche Klassen aufgeteilt ist und Forschungseinrichtungen, Bibliotheken und Archive in Berlin am Gendarmenmarkt und Unter den Linden sowie in Potsdam am Neuen Markt unterhält.

Gottfried Wilhelm Leibniz hatte sich an den großen Vorbildern in London und Paris orientiert und die kunstsinnige preußische Kurfürstin (dann Königin) Sophie Charlotte für seine Pläne gewinnen können. Friedrich der Große hatte die AdW zu einer ersten Blüte geführt, nicht zuletzt durch die Berufung berühmter Franzosen wie Voltaire, Julien Offray de La Mettrie und Pierre Louis Moreau de Maupertuis. Bis in unsere Zeit waren dann nahezu alle großen Wissenschaftler, die in Berlin arbeiteten, auch Akademiemitglieder, angefangen von Alexander und Wilhelm von Humboldt über Christoph Wilhelm Hufeland, Friedrich Schleiermacher, die Brüder Grimm, Rudolf Virchow, Robert Koch, Theodor Mommsen bis zu Albert Einstein, Max Planck, Lisa Meitner, Fried­rich Meinecke und Konrad Zuse.

Waren im 18. Jahrhundert öffentlich ausgeschriebene Preisfragen der Akademie zu allen nur denkbaren Wissensbereichen ein probates Mittel, die Forschung voranzutreiben, so gab es ab 1810, nach Gründung der Berliner Universität, eine Gewichtsverlagerung. Die Universität und in der Folgezeit die gezielt zu einzelnen Disziplinen vor allem in Technik und Naturwissenschaft gegründeten Institute betrieben nun Grundlagenforschung. Das führte dazu, dass sich die Akademie stärker auf geisteswissenschaftliche Langzeitprojekte wie etwa die Erschließung antiker und frühchristlicher Texte, Editionen und Wörterbücher verlegte, Projekte, die teilweise bis in unsere Tage andauern. Gerade jetzt auf dem Leibniztag konnte Akademiepräsident Günter Stock verkünden, dass noch in diesem Jahr zwei Langzeitprojekte – Griechisch-christliche Schriftsteller und Medizintexte aus der Antike – abgeschlossen werden.

Das weltweite Ansehen, das sich die Akademie im Kaiserreich und in der Weimarer Republik erworben hatte, wurde durch das NS-Regime abrupt beendet. Wissenschaftsakademien begreifen sich als Gelehrtensozietäten, die über Fachgrenzen hinaus grundsätzliche Fragen erörtern. Das setzt unbedingte politische und geistige Freiheit voraus. Das aber galt nach 1933 nicht mehr; Albert Einstein hatte man schon im April 1933 hinausgeworfen, ab 1938 erfolgten immer rigerosere Einschränkungen des Regimes.

Da die AdW ihren Sitz im Ostteil Berlins hat, unterlag sie nach 1945 sowjetischer Aufsicht, nach 1949 den Direktiven der SED. Diese machte die AdW zu einer „sozialistischen Forschungsakademie“ nach sowjetischem Vorbild. Unter Bruch ihrer Tradition wurde sie zur zentralen Forschungseinrichtung in der DDR. Für viele Disziplinen wurden spezielle Akademieinstitute gegründet und mit Grundlagenforschung betraut. Bei den Natur- und Technikwissenschaften war das weniger folgenreich; den geisteswissenschaftlichen Instituten aber, wie jenen zur Geschichte oder zur Philosophie, zwang die SED rigoros ihre ideologischen Vorgaben auf. Nach der Wende wurden alle AdW-Institute evaluiert und abgewickelt, viele Wissenschaftler, die nach internationalen Maßstäben gar keine waren, entlassen. Noch heute ist bei gelegentlichen Veranstaltungen Verbitterung der betroffenen Altkader über die damaligen Vorgänge zu spüren.

Jetzt auf dem Leibniztag hatte der Althistoriker Christian Meier den Festvortrag unter die Frage gestellt, ob die antike Demokratie Vorbild noch für heute sein könne, und das mit Einschränkungen bejaht. Gleichwohl dominierten diesmal die Naturwissenschaften. Die Ehrungen der AdW gingen an berühmte Naturwissenschaftler, etwa an den Nobelpreisträger für Chemie des Jahres 2007 Gerhard Ertl und an Harald zur Hausen, dem 2008 der Nobelpreis für Medizin verliehen wurde. Auch die neuen Mitglieder sind fast alle Naturwissenschaftler. Wie um eine gewisse Enttäuschung zu dämpfen, zitierte Ertl ein Goethe-Wort: „Es geht nichts über die Freude, die das Studium der Natur bereitet.“      Dirk Klose


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