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10.07.10 / Mord ist sein Beruf / Ein Kommissar packt aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-10 vom 10. Juli 2010

Mord ist sein Beruf
Ein Kommissar packt aus

Wer erinnert sich nicht an Jessica Fletcher, die US-Antwort auf Miss Marple aus der beliebten Fernsehserie „Mord ist ihr Hobby“? Folge um Folge löst die sympathische Krimiautorin und Hobby-Schnüfflerin schwierige Fälle dank ihrer Kombinationsgabe. Bei Richard Thiess ist es anders herum: Mord ist sein Beruf. Als Leiter einer Münchener Mordkommission hat er in seiner Freizeit das Schreiben für sich entdeckt. Während seine Kollegen nach Dienstschluss ein Bier trinken gingen, verschanzte sich Thiess in seinem Keller am Computer. Das Grauen der Ermittlungen in Worte zu fassen half ihm, die Erlebnisse zu verarbeiten und nachts ruhiger zu schlafen.

Herausgekommen sind 28 fesselnde Fälle, die Thiess in seinem ersten Buch „Mordkommission“ veröffentlicht hat. Eine skalpierte Frau in der U-Bahn, zerstückelte Kinderleichen in Plastiksäcken, erschlagene Rentner und Geiselnahmen sind nichts für schwache Nerven. Dabei schildert der Autor weniger die Grausamkeit der Verbrechen als vielmehr die Beweggründe des Täters und den Umgang mit den Opferangehörigen. Zudem gibt Thiess einen Einblick hinter die Kulissen des Polizeialltags von den tage- und nächtelangen Ermittlungen über die Spurensicherung und Zeugenbefragung bis hin zur Verhaftung und Vernehmung.

In der Sonderkommission Blumenstraße bearbeitet der Kriminalbeamte die Vergewaltigung und den Mordversuch an einer Grundschülerin. Noch in der ersten Nacht nimmt die Polizei einen dringend Tatverdächtigen fest: ein Obdachloser, der sich in seinen Aussagen immer weiter in Widersprüche verstrickt. Das Kind hatte ausgesagt, der Mann habe ein „grünes Hemd mit zwei Knöpfen“ getragen. Bei der Vernehmung sitzt dem Kommissar ein Mann in grünem Hemd mit zwei Hornknöpfen gegenüber. Der Fall scheint eindeutig. Doch die DNS-Analyse beweist, der Obdachlose kann keinesfalls der Täter sein. „Erst wenn wirklich alle Spuren ausgewertet sind, kann man Schlüsse ziehen“, lautet Thiess’ Lehre.

Aufsehenerregend ist auch der Mord an einem pensionierten Konditormeister, dessen Leiche verschwunden ist. Dank einiger mysteriöser Indizien kann die Kripo den Fall bald lösen. Der Mörder schaltete nach der Tat eine Zeitungsanzeige, um das Haus seines Opfers zu vermieten. Er wollte in betrügerischer Weise Kautionen von den Interessenten kassieren.

Aus Thiess sprechen seine langjährige Berufs- und Lebenserfahrung und viel psychologisches Feingefühl, aber eben auch der bürokratische Ton eines Beamten. Ein aufmerksamerer Lektor hätte dem Werk an einigen Stellen gut getan. Übrigens befindet sich der Autor in bester Gesellschaft. Sein Kollege Josef Wilfling, langjähriger Leiter des Münchener Mordkommissariats, hat dieses Jahr ebenfalls ein Buch über die spektakulärsten Verbrechen in seiner Karriere herausgebracht.      Sophia E. Gerber

Richard Thiess: „Mordkommission − Wenn das Grauen zum Alltag wird“, dtv, München 2010, kartoniert, 240 Seiten, 14,90 Euro


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