27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
10.07.10 / Von der Pflicht zu führen / Der Preuße Beckerath: Mehr Einfluss für das Bürgertum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-10 vom 10. Juli 2010

Von der Pflicht zu führen
Der Preuße Beckerath: Mehr Einfluss für das Bürgertum

Der aus einer mennonitischen Familie stammende Krefelder Bankier Hermann von Beckerath (1801–1870) war in der Zeit des Vormärz einer der führenden Köpfe rheinischer Liberaler, die in einer Phase des Übergangs zu einer industriekapitalistisch geprägten Gesellschaft eine Neuordnung des spätabsolutistischen preußischen Staates herbeiführen wollten. Immer stärker äußerten diese wirtschaftsbürgerlichen Politiker ihre Forderung nach Reformen im preußischen Gesamtstaat. Beckerath, Abgeordneter in mehreren rheinischen Provinziallandtagen, im ersten Vereinigten Landtag Preußens (1847) und des Frankfurter Paulskirchenparlaments von 1848, war ein Befürworter der konstitutionellen Monarchie mit Grund- und Freiheitsrechten. Jedoch kritisierte er die obrigkeitsstaatliche Gängelung der Wirtschaft, die sich auf die industrielle Entwicklung in der gewerblich hoch entwickelten Rheinprovinz nachteilig auswirkte. Er und andere großbürgerliche Liberale verlangten eine gebührende Teilhabe an der staatlichen Macht. Eine von Ulrich Hettinger vorgelegte politische Biographie über Beckerath schließt eine Forschungslücke bezüglich des rheinischen Liberalismus, der sich vor dem Hintergrund der „Entfesselung der industriellen Dynamik“ herausbildete, während gleichzeitig „die soziale Frage“ immer drängender wurde. Unter dem Titel „Hermann von Beckerath – Ein preußischer Patriot und rheinischer Liberaler“ wird Beckeraths Leben und Wirken bis 1848 aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Das Schlusskapitel bietet einen knappen Überblick über seine politischen Aktivitäten während der Revolutionsjahre 1848/49, als er für einen deutschen Bundesstaat mit dem preußischen König als Erbkaiser eintrat, sowie über seine letzten beiden Lebensjahrzehnte. Bei dem Band handelt es sich um die geringfügig ergänzte Fassung von Hettingers Dissertation von 2000/01.

Beckerath gehörte zu den Vertretern der Kompromisspolitik. Dem Großbürgertum sprach er geradezu die Pflicht zu, die politisch angeblich unmündigen breiten Bevölkerungsschichten im Interesse des Gesamtwohls vorübergehend politisch zu vertreten. Hettingers Darstellung beleuchtet zugleich das Selbstverständnis des Krefelder Bürgertums und die Ambitionen der regionalen Wirtschaft. Die Bauchbinde des Bandes trägt die Beschriftung „Solange die Juden nicht frei sind, sind wir selbst nicht frei.“ Das Zitat Beckeraths von 1847 nimmt Bezug auf einen anderen wichtigen Aspekt: sein Eintreten für die volle bürgerliche Gleichberechtigung religiöser Minderheiten, besonders der Juden. D. Jestrzemski

Ulrich Hettinger: „Hermann von Beckerath – Ein preußischer Patriot und rheinischer Liberaler“, Herausgeber: Mennonitengemeinde Krefeld, Krefeld 2010, gebunden, 370 Seiten, 19,80 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren